Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Karl R. Wernhart: Seele, Tod und Jenseits#

Bild 'Wernhart'

Karl R. Wernhart: Seele, Tod und Jenseits. Universale religiöse Phänomene im Lebenskonzept und Weltbild der Menschen. Plattform Verlag Wien. 100 S., € 19,90

"Man kann davon ausgehen, dass sich die meisten Menschen auf dieser Welt ein langes Leben in Gesundheit wünschen und das Bedürfnis haben, nach ihrer irdischen Existenz in irgend einer Art im Gedächtnis der Nachwelt weiter zu leben." Diesen Wunsch stellt der Autor als "Universalie" oder "Struktur" dar, die im Menschen verankert ist. Vor mehr als 30 Jahren hat der Kulturanthropologe Karl R. Wernhart sein Konzept "Universalia humana et cultura" entwickelt. Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern der, früher Völkerkunde genannten, Wissenschaft. Karl R. Wernhart war 1989 bis 2002 Professor, 1985 bis 1991 Dekan und Rektor der Universität Wien. Nach rund 200 wissenschaftlichen Abhandlungen und 20 Büchern beschäftigt sich sein jüngstes mit den Letzten Dingen.

Der erste Teil erläutert "Grundsätzliches zum Konzept des Menschseins". Übergangsriten begleiten den Lebenszyklus. Die "Rites de passages" hat der Schweizer Religionswissenschaftler Arnold van Gennep (1873-1957) in die Ethnologie eingeführt. Sein Dreistufenmodell von Trennung, Übergang und Integration ist in der Glaubenswelt ethnischer Religionen ebenso anzutreffen wie bei den Erlösungs-, Buch- und Offenbarungsreligionen. Christen denken dabei an die Sakramente mit ihren Zeremonien. Als zentrales Element erweist sich die Verbindung zur Transzendenz. Die Öffnung zu einer Welt, welche die Rationalität des alltäglichen Lebens überschreitet, kann u. a. durch Gebet, Trance, Ekstase oder Askese erfolgen. Karl R. Wernhart sieht in der Sehnsucht nach Liebe, die er zu den Universalien zählt, eine Brücke zur Transzendenz. Sein "Konzept der Liebe" betrifft daher auch die komplexe Thematik von Seele, Tod und Jenseits.

Im zweiten Teil behandelt der Autor Seelenkonzepte in verschiedenen Religionen. Stets stehen Körper, Geist und Seele in einem gegenseitigen Bezugssystem. Störungen dieser Ordnung können dem Menschen gefährlich werden. Der religiöse Aspekt kommt ins Spiel, wenn die Seelen nach dem Tod eine Transzendierung erfahren und mit übersinnlichen Wesen in Beziehung gebracht werden. Das Verständnis des Autors von Religion beruht auf dem Fundament des '"Religiösen an sich", ergänzt durch das Bedürfnis nach Transzendenz und dem "Verlangen nach Klärung der grundlegenden Fragen des Lebens."

Der dritte Teil ist dem Tod als Übergang in eine andere Dimension gewidmet. Alle Religionen sehen ihn als Tor in eine neue Welt. "Diese Betrachtungsperspektive vermittelt das meist positiv gestaltete Bild der Weiterexistenz in der Transzendenz. … Die Skepsis über das Leben im Jenseits ist allerdings genau so alt wie der Glaube an das Leben jenseits des Grabes. Nach Sigmund Freud stellt das Todesproblem den zentralen Punkt dar … für das Leben überhaupt." Stichworte in diesem Kapitel sind u. a. die gewaltsame Beendigung des Lebens, Transformation und Reinkarnation, "guter" und "schlechter" Tod, Nahtoderfahrungen, Bestattungsformen und Trauerarbeit.

Das Thema des vierten Teils ist das Jenseits. Vorstellungen darüber sind vielgestaltig und widerspruchsvoll. Sie hängen von Kultur und Religion, Wertbegriffen, ökonomischen, und topographischen Gegebenheiten ab. Irdische Erfahrungen bestimmen das Bild vom Totenland: Jäger- und Sammlergesellschaften denken an Wildreichtum. Bodenbauern sehen im Jenseits ein erdbezogenes Gebiet, in dem die Ahnen für Gerechtigkeit sorgen. Das Paradies der Tierzüchter ist eine üppige Oase. Im Orient gilt es als Parallelwelt mit allen Annehmlichkeiten. Rein abstrakte oder spirituelle Vorstellungen von Aufenthaltsorten der Verstorbenen finden sich eher selten. Die Kommunikation zwischen Diesseits und Jenseits bewerkstelligen Zwischenwesen. Dabei unterscheiden Ethnologen den positiven Typus (Engel), den negativen Typus (Dämonen) und den neutralen Typus (Naturgeister, Krafttiere). In engem Zusammenhang mit solchen Vorstellungen stehen Mythen - für wahr gehaltene Überlieferungen, von der Entstehung der Welt bis zum Jenseits. Mythen bilden das Medium für die Darstellung des Weltbildes und beeinflussen die Lebenden.

Das Schlusswort ist ein beeindruckendes Credo des Autors. " 'Seele, Tod und Jenseits ' stellen Schlüsselbegriffe für das persönliche Religions- und Glaubensverständnis dar, mit denen sich der Mensch im Laufe seines Lebens auseinander setzen muss. Für mich persönlich ist 'Religion der Weg der Harmonie mit sich selbst, der gesellschaftlichen, religiösen, natürlichen und ökologischen Umwelt unter Einbeziehung der Transzendenz und Immanenz ins Reine zu kommen.' " Schließlich zitiert der Kulturanthropologe Artikel 18 der Erklärung der Menschenrechte über die Gewissensfreiheit und kommentiert: "Würden das alle Menschen beherzigen und die Religionsgemeinschaften sich auf ihre wesentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich Liebe und Barmherzigkeit allen Menschen gegenüber zu zeigen, und nicht davon ausgehen, dass nur ihre Überzeugung die einzig richtige ist, hätte der Friede in der Welt vielleicht eine Chance."