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!!!Flocke: Alter Mann IX
!!(Gestrickte Markierung)
von __[Martin Krusche|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/kru]__\\
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Es ist ein wollenes Zeichen meiner Akzeptanz, daß ich die alte Kerl-Nummer der Unverwüstlichkeit endgültig hinter mir lassen muß. Diese Haube. Eine Premiere. Nimmt man von meinen rund sieben Jahrzehnten auf Erden jenen Teil heraus, in dem ich mütterlicher Verfügungsgewalt unterworfen war, etwa diesem unerbittlichen Satz: ''„So gehst du mir nicht aus dem Haus!“'', bleibt immer noch eine enorme Lebensspanne, in der ich noch nie mit einer Wollhaube auf dem Kopf ausgegangen bin. Aber jetzt!
Es ist spät im November. Zum Wochenende schien mir das Einkaufen unausweichlich. Im Kontrast zu den vorangegangenen Tagen dieser Woche, die ich mir viel Ruhe gegönnt hab, um den Anflug einer bedrohlichen Männergrippe zu stoppen. Also zuhause bleiben, warm anziehen, viel schlafen. Dazu nun schon fünf Tage (plus die dazugehörigen Nächte) dasselbe Paar Wollsocken an den Füßen. Und zwar fast pausenlos, von den Momenten unter der Dusche abgesehen. Ich hatte mich drinnen gut verpackt, draußen mußte ich es nun umso mehr.
Es war zu all dem Mitte letzter Woche im Facebook notiert: „zwei mal mit einer zu dünnen jacke draußen, einen vomittag barfuß im büro, zack! männergrippe. (sehr gefährlich.) nun also auch im bett mit wollsocken. so schnitzt man freilich keine helden-epen.“ (Bis heute über 700 Zugriffe auf diese Notiz.)
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Ich hatte mir die Wollhaube übrigens vor etwa hundert Jahren gekauft und der Ausrüstung für mein Motorrad angehängt, um cool aussehen zu können, wenn ich in der kalten Zeit den Helm abnahm. Ich fuhr ja bei jedem Wetter. Aber es sah nicht cool aus, also verschwand die Haube im Wäscheschrank.
Zugegeben, ich finde, es sieht immer noch nicht cool aus, doch ich akzeptiere, daß ich meinen alten Gewohnheiten körperlich nicht mehr gewachsen bin. Der kleine Trost, es fühlt sich ganz angenehm an, wenn einem bei diesem Wetter der Kopf halbwegs warm bleibt. (Auf Ohrwärmer muß ich freilich aus modischen Gründen noch verzichten. Vielleicht bis ich ungefähr Mitte 80 bin, falls sich das ausgeht.
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[{Metadata Suchbegriff='Wollhaube, Wollsocken, Grippe, Männergrippe, Alter, Senior, Conditio humana, Tesserakt, Archipel Gleisdorf, Flocke, Feuilleton' Kontrolle='Nein'}]
!Postskriptum
Ferdinand Raimund schilderte diese Art der Krise 1826 in seinem Theaterstück „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“. In diesem „Romantischen Original-Zaubermärchen mit Gesang“. Die Jugend tritt dabei als Allegorie auf, um sich von Fortunatus Wurzel, ehemals Waldbauer, jetzt Millionär, zu verabschieden:
*Jugend: Grüß dich der Himmel, Brüderchen! Du nimmst es doch nicht übel, daß ich dir meine persönliche Aufwartung mache?
*Wurzel: Das ist ein prächtiger Mensch! hundsjung und geißnarrisch! Hat mich noch nie gsehen, und gleich Brüderl.
*Jugend: Ja Bruder, ich komme in einer besonderen Angelegenheit!
*Wurzel: Nun Bruder, mit was kann ich dienen? (Für sich.) Der braucht gwiß ein Geld.
*Jugend: Ja – nimm es nicht übel, Brüderchen, aber mit uns ists aus. Ich bin hier, um dir meine Freundschaft aufzukünden.
*Wurzel: Nun, das wär nicht übel, Bruder, jetzt lernen wir uns erst kennen, Bruder, und sollen schon wieder bös aufeinander sein, Bruder, das wär gfehlt.
*Jugend: Haha! Was fällt dir ein, Brüderchen? Fehlgeschossen, das endigt ja eben unsere Freundschaft, weil wir schon gar zu lange miteinander bekannt sind. Wir sind ja schon zusammen auf die Welt gekommen, weißt du denn das nicht mehr?
Fortunatus Wurzel versucht mit der Jugend zu feilschen, auf daß sie bleiben möge. Sie sing darauf: ''„Brüderlein fein. Brüderlein fein / sag mir nur, was fällt dir ein? / Brüderlein fein, Brüderlein fein / sag, was fällt dir ein? / Geld kann vieles in der Welt / Jugend kauft man nicht ums Geld / Brüderlein fein, Brüderlein fein / ´s muß geschieden sein.“'' Ferdinand Raimund war 36 Jahre alt, als dieses Stück erschien. Das galt Anfang des 19. Jahrhunderts allgemein noch als ein höheres Alter. Er starb mit 46 Jahren.