!!!Feminismus ist für alle da
!!(Ein Mission Statement)
!Von Eva Surma

Feminismus ist viel, aber in erster Linie ist Feminismus demokratisch. Er richtet sich an jede und jeden. Denn wir alle wollen die Welt ja, nicht zuletzt für uns selbst, zu einer gerechteren Welt machen. Feminismus setzt daher auf Aktivität, auf Selbstermächtigung, Chancengleichheit und Diversität. Feminismus ist nicht die bessere Staatsform. Feminismus ist nicht die bessere Religion. Feminismus ist schon gar nicht die Umkehr des Patriarchats. Feminismus ist das, was wir aus der Geschichte gelernt haben. Aus der Geschichte, die wir in Geschichtsbüchern und im altehrwürdigen Lehrplan unserer Schulen finden, aber auch aus den Geschichten, die unsere Ahnen, unsere Großmütter und Mütter erlebt und nicht aufgeschrieben haben. Nämlich dass eine Gesellschaft sich immer repräsentativ zu den aktiv teilhabenden Gruppen darstellt.

Wenn also in einer Regierung eines beliebigen demokratischen Landes keine oder annähernd keine Diversität herrscht, dann bedeutet das: So wollen wir in der Öffentlichkeit dastehen. So werden wir gesehen – und so wollen wir auch gesehen werden. Denn dank des allgemeinen Wahlrechts beteiligen sich ja alle Bürgerinnen und Bürger, denen wir Zugang zum Wahlrecht gewährt haben, in dem ihnen passend erscheinenden Ausmaß an den Wahlen. Die anderen, die nicht wählen dürfen, nennt der Bundespräsident, der in Österreich immer ein Mann war, weil das zu uns passt, bei der Neujahrsansprache beispielsweise: „ alle Menschen, die bei uns leben.“ Das ist die Teilhabe, die wir denen zugestehen, und auch das hat seine konsekutive Richtigkeit. „Rund 6,3 Millionen Wahlberechtigten stehen fast 1,5 Millionen Einwohner im Wahlalter gegenüber, die mangels österreichischer Staatsbürgerschaft nicht wählen können.“1)

Feminismus bedeutet folglich, wer sich dazu äußern will, äußert sich. Welche nicht, die nicht. Da wenige Menschen sich als Privatpersonen politisch exponieren wollen, ist es um den Feminismus eher leise. Denn wenn sich eine als Feministin outet, dann kann es schon recht stürmisch werden. Da ist es gut, wenn du Bodenhaftung hast und beschlagen bist mit Daten und Fakten, die du an den Mann bzw. die Frau bringen willst. Viele andere Geisteshaltungen lassen sich innerhalb unserer Gesellschaft leichter vertreten als der Feminismus. Vielerorts hält man Glauben oder Esoterik für fundierter als Feminismus. In unserer auf Kapitalismus ausgerichteten Gesellschaft, in der es immer um Wettbewerbsvorteile geht, in ökonomischer aber auch in sozialer Hinsicht, bildet man Allianzen lieber mit den Stärkeren, mit den Aggressoren. Damit ist man auf der sicheren Seite. Kein Wunder also, dass Frauen sich nicht mit Frauen verbünden. Wer holt sich schon was Schwächeres ins Boot? Um einen kompetitiven Vorteil zu erringen, müsste man bloß tragfähige Seilschaften gründen. Ob Frauen das nicht können, nicht wollen oder schlicht nicht erkannt haben, worum es geht, steht in den Sternen, in den schon genannten Geschichtsbüchern, in der Bibel oder in anderen relevanten Religionsschriften.

Frauen haben es zu ihrer Angelegenheit gemacht, dem System zu dienen. Sie pflegen und erhalten, nähren und bewahren unseren gesamteuropäischen Vorsprung. Diese Vormachtstellung ist gerade dadurch gefährdet, dass Frauen auf anderen Kontinenten eben auch ihre Machthaber unterstützen. Es gibt also im internalisierten Patriarchat nur den gemeinsamen Sieg, oder den gemeinsamen Untergang.

Was könnte eine geeinte Schwesternschaft, eine mächtige Sisterhood bringen, sollten wir denn eine begründen wollen?

Mit der Streeruwitz glaube ich, dass das MachenWollen aus uns selbst kommen muss, das MachenWollen und das LiebenWollen. Gerade in unseren Zeiten, in denen laufend so Erschreckendes passiert, dass Medien es uns in allen Tonlagen um die Ohren posaunen, dürfen wir nicht vergessen, dass wir der Stoff sind, aus dem Kriege gemacht werden. Damit geht auch die Erkenntnis Hand in Hand, dass man nur MIT jemandem etwas machen kann und nicht FÜR jemanden. Was passiert also, wenn wir mit unseren Schwestern auf unsere aktive Teilhabe verzichten und das Ruder jenen überlassen, die sich so gerne profilieren, den alten weißen Männern? Egal ob sie von einer unabhängigen Justiz strafrechtlich verurteilt wurden, ob sie unansehnlich, unanständig oder unverständlich sind, sie streben leitende politische Positionen an. Und wir unterstützen sie. Denn es ist ja nicht so, dass es die Schwesternschaft nicht gibt, nein, die Sisterhood hat sich eben nur dazu entschieden, die von ihnen von Anbeginn an, nämlich von deren Geburt an, Verhätschelten weiter zu unterstützen. Über ihre Unsitten und ihre Verbrechen zu schweigen und weiterhin fest zu ihnen zu halten, bis dass der Tod entscheidet. 


Mit den Erwartungen, die wir an andere Menschen herantragen, sei es durch ein Wahlvotum oder durch einen gemeinsamen Kreditvertrag, spielen wir uns auch ein bisserl frei. Wir übergeben die Verantwortung jenen, die uns überzeugt haben. Wir lassen uns gerne überzeugen. Wir wählen im Supermarkt die Produkte, mit denen wir zufrieden waren oder zufrieden sein wollen. Wir treffen keine objektive Wahl. Wir repräsentieren, die eine mehr, der andere weniger, den Mainstream, der nur so, durch unser individuell gemeinsames Zutun, zum Mainstream werden kann. Dass das ein Mensdream ist, also das, was Männern in die Karten spielt, ist uns über lange Strecken unseres Daseins nicht so wichtig, weil wir uns nicht wichtig genug sind. Wir beuten uns aus. Wir funktionieren. Wir wollen natürlich niemandem schaden. Und so schaden wir uns in dieser Beliebigkeit selbst am meisten.

Wir übertragen unsere Verantwortung, oder wir schieben sie ab. Wir denken dann nicht mehr über uns nach, sondern über unsere PartnerInnen, über die uns Anvertrauten, über unsere Kinder, unsere Pflegebedürftigen, den gewählten Repräsentanten bzw. das gekaufte Produkt. Wir werden zur Wechselwählerin, zur Allesfresserin, zum Phagozyten, und so verschlingen wir auch unsere Schwestern. Weg damit. Sauber, ordentlich und rein, so soll es bei mir sein, und mit anderen lass ich mich erst gar nicht ein. Wir kontrollieren uns selbst sehr streng und haben daher auch nichts dagegen, wenn der Mann unseres Vertrauens unser Handy, unseren Kontoauszug, unsere Kleidung kontrolliert. Es ist ein Liebesbeweis, nicht mit der Sisterhood tanzen zu gehen. Es wird zur Selbstverständlichkeit, nicht in Frauengruppen Übungen oder Turniere abzuhalten. Wo viele Frauen auf einem Fleck zu sehen sind, muss es etwas zu pflegen geben. Oder gratis Lebensmittel für die ganze Familie. Ist dem nicht so, sind Frauen gefährlich. Dann spricht man von einer Zusammenrottung von Kampfemanzen. Niemand mag Feministinnen, schon gar nicht viele auf einmal. Auch Frauen legen sehr oft großen Wert darauf, nicht mit Feministinnen in einen Topf geworfen zu werden, wobei sie bei Rechts und Links bei weitem nicht so wählerisch sind.

Wie funktionieren diejenigen, die wir gewählt haben und die jetzt an der Macht sind. Sie haben unser Vertrauen errungen, weil sie am ehesten jene Staatsform verkörpern, in der wir leben wollen. Frauenbünde wollen wir nicht. Sonst hätten wir sie. Was passiert mit uns, wenn wir der Werbung vertrauen und uns mit dem vollstopfen, was wertvoller als ein kleines Steak ist? Wir wissen im Nachhinein, was besser gewesen wäre und warum es gerade so und nicht anders gekommen ist. Das hindert uns nicht daran, bei derselben Nummer zu bleiben. Verhaltensänderungen sind per se schwierig. Das nächste Mal fällt unsere Wahl halt auf einen Kandidaten weiter rechts, und wir nehmen die Fertigpizza weiter links im Supermarkt Tiefkühler.

Immer wieder sagen Frauen zu mir, die mich sympathisch finden - denn wenn sie mich nicht sympathisch finden, ist es ein Leichtes mir aus dem Weg zu gehen und hinter meinem Rücken zu reden - "Aber ich möchte einfach nur Frau sein und nicht Feministin! Das ist mir viel zu arg. So sehe ich mich nicht. Ich bin nicht politisch."

Darauf antworte ich gerne: "Das ist natürlich möglich. Ich habe auch Tage, an denen ich einfach nur Mensch sein möchte und nicht Frau. Das ist ja das Schöne an der Demokratie, dass man es sich richten kann, wie man es braucht. Genau das ist das Politische an der Demokratie."

Und genau das hat Beauvoir gemeint, als sie schrieb: Das Private ist politisch und das Politische ist privat.

Die vermeintliche Politikverdrossenheit unserer Tage ist genau das, was die Demokratie zu Grunde richten wird. Denn sie ermöglicht es widerwärtiger aber unverdrossener Politik, ans Ruder zu kommen und menschenverachtend gerade jene zu bekämpfen, die sich für die Demokratie einsetzen. Ein wenig so wie mit dem Feminismus. Konsequent gedacht - und wenn Feminismus für alle da ist - ermöglicht er es, dass diejenigen, die am wenigsten Interesse daran und von der Historie null Ahnung haben, Weisheiten über ihn verbreiten, die die Welt glauben machen, es wäre das Allerwichtigste, Frauen wie Butler und Schwarzer, Jelinek und Streeruwitz mundtot zu machen, damit sie nicht weiter Schaden anrichten. Welcher dieser Schaden denn wäre, das interessiert schon gar nicht mehr, denn wir wenden uns wieder unserem konsumzentrierten Alltag zu. Man hat doch besseres zu tun, als über Demokratie oder Feminismus nachzudenken. Die Charta der Menschenrechte wollen wir hier gar nicht erst nennen. Eh klar! Wir sind alle für Menschenrechte. Wer nicht?

Auch die Kirchen ticken so. Gott liebt uns alle, aber Frauen dürfen halt leider nur dienen. Und das können sie, das wollen sie, und das machen sie. Wie gern würde ich Trump das Schweißtuch reichen, aber so weit habe ich mich noch nicht hochgedient. Doch es ist der Feminismus, der mir erlaubt, solche Inhalte zu reflektieren und auszusprechen. Denn meine privaten Ansichten sind immer politisch, egal in welche Richtung. Gefährlich würden sie erst, wenn es eine Sisterhood gebe. So bleiben Demokratie und Feminismus ein Paar, wie Shrek und der Esel, die natürlich genau wie die Darsteller in Brechts Lehrstücken zufällig männlich sind. Eine Schelmin, die sich Böses dabei denkt.
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[{Metadata Suchbegriff='Eva Surma, Feminismus, Official Bootleg, Archipel Gleisdorf, Kunst Ost' Kontrolle='Nein'}]

!Fußnote
*1) [Kurier vom 29.7.24; eingesehen am 25.1.2025|https://kurier.at/politik/inland/nationalratswahl-wahlberechtigte-wahlrecht-oesterreich-staatsbuergerschaft/402930484]