[{Image src='krippe17a.jpg' align='right' width='375' caption='Aus den neutestamentlichen Papyri: Papyrusblatt „P1“ mit dem Text von Matthäus 1,1–9.1.' height='441'}] !!!Episode 47: Magoi !!(Die drei Weisen) !Von __[Martin Krusche|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/kru]__ Plötzlich standen im Hof die Weisen aus dem Morgenland vor mir. Damit hätte ich rechnen können, aber es kam unerwartet. Wir sagen: Sternsinger. Eine kulturelle Konvention nennt sie die Heiligen drei Könige. Das finde ich bemerkenswert, denn es empfiehlt uns diese Charaktere als herausragende Persönlichkeiten, in ihrem sozialen Rang weit über den Bauern, Hirten, Fischern und Handwerkern jener Zeit. Sie waren freilich keine Könige und eine Heiligsprechung hat es nie gegeben. Ich nehme an, wir können es für eine Metapher halten, die einen besonderen Status der Reisenden hervorhebt, wodurch einfacher zu kommunizieren ist, mit wem wir es da zu tun haben. Matthäus, der vormalige Zöllner und spätere Jünger Jesu, gilt als Autor eines ersten von vier Evangelien des Neuen Testaments. Die überlieferten Texte sind in griechischer Sprache verfaßt. Da heißt es: ''„Mágoi apὸ anatolôn“'', also:'' „Magier aus dem Osten“''. Mit dem Begriff Magos (in der Mehrzahl Magoi) hat man damals vor allem Sterndeuter gemeint, zoroastrische Gelehrte, auch Priester, also frühe Formen von Wissenschaftern. Bei Matthäus heißt es dann entsprechend: ''„Die Huldigung der Sterndeuter“. '' Mir scheint, ihr Interesse an Betlehem kann man gleichermaßen als ein spirituelles und als ein politisches deuten: ''„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ ''(Mt 2,1 und 2,2) Ein neuer König, von dem man vermutlich in Jerusalem, aber auch bei der ansässigen jüdische Gemeinschaft im römisch besetzten Galiläa noch nichts wußte? Die politische Brisanz dieser Möglichkeit sollte sich rund drei Jahrzehnte später im Kreuzweg manifestieren. [{Image src='krippe17b.jpg' align='right' width='500' caption='Die Sternsinger, von links: Charly Höfler, Giovanni Prietl, Herbert Kohlmaier und Alexander Resch.' height='375'}] Bei Matthäus heißt es im Detail: ''„Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.“'' (Mt 2,10) ''„Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“'' (Mt 2.11) !Kompetenzen und Professionen Ich denke, in einer geschichtlich orientierten Betrachtung ist das Bild der Weisen aus dem Morgenland sehr treffend. Die konsequente Beobachtung der Natur, das Systematisieren von erworbenen Kenntnissen, um derlei Prozesse auch durch schriftliche Aufzeichnungen zu untermauern, all das könnte man sehr gut als einer Art wissenschaftliches Arbeiten verstehen; zu einer Zeit, da es Wissenschaft in unserem heutigen Sinn noch nicht gegeben hat. Daß dabei quer durch das gesamte Jahr die Beobachtung des Himmels eine wesentliche Rolle spielt, können Sie sich heute noch von Bäuerinnen und Bauern bestätigen lassen, auch wenn dafür längst ganz andere Mittel verfügbar sind. (Wetter und Lebensqualität stehen seit jeher in einem engen Zusammenhang.) Weise aus dem Morgenland, das bedeute auf jeden Fall, man hatte es mit sachkundigen Menschen zu tun, die in verschiedenen Disziplinen beschlagen sind. Wie wir heute das alte Griechenland und Rom für unsere klassische Antike halten, aus der wir immer noch Wissen beziehen, hatte die Antike ihrerseits eine Antike. (Diese lag zeitlich ungefähr gleich weit entfernt.) Ich meine Ägypten und das Zweistromland Mesopotamien. In beiden Fällen sind Flüsse mit ihren wiederkehrenden Überschwemmungen wichtig, weil so fruchtbare Erde auf die Böden kam. (Genau! Naturbeobachtung und Wissenserwerb.) [{Image src='krippe17c.jpg' align='right' width='500' caption='Die Krippenfigur im Gleisdorfer „Zeit.Raum“.' height='375'}] Im vierten Jahrtausend vor Christus war eine mesopotamische Keilschrift verfügbar. Ägyptische Hieroglyphen gab es ab etwa 3200 vor Christus. In unserem Teil Europas wissen, daß Platons Texte uns einen Sokrates zeigen, der im „Phaidros“ das Aufkommen der Schriftkultur heftig kritisiert hat. Eine Annahme besagt, daß dieser Text aus etwa 370 v. Chr. stammen könnte. !Wissende und Weise Wir haben also eine weit jüngere Tradition, Wissen schriftlich zu konservieren. Das soll sich in unserer durchgesetzt haben. Dagegen konnten Menschen zur Zeit von Jesu Geburt schon auf ihre Antike blicken, um vor dort Wissen zu beziehen. Sie sehen, der Magier, ein Weiser, quasi ein Wissenschafter, der sich systematisch um Wissenserwerb bemüht. Das ist vermutlich ein wesentlicher Hintergrund dessen, was uns heute im Gewand der Sternsinger gegenübertritt. Ich hab hier etwas weit ausgeholt, um jenen Hintergrund anschaulich zu machen, vor dem gebildete Reisende aus dem Osten eher exponiert und auffällig erscheinen konnten. Daraus wurden einerseits durch versierte Kirchenleute, andrerseits durch die Volksfrömmigkeit und durch Brauchtum jene Figuren herausgebildet, denen wir heute in der Neujahrszeit begegnen können. Sie sind freilich nicht unterwegs, um mit mir gelehrte Debatten zu führen, sondern sie sind Segensbringer. Die Buchstabenkombination C+M+B ist Ihnen geläufig? Sie bedeutet: ''„Christus mansionem benedicat”'', was besagt: “Christus segne dieses Haus”. Die Sternsinger bringen demnach einen Segen. So notierte es auch Pfarrer Giovanni Prietl in einer Nachricht an mich: ''“Wir haben uns gefreut, dass wir dir den Segen zusagen durften...“'' >[Zurück zur Startseite der 47. Episode|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/kru47_krippe] [{Metadata Suchbegriff='Martin Krusche, Zeitraum, Zeit.Raum, Gleisdorf, Kunst Ost, Archipel, Krippe, Matthäus, Sternsinger' Kontrolle='Nein'}]