!!!Notiz 110, Episode V: Crescendo
!!(…mit einer Arbeit von Radenko Milak)
!Von __[Martin Krusche|User/krusche martin]__
[{Image src='notiz110a.jpg' caption='Ein Aquarell von Radenko Milak.' align='right' width='500' height='420'}]
Dieses Anschwellen von allem, diese wachsende Flut verfügbarer Dinge, die neuerdings sogar eigenständig miteinander kommunizieren… (IOT = Internet of Things) Der Homo faber als ein Mensch, welcher Dinge herstellt, steht einer Tierwelt gegenüber, in der einige Gattungen ebenfalls etwas erzeugen können. (Die einzelnen Objekte dieser Episode können Sie auf einer [separaten Seite|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/notiz111_crescendo] genauer ansehen.)

!Hornissennest
Die Hornissen haben, wie auch die Wespen, leistungsfähige Kauwerkzeuge und ihren Speichel. Damit bauen sie ihre Nester, indem sie Holz zu Mehl zerkauen und mit Speichel zu einem Brei anreichern.

Diese Masse härtet schließlich aus. Wabentechnik, Leichtbauweise… Wir Menschen können unsere Zähne nur in Grenzen als Werkzeuge nutzen, haben auch keine erwähnenswerten Körperwaffen.

Aber die Säge! (Nachdem Meißel und Klinge längst in Gebrauch waren.) Gemäß unserer Mythologie ist sie eine Erfindung der Perdix. Er war der Neffe des bedeutenden Handwerkers Dädalus, dem Vater von Ikarus. Dädalus hatte den Sohn seiner Schwester als Lehrling aufgenommen und wegen dessen erheblicher Talente eine so heftige Eifersucht entwickelt, daß er ihn zu ermorden versuchte. (Siehe dazu auch die erste Episode: "[Eixelbergers Daedalus|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/notiz087_daedalus]"!)

!Holzspielzeug
Die Säge kam gut erkennbar zum Einsatz, als man beim Gleisdorfer Betrieb Chance B vor Jahren daranging, das Holzspielzeug „Klump“ neu aufzulegen. Ich zeige hier einige Rohlinge der Exponate, die in Kleinserien erzeugt wurden.

Diese Stücke erinnern auf bewegende Art an [Herbert Eichholzer|Wissenssammlungen/Essays/Architektur/Eichholzer_Haus_Hilmteichstraße], Walter Ritter und Anna Neumann, die ihre Ideen für ein erschwingliches, ansprechendes Spielzeig in Zeiten des Mangels umsetzten; in der Nazi-Ära.

Der Grazer Architekt Eichholzer hatte sich schon am Austro-Faschismus gestoßen und entwickelte sich zu einem unbeugsamen Kritiker der Nazi. Er wurde im Jänner 1943 wegen „Hochverrats“ hingerichtet. (Eichholzer war in seiner Haltung gegenüber den Nazi übrigens ein Vertrauter von Architektin Margarete Schütte-Lihotzky.)
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[{Image src='notiz110c.jpg' class='image_block' width='300' height='225'}]
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!Kratzbürste
Die Kratzbürste in diesem Set kommt zwar noch ohne Kunststoff aus, erinnert in Material und Form aber noch an das alte Handwerk. Doch sie ist ein Massenprodukt aus industrieller Fertigung. Manche Menschen schätzen für das geschirreinigen immer noch jene Hilfsmittel, die aus Holz und Gräsern gefertigt, mit Draht gebündelt sind. Auf kuriose Art tauchen laufend neue Hygienevorschriften auf, die derlei Hilfsmittel zumindest in formellen Betrieben unzulässig machen.

!Blechspielzeug
Im Kontrast dazu das Spielzeug, der kleine LKW. Seine Komponenten stammen aus der Massenfertigung, es sind dabei vor allem Getränkedosen in Verwendung. Das Auto steckt gewissenmaßen zwischen Unikat und Serie. Das Grundmuster der Bauteile kehrt in Kleinserien wieder, macht also Stückzahlen möglich.
[{Image src='notiz110b.jpg' align='left' width='400' height='300'}]

Aber die handwerkslastige Fertigung sorgt für Abweichungen, für Variationen, die solche Stücke in die Nähe von Unikaten rücken. Ich darf annehmen, daß dieses Auto ohne den Einsatz con Maschinen gefertigt wurde. Säge, Bohrer, Blechschere und Hammer dürften genügt haben.
[{Image src='notiz110e.jpg' align='right' width='250' height='188'}]

!Kunst
Schließlich ein Aquarell von Radenko Milak, das aus dem Jahr 2014 stammt und damals einer von mehreren Querverweisen auf 1914 war. (Das Jahr, als der Große Krieg begann.) Da ist einerseits dieses unerbittliche künstlerische Handwerk, denn das Aquarell erlaubt prinzipiell keine Korrekturen. Jeder Pinselstrich muß auf dem feuchten Papier sitzen, um sich im Trocknen des Blattes festzusetzen.

Hinzu kommt in diesem Fall noch das Motiv. Es zeigt den Teil eines Tanks. Das sind frühe Formen gepanzerter Fahrzeuge, die speziell für das Schlachtfeld entwickelt wurden, also Panzer. Sie gehörten - neben den Maschinengewehren (als automatische Waffen mit davor nie dagewesener Feuerkraft) und den Flugzeugen - zu den markanten Maschinen eines radikal neuen, hochtechnisierten Krieges.
[{Image src='episode05.jpg' align='right' width='250' height='323'}]

Hier haben sich Handwerk und Technik zwischen 1910 und 1914 machtvoll zur Ersten Industriellen Revolution verwoben. So also in dieser Episode ein symbolische Bogen gezogen: von der Fähigkeit einiger Tiere, die Gegenstände anfertigen, zur Massenproduktion von Gütern, wozu Kunstwerke wie die von Milak wiederum in Kontrast treten.

>Alle Fotos: Martin Krusche
>[Die Exponate|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/notiz111_crescendo] (Extraseite)
>[Zeit.Raum: Slot II|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/Slot_II]
>>Dorf 4.0: [Die Notizen-Übersicht|Kunst_und_Kultur/Volkskultur_und_Mythen/Praxiszone_Dorf_4.0/Notizen]

[{Metadata Suchbegriff='Radenko Milak, Handwerk, Herbert Eichholzer, Zeit.Raum' Kontrolle='Nein'}]