Die Ukraine im wappenreichen Wien: Zwischen Büffelkopf und schwarzer Dohle.#
Galizien und die Bukowina#
Als Galizien und Lodomerien und die Bukowina (Buchenland) waren die beiden Territorien ab 1772/1795 bzw. 1775, zunächst zusammen, in den habsburgischen Länderkomplex eingegliedert worden. Im Verlauf dieses Integrationsprozesses wurde auch eine österreichische Verwaltung implementiert. Dazu gehörte auch die Schaffung von Erkennungszeichen, sowohl des Landes als auch der Städte, also Landeswappen und Städtewappen. Galizien erhielt als eigenes Königreich bereits 1772 ein eigenes Wappen aus historischen Vorbildern. Nach Gründung des Österreichischen Kaisertums 1804 wurde es so gestaltet, wie es seitdem gebraucht wurde: Im blauen Schild ein roter Balken mit einer darauf schreitenden schwarzen Dohle, unterhalb drei goldene Kronen (2:1). Das Wappen von Lodomerien: Im blauen Schild zwei von Silber und Rot sechsfach geschachte Zwillingsbalken. Dieses Wappen kam aus Gründen der Vereinfachung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr außer Gebrauch. Die Bukowina war seit 1786 zunächst mit Galizien vereinigt und wurde erst 1849 als selbständiges Herzogtum konstituiert. Die Diskussion um ein Wappen zog sich etwas dahin und kam erst 1862 zum Abschluss. Als Wappen nahm man den schwarzen Büffelkopf (Auerochs), der schon seit dem Mittelaler im Fürstentum Moldau verwendet wurde und setzte ihn in ein von Blau und Rot gespaltenes Feld. Begleitet wird der Büffelkopf von drei goldenen Sternen.



Architektur im Zeichen des Gesamtstaatsgedankens#
In Wien war das große städtebauliche Ereignis in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Anlage der Ringstraße und der Bauten in ihrem Bereich. Ganz den Intentionen der legendären kaiserlichen Devise „Viribus unitis“ (Mit vereinten Kräften) folgend, sollten „alle Völker auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten…den Bau der Größe des gemeinsamen Vaterlandes fördern“. Das waren die Vorstellungen der Gesamtstaatsidee, die unter anderem auch im öffentlichen Bauwesen sichtbar werden sollte. Bis heute sind diese Stilformen des Historismus an dern öffentlichen Bauten (Rathäusern, Schulen, Kirchen, Bahnstationen, etc.) in den ehemaligen habsburgischen Ländern zu beobachten. Der Baustil und die "Kunst am Bau" geben davon ein beredtes Zeugnis ihres kulturellen Erbes ab. Ein wesentliches schmückendes Element bildeten dabei die Länderwappen, die ein ideales Band waren, um die Einheit des Reiches symbolisch erkennbar zu machen. Im Wiener Straßenbild waren alsbald alle Kronländer der k.k. Monarchie (nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867: k.u.k.) heraldisch präsent, auch die relativ jungen Kronländer Galizien und die Bukowina.Palais Ferstel#
Als erstes einer ganzen Reihe von Gebäuden der historistischen Epoche wurde von 1856 bis 1860 von Heinrich von Ferstel das Gebäude der Österreichischen Nationalbank (nach 1867 Österreichisch-Ungarische Nationalbank) errichtet. Das heute unhistorisch "Palais Ferstel" genannte Bauwerk, wird an seiner schmalen Seite zur Freyung von einer dreiachsigen Bogenhalle und den darüber befindlichen Loggien akzentuiert. Im zweiten Obergeschoß befinden sich über den Fenstern die Wappen der größeren Kronländer Ungarn, Böhmen, Lombardo-Venetien und Niederösterreich und das kleine Reichswappen in der Mitte.
Unterhalb der Fenster sind in Vierergruppen die Wappen der kleineren Kronländer zu sehen, darunter auch Galizien und Lodomerien in einem Schild. Unter den beiden rechten Fenstern tauchen zwei leere Schilde tauchen auf, die für weitere Kronländer vorgesehen waren. Da die Diskussionen über die Gestaltung einiger Länderwappen noch nicht ganz abgeschlossen waren, wie beispielsweise für die Bukowina, blieb der Schild leer. Das Bank- und Börsengebäude war jedoch früher fertig als die Bukowina ein eigenes Wappen erhalten hatte.
Akademisches Gymnasium#
Das Akademisches Gymnasium, am Beethovenplatz 1, wurde von 1863 bis 1866 von Friedrich Schmidt errichtete und orientiert sich in seinem neugotischen Stil an alten englischen Colleges. Seine Intention war es Schüler aus der gesamten Habsburgermonarchie anzuziehen und als bürgerliche Ausbildungsstätte quasi ein Gegenentwurf zum aristokratischen Theresianum und dem Kollegium Kalksburg zu bilden. Zu diesem Charakter gehörte es auch, dass die Länderwappen auf ihre Weise den supranationalen Charakter der Eliteschule hervorheben sollten. Im zweiten Obergeschoß befindet sich über den Maßwerkfenstern ein Fries aus farbigen Wappen der damaligen Kronländer und im Mittelteil das kleine Reichswappen.

Aus dieser Schule gingen bedeutende Politiker, Gelehrte, Musiker und Schriftsteller hervor. Heute, seit der Invasion Russlands in der Ukraine, trifft sich hier jeden Samstag die ukrainische Community aus Österreich, aber auch aus der Slowakei und Ungarn, zum Unterricht in der deutschen Sprache.
Der Wappenschmuck am Akademischen Gymnasium
Staatsoper#
Die Staatsoper wurde von 1862-1868 als k.k.Hofoperntheater errichtet und war zweifellos das spektakulärste Unternehmen des Ringstraßenbaus. Auch hier sind alle Wappen der Monarchie rund um das ganze Bauwerk zu sehen, wie auf einer Perlenkette aufgefädelt und in drei Ländergruppen zusammengefasst: die österreichische Länder im weiteren Sinn, die Königreiche Böhmen und Ungarn und ihre Nebenländer. Galizien und Bukowina zählt zur österreichischen Ländergruppe. Die ungarischen Länder, einschließlich Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen und Serbien, sind hier ebenfalls noch zu sehen, da das Gebäude noch vor dem Ausgleich mit Ungarn errichtet wurde. Ähnliches ist auch auf dem "Palais Ferstel" zu beobachten. Auf Gebäuden, die nach dem Ausgleich von 1867 errichtet wurden, wie die Neue Burg oder der Justizpalast, kommen die ungarischen Wappen nicht mehr vor.
Die Wappen im einzelnen: Kärntnerstraßenseite zur Philharmonikerstraße: Kärnten, Venetien, Krain, Dalmatien, Istrien Kärntnerstraßenseite zum Ring: Tirol, Steiermark, Salzburg, Niederösterreich, Oberösterreich Operngassenseite zum Ring: Serbien, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien, Slawonien Operngassenseite zur Philharmonikerstraße: Böhmen, Schlesien, Galizien-Lodomerien, Bukowina.
Justizpalast#
Der Justizpalast am Schmerlingplatz wurde 1875-1881 als eines der letzten großen Verwaltungsgebäude der Monarchie errichtet und bei seiner Eröffnung als „Tempel der Gerechtigkeit“ bezeichnet. Er wurde nach dem Entwurf des Architekten Alexander Wielemans von Monteforte im Stil der Neorenaissance gebaut und beherbergte den Obersten Gerichts- und Cassationshof mit der Generalprokuratur, das Oberlandesgericht für Nieder- und Oberösterreich sowie Salzburg (samt Oberstaatsanwaltschaft), das Landesgericht für Zivilrechtsachen und das Handelsgericht Wien. Über die von Löwen flankierte Freitreppe gelangt man in die große Aula, die von einem dreigeschoßigen glasgedeckten Arkadenhof umschlossen wird. In den umlaufenden Bogenfeldern der Arkaden befinden sich über den Pfeilersäulen die farbigen Wappen der seinerzeit im Reichsrat vertretenden Königreiche und Länder, kurz „Cisleithanien“ oder als österreichische Reichshälfte bezeichnet. Darunter eben auch das Königreich Galizien-Lodomerien und das Herzogtum Bukowina in Farbe.
Der Wappenschmuck am Justizpalast.
Hofburg#
An der Neuen Burg, und zwar an dem zum Heldenplatz geschwungenen Flügel, an dem noch bis weit nach dem Ersten Weltkrieg gebaut wurde, sind nicht nur 20 Statuen von Gestalten der österreichischen Geschichte zu sehen, sondern auch die Wappen aller ehemaligen 18 Landeshauptstädte.
Die Städtewappen von Lemberg/ Lviv und Czernowitz/ Cernicvi#

Nach der Angliederung der beiden Länder an den habsburgischen Länderkomplex erfolgte auch eine Anpassung der Verwaltung. Dazu gehörte auch, dass die jeweiligen Hauptstädte Lemberg/ Lviv und Czernowitz/ Cernivci ein eigenes Statut erhielten und mit entsprechenden Stadtwappen ausgestattet sein sollten. So wie alle anderen österreichischen Gemeinwesen, sollten auch sie imstande sein ihre Schriftstücke damit siegeln und beglaubigen zu können. Lemberg hatte, nachdem es schon 1789 zur königlichen Freistadt erhoben wurde, ein Wappen erhalten. Es war ein redendes Wappen, da der Name Lemberg auf den Namen Lemburg bzw. Löwenburg zurückgeht, benannt nach Lew, dem Sohn des Fürsten Danilo Romanovic: Im blauen Schild ein rotes Stadttor mit drei Türmen und grünen Dächern. Unter dem Tor ein goldener Löwe, der einen silbernen Dreiberg auf einem darauf stehenden goldenen achtstrahligen Stern hält.
Bei der Stadt Czernowitz/ Cernivci geht das Stadtwappen ebenfalls auf ein Stadtsiegel zurück, das wohl im Zuge 1784 erlassenen Stadtordnung geschaffen wurde. Eine Wappenbestätigung erfolgte jedoch erst 1908. (vgl. die genauere Geschichte des Stadtwappen finden sie hier: Wissenssammlungen/Symbole/Ukraine_Österreich.
Die kommunalen Einrichtungen bedienten sich jedoch dieses Wappens für ihre Korrespondenzen, wie z.B. das Siegel des Siechenhauses von Czernowitz zeigt. Wappenbeschreibung: Ein roter Schild eine Stadtmauer mit einem offenen Stadttor, darüber in zwei Reihen acht schwebende silberfarbene Quadern. In der Toröffnung der schwarzer kaiserliche Doppeladler, mit einem rot-weiß-roten Brustschild.
Heute sind die beiden Städte die Hauptstädte ihrer gleichnamigen ukrainischen Oblaste. Während das Wappen von Lviv in etwa immer noch dem Aussehen aus der Monarchie entspricht, ist auch dem Wappen von Cernivci seine Ähnlichkeit aus der habsburgischen Zeit anzumerken. Lediglich der Doppeladler wurde entfernt und durch den ukrainischen goldenen Dreizack ersetzt. Wenn also wieder einmal blau-gelbe Beleuchtungen als Solidaritätskundgebungen angesagt sind, so könnte man doch durchaus die Stadtwappen von Lemberg und Czernowitz auf der Hofburg mit einbeziehen, als neue Akzente.
Text und Fotos: Michael Göbl