Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Kühner Strich#

Puch Mopeds in der Graphik von Chris Scheuer#

von Martin Krusche

Chris Scheuer sagt: „Wenn ich es nicht verstanden hab, dann hab ich es noch nicht gezeichnet.“ Er meint damit, daß komplexe Angelegenheiten sich ihm dann gut erschließen, wenn er sie zeichnet. Das ist übrigens auch seine Profession. Scheuer ist Graphic Novelist. Er zeichnet Bildgeschichten.

Graphic Novelist Chris Scheuer, das Blatt zeigt die Puch Styriette. - (Foto: Martin Krusche)
Graphic Novelist Chris Scheuer, das Blatt zeigt die Puch Styriette. - (Foto: Martin Krusche)

Was auf Anhieb exotisch klingt, ist ganz naheliegend. Wer würde sich nicht gelegentlich etwas „ausmalen“?

Es bedeutet, daß wir auch in Bildern denken, uns etwas vorstellen können, was wir real nicht vor Augen haben. Aber Scheuer und Mopeds?

Das ist eine ungewöhnliche Verknüpfung. Scheuer ist ein passioniert Fußgänger. Er hat keinen Führerschein.

Der Sohn eines leidenschaftlichen Kunsthistorikers und Enkel der steirischen Schriftstellerin Grete Scheuer wuchs damit auf, dem symbolischen Denken großen Stellenwert zu erlauben.

Es heißt, er konnte zeichnen, bevor er zu sprechen vermochte.

Die Mopeds aus dem Grazer Puchwerk haben seinerzeit den heimischen Markt dominiert. Zwei Modellreihen sind aus unserem Alltag nie verschwunden.

Die „Einsitzer“ (Puch MS 50) und das Maxi. Andere Modelle tauchen heute im Straßenverkehr zunehmend wieder auf. Sie werden in einer regen Club-Szene geschätzt, liebevoll erhalten.

Sie bieten als eine technisch und finanziell gut bewältigbare Fahrzeugart vor allem jungen Leuten die Gelegenheit, sich in einer Schrauber- und Sammlerszene zu etablieren. Puch Mopeds waren zu ihrer Zeit auch sehr erfolgreiche Exportartikel. Speziell in Holland und in nordischen Staaten wie Dänemark spiegelt sich das in der Club-Szene wieder.

Die Puch M50 Cross – (Foto: Martin Krusche)
Die Puch M50 Cross – (Foto: Martin Krusche)
Das Booklet zu Mythos Puch III – (Foto: Martin Krusche)
Das Booklet zu Mythos Puch III – (Foto: Martin Krusche)
Die Puch MS 50 als Banner – (Foto: Martin Krusche)
Die Puch MS 50 als Banner – (Foto: Martin Krusche)

Layout-Skizze für Mythos Puch III (Archiv Krusche)
Layout-Skizze für Mythos Puch III (Archiv Krusche)

Selbst in Amerika sind Grazer „Mopperln“ geschätzt. Dort spricht man die Marke „Puck“ aus. Im ehemaligen Jugoslawien wurden Motorräder und Mopeds von Puch in Lizenz gebaut. (Eines der slowenischen Tomos-Modelle erinnert heute noch an das Puch Maxi.) Als in den 1980ern die Moped-Produktion im Puchwerk eingestellt wurde, endete naturgemäß die Öffentlichkeitsarbeit der historischen Steyr-Daimler-Puch AG auf diesem Gebiet.

Hatte man sich davor durchaus noch bemüht, die Jugend mit bunter Werbegraphik anzusprechen, endete so auch die anspruchsvolle Darstellung dieser Fahrzeuge. Und die Gegenwart? Der Rückblick? Fanartikel sind äußerst markttauglich. Das führte über Jahrzehnte aber kaum noch zu interessanten Darstellungen der populären Grazer Mopeds.

Booklet-Skizze für das Moped-Heftchen (Archiv Krusche)
Booklet-Skizze für das Moped-Heftchen (Archiv Krusche)

Chris Scheuer ist, wie eingangs erwähnt, kein erklärter Fan von Kraftfahrzeugen. Er interessiert sich kaum dafür. Sie kommen in seiner Arbeit bloß als Gegenstand formaler Betrachtung vor. Darin wird er dann aber zum peniblen Interpreten. Als das Kuratorium für triviale Mythen (Kunst Ost) 2016 daran ging, die Veranstaltung Mythos Puch III zu organisieren, ließ sich Scheuer auf das Thema ein.

Immerhin sind Mopeds nicht nur die Vehikel, sondern selbst auch Teile unserer Populärkultur. Daß Teenager plötzlich ihre individuelle Reichweite per Kraftfahrzeug sprunghaft vergrößern konnten, erscheint heute nicht mehr bemerkenswert, war aber in den 1960ern und 1970ern eine sensationelle Option.

Daher sind die Mopeds mit diversen Jugendkulturen verbunden. Es entstanden nun acht Arbeiten, die einen historischen Verlauf darstellen. Das älteste Motiv zeigt ein Styria Fahrrad von 1914, welches mit einem amerikanischen Wall Auto-Wheel motorisiert wurde, also durch eine angeschraubte Einheit aus Motor, Tank und Antriebsrad zum Kraftfahrzeug mutierte.

Danach markiert die Puch Styriette aus den 1930er Jahren eine Vorstufe zu den Mopeds, die erst in den 1950er Jahren vom Gesetzgeber definiert wurden. Man könnte sagen, Mopeds waren technisch schon längst da. Nach dem Zweiten Weltkrieg legte die Straßenverkehrsordnung fest, daß man so ein Kraftrad ohne Führerschein fahren darf, wenn es auf 50 ccm Hubram und 40 Km/h Höchstgeschwindigkeit limitiert ist.

Das war praktisch eine soziale Revolution im Bereich individueller Mobilität. Die Grazer Produkte erwiesen sich teilweise als so belastbar und standfest, daß man damit sogar die Welt umrunden kann; oder über mehr als ein halbes Jahrhundert seinen Alltag durchfahren.

Handskizze zur Puch Styriette – (Foto: Martin Krusche)
Handskizze zur Puch Styriette – (Foto: Martin Krusche)
Die Puch VZ 50 – (Foto: Martin Krusche)
Die Puch VZ 50 – (Foto: Martin Krusche)
Das Puch Maxi – (Foto: Martin Krusche)
Das Puch Maxi – (Foto: Martin Krusche)

Scheuer hat mit seiner Moped-Serie einen Bogen zwischen Populärkultur und Gegenwartskunst gesetzt. Die Blätter sind zu einer Mappe zusammengefaßt, die von der Edition Freiberg in 60 limitierten Exemplaren aufgelegt wurde.

Wie die historischen Mopeds handwerkliches Geschick verlangen, war auch an dieser Produktion ein versierter Handwerker beteiligt. Johann Kober hat seine Buchbinderei im oststeirischen Schloß Freiberg eingerichtet, wo auf traditionelle Art gearbeitet wird.

Chris Scheuer beim Moped-Briefing – (Foto: Martin Krusche)
Chris Scheuer beim Moped-Briefing – (Foto: Martin Krusche)

Dort kamen übrigens 2016 auch Scheuers erste Holzschnitte zur Umsetzung; im Gebrauch einer stabilen Kniehebelpresse. So entfalten sich derlei Arbeiten als ein dezenter Brückenschlag zwischen jener Hand- und Kopfarbeit, die in unserer Gesellschaft gerne als getrennt behauptet wird… So als könnte gute Handarbeit annähernd kopflos geleistet werden. (Diese Annahme ist freilich Mumpitz.)

  • Die Edition Freiberg (link)
  • Das Moped-Booklet (link)