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!!!Auf Bestellung
!!(Mini Fabula Echo)
von __Csaba Glóner__\\
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"Guten Morgen, womit kann ich Ihnen dienen?" - fragte die Verkäuferin mit schläfriger Stimme die erste Kundin, die mit einem breiten Lächeln die Bäckerei betrat. Sie ist wohl kein Morgenmuffel, wie ich, dachte sie und versuchte ein Gähnen unterzudrücken und stattdessen auch zu lächeln. Was ihr nicht ganz gelang, so wurde davon eher ein Grinsen. 

“Ich möchte drei Vollkornbrötchen und zwei Croissant.” - sagte die Kundin, die die Müdigkeit der Verkäuferin bemerkte und gedacht hat, wie früh eine Bäckerin denn jeden Tag aufstehen muss. Um 5? Um 4? Noch früher? Oder ist sie nur Verkäuferin hier, also kommt sie erst später? Die Bäckerei war weit weg von ihrer Wohnung am anderen Ende der Stadt, so hatte sie das Geschäft und die Verkäuferin zum ersten Mal gesehen.

Die Verkäuferin packte die noch warmen und sehr gut duftenden Kleingebäcke in zwei Papiertüten, legte sie auf das Pult und fragte: "Sonst noch etwas?" Die Kundin schaute sie an und entschied spontan, was Witziges zu sagen, um sie für den wohl noch langen Arbeitstag aufzumuntern: “Ein Stück Weltfrieden, bitte”. - Das war ein Witz, den sie manchmal machte, genau um jemanden aufzumuntern oder mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Es kam bisher immer gut an.

Die Verkäuferin sah sie ernst an, die Müdigkeit war plötzlich weg aus ihrem Gesicht, es schien, als ob sie in einen völlig anderen Modus gewechselt war und antwortete: “Weltfrieden gibt es nur auf Bestellung”. Dann schaute sie direkt in die Augen der Kundin und  fuhr fort: “Möchten Sie eine Bestellung aufgeben?” Die Kundin freute sich, dass sie an ihrem kleinen Spiel teilnahm und machte mit: “Ja, bitte.”

Die Verkäuferin drückte irgendeine Tastenkombination an der Kassa, wodurch auf dem Bildschirm ein Formular aufging und fragte: “In Ordnung. Ihre Bestellung wurde registriert. Könnten Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre Adresse mitteilen? Ich brauche sie, um die Bestellung abzuschliessen. Sie erhalten dann alle Instruktionen darüber, was Sie tun müssen, per Post.”
Die Kundin lachte - “Naja, das ist wohl nicht nötig” und nahm ihre Geldbörse aus ihrer Tasche. “Es wäre schön, wenn das so einfach ginge.” und dann sagte sie noch breiter lächelnd: “Ich möchte mit Karte bezahlen”.

“Gerne”, antwortete die Verkäuferin, “aber zuerst muss ich das Formular ausfüllen.” Die Kundin schaute sie komisch an und bereute schon ein bisschen, den Witz mit dem Weltfrieden anzufangen. Sie wollte etwas Schlaues sagen, um das Gespräch irgendwie abzuschliessen, es fiel ihr aber nichts passendes ein, so sagte sie nur “Nein, ich möchte nur bezahlen, bitte”.
Die Verkäuferin zögerte ein bisschen und fragte dann: “Haben Sie das also nicht ernst gemeint? Möchten Sie doch keinen Weltfrieden bestellen? Ich brauche nur noch Ihre Adresse. Dann bekommen Sie alle Instruktionen.”
Die Kundin sah sie an und sagte leise: “Kann ich bitte bezahlen?".\\
Die Verkäuferin schloss das Formular, tippte die Summe ein und schob das Kartenlesegerät vor die Kundin. Das Gerät piepste.\\
“Danke”, sagte die Kundin schnell, packte die Tüten in ihre Tasche und wollte schon die Tür öffnen.

“Sie können jederzeit zurückkommen, um das Formular abzuschließen. Ihre Bestellung ist aber bereits gültig. Wir arbeiten daran” - rief ihr die Verkäuferin noch nach.\\
Die Kundin ging raus, murmelte aber beim Schliessen der Tür noch ein leises “Danke, Auf Wiedersehen” und dann ging sie weg, ohne zurückzublicken.\\

Ganz verwirrt ging sie nach Hause, aber dann vergaß sie die ganze Geschichte nach ein Paar Tagen. Als sie später einmal wieder in der gleichen Gegend war, fiel ihr das wieder ein und sie versuchte, die Bäckerei wiederzufinden. Sie fand sie aber nicht. Sie fragte in einigen anderen Geschäften nach, beschrieb, wie der Laden und die Verkäuferin aussahen, niemand kannte aber eine solche Bäckerei in der Gegend.
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