!!! DIE FRUCHTBÖRSE
von  [I. Ch. Graupp|User/Graupp Ingrid-Charlotte]\\





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Im herrlich geschmückten Festsaal der Technischen Hochschule fand zu Ehren des
70. Geburtstages von Hofrat Professor Carl König eine imposante Gratulations Cour
statt. Die dargebrachten Ovationen waren nicht nur ein Beweis der allgemeinen
Wertschätzung, sondern zeigten in glänzender Weise wie hoch seine künstlerischen
Qualitäten gewertet wurden.


Die Schüler Königs ehrten ihren Meister auf besondere Art - mit einer Porträtbüste
von Prof. Rudolf W., von Weyr verfertigt, als bleibendes Erinnerungszeichen des
Jubeltages.


Beim anschließenden Festmahl waren 120 Architekten um Carl König
versammelt, alles ehemalige Schüler aus Wien und den Kronländern. Als Ehrengäste
waren nebst den beiden Brüdern Königs Oberinspektor Max König und Ing.
Friedrich König, auch Oberbaurat Wessicken aus Salzburg, einer der ältesten
Freunde Königs, und von der Presse der kais. Rat Basch, geladen. Daraus war
deutlich zu ersehen wie nachhaltig die Eindrücke, den diese prägnante
Persönlichkeit Königs auf jene ausübte, die je mit ihm zu tun hatten. Sie bewahrten
ihm gegenüber eine Anhänglichkeit obwohl keiner der Schüler dem Meister
gegenüber in ein näheres persönliches Verhältnis getreten wäre.


Ein schöner Beweis dafür waren die pietätvollen Veröffentlichungen Königs
Schriften. Die Publikationen seiner Werke geschahen niemals durch Königs
Initiative sondern durch Betreiben seiner Freunde wie dies bei der großen
Internationalen Architekten-Ausstellung 1908 der Fall gewesen war, und zwar ganz
gegen den Willen des Jubilars. Der Altmeister der Baukunst konnte auf ein reiches
Schaffen zurück blicken, er war einer von jenen die diese zauberhafte Stadt mit so
manchem baulichen Edelstein geschmückt hatte. Dazu darf wohl auch die Börse für
landwirtschaftliche Produkte, besser bekannt als Frucht- und Mehlbörse in der
Taborstraße 10, gezählt werden, die 1887 bis 1890 entstand und gleichfalls für
Aufsehen sorgte. Zahlreiche Gründe waren es, die den Vorstand der Mehlbörse dazu
bewogen die Niederlassung im 9. Bezirk, Schotten Ring 19, in der sie seit dem
November 1879 etabliert waren, aufzugeben und sich abermals um eine neue
Heimstätte für die Institution umzusehen.


Ursprünglich war beabsichtigt die Börse auf dem Platz des alten Abgeordneten Haus
zu bauen, allein die Unterhandlungen mit dem Stadterweiterungsfonds waren wegen
zu hoher Ansprüche desselben Resultat los verlaufen.


Wie die Vergangenheit zeigte war man schon des öfteren auf der Suche nach
geeigneten Räumlichkeiten gewesen. So wurden, die Börsen-Versammlungen einst
auch in den Lokalitäten des Bürgerspital Gebäudes abgehalten. Für einige Zeit kam
die Mehlbörse in der Gartenbaugesellschaft am Parkring unter. Da ihnen nur zwei
Tage pro Woche zur Verfügung standen, hatte auch diese Bleibe keine Zukunft.
Treffpunkt für Kaufleute war bekanntlich das beliebte Jakob Stierböck Kaffeehaus
in der Jägerzeile in der Leopoldstadt. Dort wurden dann gleichfalls die täglichen
Versammlungen der Mehlbörse angesiedelt.

Diese vertraute Umgebung bestärkte wohl den Vorstand neuerlich der Leopoldstadt
den Vorzug zu geben. Dazu zählten allerdings noch andere triftige Gründe eine
große Rolle. Das Entgegenkommen der Hausbesitzer des Bezirkes, die zu diesem
Zweck im Subskription Wege einen größeren Betrag aufbringen wollten, damit der
Vorstand einen geeigneten Platz erwerben konnte. Die unmittelbare Nachbarschaft
der Donau, weiters für die sehr förderlich die großen Lagerhäuser.on den verschiedenen Projekten, die in die engere Wahl kämen, hatte noch keines
eine greifbare Form angenommen. Es wurde bereits von einer Adaptierung oder
Umbau der freiwilligen Arbeitsanstalt in der Leopolds Gasse gesprochen,
desgleichen wurde ein Neubau am Anfang der Schwimmschul-Allee diskutiert. Auch
an den Ankauf des Palais Haber in der Kaiser Josef-Straße wurde gedacht.
Unter dem Vorsitz des Bezirksvorstandes Heinzelmann fand am 16. November 1884
im Gemeindehaus des 2. Bezirks eine Sitzung statt um die Verlegung der Fruchtund
Mehlbörse zu erörtern. Herrn Heinzelmann war viel daran gelegen, diese
Institution in seinem Bezirk sesshaft zu machen, darum war auch eine Förderung
bereits in Erwägung gezogen worden und es wurde beschlossen einen Fond von
400.000 Gulden zum Ankauf und Adaptierung einer entsprechenden Lokalität zu
beschaffen. Der Bezirksvorstand hatte außerdem bei der Direktion der Sparkasse
vorgefühlt, die sich schließlich verpflichtete auf den angekauften Grund 400.000
Gulden gegen eine vierprozentige Verzinsung, vorzuschießen.



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Trotz der raschen Entwicklung der Industrie durfte Österreich auch weiterhin als
bedeutender Agrarstaat angesehen werden. Ehemals spielte Wien im Getreidehandel
sogar die erste Rolle auf dem Kontinent, doch infolge des Dualismus wurde die
Residenzstadt in einen äußerst schwierigen Wettbewerb mit der ungarischen
Hauptstadt gedrängt. Die Ungarn versuchten vergeblich des Getreidehandel in
Budapest zu konzentrieren. Obwohl man in Wien schwere Einbußen hinnehmen
musste, konnte man mit zielbewusster Energie die Stellung trotz allem behaupten
und es gelang den international Saaten Markt als eine bleibende Einrichtung in
Wien zu lokalisieren.


Diese Institution hatte sich für die Donaumetropole ungemein segensreich erwiesen,
es stets zum Mittelpunkt des gesamten Getreideverkehrs gestempelt. Aus allen
Herren Ländern strömten zur Freude der Hotels, zahlreiche Besucher dem
internationalen Saaten Markt zu, der eine Frequenz von durchschnittlich 5000
Personen aufwies, das bedeutende außerdem, dass der europäische Getreidehandel
nach Wien gravitierte und dass der Absatz der landwirtschaftlichen Produkte
überhaupt von hier aus maßgebend beeinflusst wurde. Um das alles zu erreichen
hatte man die Regierung aufgefordert Lösungen durch Fracht tarifische
Maßnahmen besonders hinsichtlich des Umschlag Verkehrs, Ausgestaltung des
Lagerhauswesen in Wien besonders in technischen Beziehungen und sonstigen
wirtschaftlichen Vorkehrungen zu treffen, dass der Getreideverkehr tunlichst über
Wien geleitet und die Konkurrenzfähigkeit des Wiener Platzes gehoben würde.
Damit nicht fremde Städte wie Budapest oder Pressburg die Preise dem
Getreidehandel der Monarchie diktierten.


Doch in den Kreisen der Kaufmannschaft sowie des Getreidehandels meldete sich
allmählich Widerstand, der sich hauptsächlich gegen die internationalen Getreideund
Saaten Märkte richteten. Der Vorstand dem diese Tendenz wohl bekannt war,
wollte jedoch weiterhin an der Institution festhalten.


Die feindliche Stimmung fand ihren Höhepunkt als im Jahr 1889 der XVII.
Internationale Getreide- und Saaten Markt in Wien veranstaltet werden sollte. Die
Presse prophezeite dem Saaten Markt ein Fiasko, das auch tatsächlich eintraf, denn
nur 2500 Besucher kamen. Der Verlauf gestaltete sich flau und still. Andere Blätter
fanden Saaten Märkte als überflüssig und geradezu als nachteilig für den
Getreideverkehr. Für viele von ihnen waren Saaten Märkte ein Tummelplatz von
Spekulanten und Getreidejobbern und er wird verschwinden den wie so manches
andere auch. Wien aber wird wieder einer unnützen Institution ledig sein, ohne dass
dadurch der Fremdenverkehr abnehmen würde. Vor allem die antisemitischen und
Liberalismus feindlichen Tendenzen sorgten für Aufregungen und Unruhe unter den
Handelsleuten im In- und Ausland und man drohte sogar mit dem Boykott des
Saaten Marktes.


Wien stand vor einer großen Gefahr, deren Tragweite selbst die Regierung erkannte.
Der Ministerpräsident Graf Taaffe und der Handelsminister Marquis Bacquehem
intervenierten beim Vorstand der Frucht- und Mehlbörse, um zu veranlassen, das
derselbe mit allen nur erdenklichen Mitteln der so plötzlich eingetretenen Bewegung
Herr zu werden. Das Bedrohliche konnte glücklicherweise abgewendet werden und
der internationale Saaten Markt war für Wien weiterhin gerettet.
Vielleicht trug auch das vom Kaiser neu bestimmte Börsengesetz dazu bei.
Zu dieser Zeit trug sich der Handelsminister mit dem Gedanken eine Anlage eines
Donau-Winterhafens zu schaffen. Die Vertretung der Fruchtbörse zeigte an dem
Projekt lebhaftes Interesse und förderte, dass der geplante Hafen möglichst nahe
Wien errichtet und mit allen modernen verkehrstechnischen Errungenschaften, wie
Schienen längs den anzulegenden Straßen, ausgestattet wurde. Bisher mussten die
Schiffe entweder in Korneuburg oder in Fischamend überwintern und waren dadurch
dem Hochwasser und Eistreiben ständig ausgesetzt gewesen. Da der Handelsminister
diesen Wunsch für vollkommen gerechtfertigt fand, wurden mit dem
Eisenbahnministerium diesbezügliche Verhandlungen aufgenommen. Nach den
damaligen Überlegungen sollte die Donauuferbahn Anschluss an die Wiener
Stadtbahn bis zum städtischen Lagerhaus und zum Freudenau Hafen der mit
fahrbaren Dampfkränen ausgestattet, ausgedehnt werden. Außerdem sollte das
Gelände für Wiener Fiaker als Tax Gebiet einbezogen werden.
Die Wasserfläche des neuen Hafens wurde von 43,5 Hektar bedeckt. Der Hafen hatte
eine Lande Länge von 6200 Metern, er verfügt über 7 Kilometer Hafen Straßen, über
300 Stiegen und er konnte bis zu 400 Schiffen Schutz bieten. Das Baugestein kam
aus den Steinbrüchen von Theben, später aus Spitz und Kienstock in der Wachau. 300
bis 850 Arbeiter waren mit der Herstellung des Hafens beschäftigt. Die Kosten
betrugen 4 Millionen Kronen. Für den kommenden Winter waren bereits 380 Schiffe
angemeldet.


Da mit einer weiteren Entwicklung zu rechnen war, hatte man schon zu dieser Zeit in
kluger Voraussicht Seitenbassins angelegt, die zu einer weiteren Ausgestaltung des
Hafens dienen konnten. Zukünftig sollten diese Anlagen auch im Sommer genützt
werden und zu einem großen Verkehrs- und Umschlagplatz werden. Die räumlich,
technischen Verhältnisse waren wohl gegeben, doch bisher war der Einfluss der
Donau auf das kommerzielle Leben Wiens verhältnismäßig gering. Es wurde
jedoch erhofft, dass durch die Hafen Neugründung, eine bedeutende Belebung der
Schifffahrt erwartet werden durfte und er Wert der Donau, deren internationaler
Charakter, endlich erkannt und dadurch neue Impulse für das Handelswesen Wiens
gegeben waren.


am 28. Oktober 1902 fand um 13 Uhr bei regnerischen Wetter die Einweihung des
Freudenauer Schutz- und Winterhafens statt. Der Festplatz mit dem Kaiser- und
Kapellen Zelt war von einer Ebene voll Sand und Schotter umgeben und bot ein
trostloses Bild. Vom Prater Stern bis zum Hafen war trotz des schlechten Wetters ein
zahlreiches Publikum versammelt um dem Kaiser Franz Joseph Ovationen
darzubringen. Nach den diversen Ansprachen und der Einweihung wurde trotz
strömenden Regens in fünf Dampfern eine halbstündige Rundfahrt angetreten. Der
Statthalter Graf Kielmansegg und Oberbaurat Taussig begleiteten den Kaiser auf
das Schiff. Der Kaiser blieb während der gesamten Fahrt auf dem Vorderdeck des
Schiffes, und er schien gegen die Unbilden der Witterung vollständig unempfindlich
während alle anderen Festgäste unter der Kälte und den Regen zu leiden hatten.
Während der Fahrt erkundigte sich der Kaiser eingehend nach allen Details der
Anlage des Hafens, fragte nach Ausführung, dem Umfang und den
Herstellungskosten und nach der Dauer der Bauzeit, sowie Hafengebühren, drückte
wiederholt dem Statthalter und Oberbaurat Taussig seine besondere Anerkennung
aus. Der Kaiser bemerkte, er freue sich, konstatieren zu können, dass die Vollendung
der Anlage mit Rücksicht auf das Stadium der Arbeiten wie er es bei seiner ersten
Besichtigung am 7. Juni 1901 gefunden, als besonders rasch bezeichnet werden
könne. Damals hatte der Kaiser die Donaufahrt um ¾ 7 Uhr morgens von
Schönbrunn kommend mit einem Dienstschiff der DDSG von der Station
Weißgärber aus angetreten. Statthalter Graf Kielmansegg erklärte dem Kaiser an
Hand von Plänen die Bauten der Donaukanal Linie. Alle mit dem Bau befassten
Fachleute begleiteten den Kaiser auf dem Schiff. Darunter befand sich auch der
bekannte französische Wasserbautechniker Henri Girardon, Direktor der Rhone
Regulierung in Lyon. Er wurde immer wieder vom Monarchen ins Gespräch
miteinbezogen und wurde später mit dem Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens
mit Stern ausgezeichnet.


Während der Fahrt nahm der Kaiser die Donaukanal Linie der Stadtbahn und die Kai
Arbeiten in Augenschein. Unter der Aspern Brücke, Ferdinand Brücke, Augarten
Brücke und der Brigitta Brücke bewegte sich das Schiff bis zur Nußdorfer Schleuse.
An den Ufern waren die Wiener zahlreich vertreten die dem Kaiser zujubelten. Der
Kaiser verfolgte interessiert den Weg nach den aufliegenden Plänen und nahm die
verschiedenen Erläuterungen der anwesenden Experten wahr. Das Schiff passierte
die Absperrvorrichtung und dann folgte die Schleusen Fahrt in Nußdorf. Der
Dampfer passierte das innere Schleusentor und blieb in der schmalen Fahrrinne
stehen, während das zweite eiserne Tor noch fest geschlossen war. Dieses öffnete
sich dann allmählich und das Niveau des Wassers wurde ausgeglichen, der Dampfer
glitt hinaus auf den Strom, legte beim Administrationsgebäude in Nußdorf an wo der
Kaiser das Schiff verließ und begab sich anschließend an das rechte Kanalufer, legte
den Weg unterhalb der Sperrbrücke zur Rampe zurück und nahm dort die Vorstellung
der bei diesen Bauten beschäftigt gewesenen Persönlichkeiten entgegen. Der Kaiser
erkundigte sich sehr eingehend über die in Ausführung stehenden Arbeiten und
besichtigte sie mit großem Interesse. Nachdem er sich nochmals die Manipulation
des Sperrens und Hebens der Sperrbrücke vorführen hatte lassen, kehrte er wieder
ins Administrationsgebäude zurück. Der Kaiser fand lobende Worte und besonders
schien ihn die rasche Vornahme des Ein- und Ausschleusens die in 5 Minuten
durchgeführt werden konnte, zu faszinieren.

NUSSDORFER SCHLEUSE
Sodann bestieg der Kaiser mit den Ministern und den übrigen Dignitären wieder das
Schiff und fuhr im Hauptstrom durch den Durchstich bis zum Freudenauer Hafen
wo der Kaiser die in Ausführung begriffenen Bauten des Winterhafens eingehend
besichtigte. Er fuhr durch das Hafengebiet mit dem Vor- und Innenhafen sowie den
Dammbauten. Es wurden dem Monarchen Mitteilungen über das kolossale
Aushubmaterial, das hier aufgearbeitet worden war, gemacht.


Am Freudenauer Spitz bestieg der Kaiser seinen Wagen und fuhr nach Schönbrunn.
Er war überzeugt, dass durch die Nußdorfer Werke die absolute Sicherheit der
Residenz vor zukünftige Hochwassergefahr gebannt sein würde.
Die Anlagen am Kanal, in Nußdorf und im Gebiet des Winterhafens haben
durchwegs das vollste Lob des Kaisers gefunden, denn wiederholt hatte er während
der Fahrt seinem großen Interesse und seiner Bewunderung für das großartige
Unternehmen der österreichischen Techniker Ausdruck gegeben.
Das alles hatte der Kaiser vor einem Jahr in Augenschein genommen. Es war
unglaublich, was in dieser kurzen Zeitspanne geschaffen worden war. Kein Wunder,
dass der Kaiser nun nach der Einweihung und Rundfahrt des Winterhafens
beeindruckt die Rückfahrt in die Hofburg durch den Prater über die Aspernallee und
Hafenzufahrtsstraße antrat wo die Wiener ihren Kaiser erwarteten um ihn zu
begrüßen. Von der Volksschule in der Freudenau standen Scharen von Kindern die
in stürmischen Jubel ausbrachen.



Nun zurück zum Vorstand der Mehlbörse der sich für ein Areal in der Tabor Straße
entschieden hatte. Der Besitzer des beliebten und bekannten Gast- und
Einkehrhauses „Zum goldenen Pfau“ wurde mit dem Betrag von 850.000 Gulden
abgefunden. Für den Neubau stand eine Gesamtfläche von zirka 3100 m² zur
Verfügung. Die Frontfläche entlang der Tabor Straße belief sich auf 51.64 Meter. Der
Bau sollte von der Tabor Straße bis zur Großen Mohren-Gasse reichen. Trotz den
hohen Anforderungen die an die Architekten ergingen, wurden 24 Entwürfe
eingereicht. Die Jury vergab drei Preise zu je 1000 Gulden. Darunter befand sich
auch Königs Entwurf „Cybele“.


Gerade der Fassadenbau bereitete manchen Architekten oft große Probleme, den
meisten fehlte es einfach an Phantasie und ihre Projekte zeigten dann meist den
üblichen nüchternen Zinshauscharakter. So war es nur verständlich, dass gerade
Königs Renaissance-Fassade mit ihren stark französischen Anklängen den
allgemeinen Beifall des Vorstandes der Produktenbörse fand.


Der 1200 m² große pompöse Börsensaal ein Meisterwerk hat die Form einer
altrömischen Basilika, die auf Umwegen von den christlichen Kirchenarchitekten
übernommen in wirkungsvoller Weise hier zur Anwendung gekommen war. Diese
Basiliken waren stets prachtvoll ausgestattet und von großen Dimensionen, im vierten
Jahrhundert wurde Name und Form auf christliche Kirchenbauten übertragen und in
diesem Sinne hatte sich Name und Begriff, mehr als im heidnischen, bis in die
Neuzeit erhalten. Es war somit eine glückliche Idee der Architekten, die antike Form
wieder aufleben zu lassen. Eignete sich doch diese Tradition sehr gut für die
modernen Zwecke einer Börse.


Der dreischiffige mächtige Saal fesselte das Auge vor allem durch die Perspektiven
des großen überhöhten Mittelschiffes mit seiner bronzefarbene Kassettendecke
und den zwölf 9 Meter hohen korinthischen Säulen aus gelb-rötlichen Ober Almer-
Marmor, mit dem sich das Mittelschiff gegen die Seitenschiffe öffnete. Die weissmarmorne
Kapitäle, die über den fein gezeichneten Akanthusblätter Hermes Köpfe
zeigen, ist eine ausgezeichnete Nachbildung der in der einstigen Kultstätte zu
Eleysis, dem Zentrum der Mysterien des Fruchtbarkeitskultes um die Göttin
Demeter.


Sehr original wirkt im anstoßenden kleinen Saal in dem die täglichen
Termingeschäfte erledigt wurden, die in Wien noch wenig bekannte Terrakotta-
Imitation, mit welcher die Deckenkassetten verkleidet ist. Auch hier sind die
Kapitäle der römisch-dorischen Säulen sehenswert: sie sind, wie die korinthischen
des Hauptsaales von Hutterer mit höchster Sorgfalt gearbeitet. Beide Säle gelten
sozusagen als Mittelpunkt des Gebäudes um welchen sich in weiser Anordnung die
Nebenräume gruppieren. Foyer und Treppenhaus sind ionisch beeinflusst.
Am 23. August 1890 wurde das Börsengebäude für landwirtschaftliche Produkte in
einer Feierstunde in nicht ganz vollendeten Zustand seiner Bestimmung übergeben.
Was da erstanden, war in vielen Beziehungen eine außerordentliche Leistung, denn
es war erstaunlich in welch kurzer Zeit und zu welch geringen Kosten der Bau
entstanden war.


Da König diesmal kein freistehendes Objekt verwirklichen durfte sollte es trotz allem
in auffallender Weise die Straße beherrschen, durch seine helle Farbe förmlich aus
der grauen Zone heraus leuchten.


Unerfreulich war jener Bescheid des Gemeinderates gewesen, der den Vorstand der
Fruchtbörse zwang, den im Plan eingezeichneten Risalit um die Hälfte seines
Ausmaßes zu reduzieren. Die heftigen Proteste des verärgerten Vorstandes, es
handelte sich schließlich um einen Monumentalbau und nicht um die Fassade eines
Spitals oder Kasernenbau, nützten wenig. König der seinen repräsentativen Bau mit
einer von Theodor Friedl meisterhaft gearbeiteten 7 ½ Meter hohen Gruppe, Kybele
die antike Göttin der fruchtbaren Natur mit einem Löwengespann bekrönte, musste
sich gleichfalls dem Gesetz der Perspektive unterwerfen. Das Naturgesetz zeigte
seine ganze Unerbittlichkeit. Allgemein wurde bedauert, dass diese prächtige
Fassade mit seiner dreifachen Gliederung, den acht herrlichen korinthischen Säulen,
dem steinernen Maßwerkgitter der Brüstung des 1. Stockwerkes der oberhalb mit
der reich dekorierten Attika abschloss, in seiner derart ungünstigen Lage der
Tabor Straße errichtet worden war, eingezwängt zwischen dem Hotel „Zum weißen
Roß“ und Schröders Hotel „Stephanie“, und daher nicht voll zur Geltung kommen
konnte. So spielte man sogar mit dem Gedanken das gegenüberliegende Haus
abzureißen, eine Grünfläche anzulegen, um so einen freien Blick auf den Neubau zu
Fruchtbörse nach einer Zeichnung von Kronstein ÖNB gewähren dessen Stirnseite in goldenen Lettern die schöne Widmung führte:

In usum negotiatorum cuiuscumgue nationis ac linguae“ den Kaufleuten aller
Völker und Sprachen gewidmet).


Die beiden Straßenzüge wurden durch eine zehn Meter breite Passsage miteinander
verbunden.


Dem Vorstand und seinen Mitgliedern beseelte ein Hochgefühl der Genugtuung
endlich ein eigenes Heim geschaffen und zu besitzen, das noch dazu aus einem viel
bewunderten Prachtbau bestand. Dieser Neustart bedeutete gleichzeitig eine neue
Kooperation, denn der Börsenverkehr erstreckte sich ab nun über die abgestammten
Artikel hinaus auf zusätzliche Verkehrsgegenstände des täglichen Lebens. Demnach
genügten auch die alten Bezeichnungen nicht mehr. Aus dem Börsenvorstand wurde
die Börsenkammer und die Börsenvorstände nannten sich ab jetzt Börsenräte.
Der 28. November 1891 sollte in der Geschichte der Produktenbörse zu einem
unvergesslichen Ehrentag werden, denn um 11 Uhr erschienen Kaiser Franz Joseph
in Begleitung des Grafen Paar und des Fregatten Kapitäns Sachs um dem
Handelspalais seine Referenz zu erweisen. Im Vestibül hatten sich der
Handelsminister Marquis Bacquehem in Begleitung Ritter von Koerber, Statthalter
Graf Kielmansegg, Bürgermeister Dr. Prix und Architekt Carl König u.a.m. zum
Empfang versammelt. Nach der Begrüßungsansprache des Präsidenten Wilhelm
Naschauer erwiderte der Kaiser mit folgenden Worten: „Es freut mich dieses schöne
Gebäude besichtigen zu können welches einer der wichtigsten wirtschaftlichen
Aufgaben den Vaterlandes dient und das durch Eifer, Patriotismus und Ausdauer
zustande gekommen ist.“


Der Architekt König selbst geleitete den hohen Gast durch das exklusive Ambiente
der Börse, das mit exotischen Pflanzen prachtvoll dekoriert war, und beim
Monarchen nicht ohne Eindruck blieb. Der Leopoldstädter Männergesangsverein
unter der Leitung Herrn Weinzierl war aufgehoben worden und intonierte die
Volkshymne. In den dicht gefüllten Sälen wurde der Kaiser mit herzlichen Ovationen
empfangen. Im lichtdurchfluteten Börse Saal war, umrahmt von Lorbeerbäumen, die
Kaiserbüste postiert. Der interessierte Kaiser besprach ausschließlich mit dem
Architekten König die bauliche Anlage des Hauses und gab zu, dass er diesen Bau
schon während seines Entstehens mit Interesse betrachtet habe, und dass es ihn
freue, nun auch das Innere desselben zu sehen. Immer wieder brachte der Monarch
seine Befriedigung und seine Freude über die neue Sehenswürdigkeit seiner
Residenz zum Ausdruck und besichtigte auch die die Sitzungszimmer, sowie die
Widmungstafel der internationalen Saaten Markt-Kommission.

Beim Verlassen des Hauses äußerte der Kaiser seine Bewunderung über die
außerordentliche Pracht und Schönheit des Gesehenen. Unter den Klängen des vom Männergesangsverein angestimmten herrliche Liedes
„Österreichs Panier“ verließ der Kaiser huldvoll die Grüße der Anwesenden
erwidernd die Produktenbörse in der Taborstraße.
Der Kaiser schien wahrhaft tief beeindruckt von Königs Werk gewesen zu sein, denn
er zeichnete den Architekten mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse aus.
Während die Börse in der Taborstraße 800.000 Gulden kostete, verschlang die Börse
am Schottenring 5 Millionen Gulden.


Obwohl das Gebäude praktischen Zwecken gewidmet war, atmete es vollendete
Künstlerschaft aus, und wurde somit ein neuerlicher Triumph für Carl König. Seine
Meisterschaft beruhte nicht nur in der genialen Ausführung seiner Aufgaben, sondern
auch in der Bewältigung der zahlreichen Hindernisse, die sich aus den
Schwierigkeiten der Situation ergaben.


Dem mit Ruhm bedachten Architekten eröffneten sich nun ungeahnte Möglichkeiten.
Ein Reigen schönster Aufgaben warteten nun auf ihn: Exklusive Privatpaläste,
Landhäuser sollten seine weitere Laufbahn krönen. Es waren vorwiegend
Persönlichkeiten aus jüdischen Kreisen die ihre Traumvisionen verwirklicht sehen
wollten, und der geniale Meister verstand es exklusive Schöpfungen zu schaffen. So
entstand 1889 für den Großindustriellen Eduard Friedmann der Rotenturmhof, eine
vier Stockwerke hohe Häuserfront die von der Ferdinands- bis zur Marienbrücke
reichte. Ab dem 9. Mai 1931 gehörte das Haus Dr. Rudolf Radislovich und durch
Kaufvertrag am 23. Februar 1933 an die Erste ungarische Assecuranz-Gesellschaft.
Am 15. Jänner und am 12. März 1945 erhielt das Haus schwere Bombenschäden und
wurde am 11. und 12. April 1945 durch Feuer gänzlich vernichtet. In den Jahren 1893
bis 1895 zeichnete sich auf dem Küniglberg eine malerisch bewegte Silhouette ab,
die für den Generalgouverneur der Bodenkreditanstalt, Präsident der österr.-ung.
Staatseisenbahnen und Kurator des Israelitischen Blindeninstitutes auf der Hohen
Warte, Theodor Ritter von Taussig gestaltet wurde.


Auf dem riesigen Grundstück das Taussig 1891 auf dem Küniglberg erwarb, befand
sich das sogenannte „Malfattischlössel“ das dem angesehenen Arzt Dr. Johann
Malfatti Edler von Montereggio gehörte, der 1859 hier verstarb. Er war auch
Begründer der „k.u.k. Gesellschaft der Ärzte, dessen 1. Präsident er wurde.
Das schöne Anwesen erbten die Schwestern Beatrix Apollonia und Hedwig Ludovica
Maria Malfatti, und ging dann an den Grafen Plater von der Broel über.
Taussig ließ das alte „Malfattischlössel“ abreisen und an Stelle desselben entstand
nun seine, von König konzipierte, prächtiges Eigenheim das zu den schönsten
Bauwerken Wiens zählte. Lange konnte er sich allerdings nicht daran erfreuen, denn
Taussig starb bereits 1909. Im Jahr 1925 ging der herrliche Besitz an ein Schweizer
Konsortium über, das in dem Palais eine Kuranstalt und ein Sanatorium errichten
wollte. Aus diesen interessanten Plänen wurde jedoch nichts, da das Unternehmen in
Zahlungsschwierigkeiten geriet und das Anwesen zwangsversteigert werden musste.
Im Februar 1929 wurde der Besitz von der Arbeiterunfallversicherungsanstalt
erworben die vergeblich nach Interessenten Ausschau hielt. Nachdem alle Mühe
vergeblich war sah man im Dezember 1931 keinen anderen Ausweg als diesen
einzigartigen Prachtbau einfach abzureißen !!!!


Moritz, Edler von Kuffner, Erbe eines Riesenvermögens und durch eine eigene
Sternwarte sehr bekannt, wollte in nichts nachstehen und erließ an Carl König
gleichfalls den Auftrag für ihn eine Villa von edler repräsentativer Schönheit zu
bauen. In der Industrieellenfamilie Kuffner hatten die Gemeindevertreter des 16.
Bezirks große Förderer gefunden, die für die Kleinkinderbewahranstalt in
Ottakring u.a.m. bedeutende Summen beigetragen hatten. Zwei Wohn- und
Geschäftshäuser Königs sind am Kohlmarkt Nr. 3 und 5 zu finden. König wirkte
außerdem als anerkannter Preisrichter und war bei folgenden Wettbewerben tätig.
Beim Wettbewerb für den Friedenspalast in Haag, für die Börse in Budapest, die
Domplatzanlage in Agram, das Kaiserin Elisabeth-Denkmal im Wiener Volksgarten,
das Mozarteum in Salzburg, das Kriegsministerium Wien, die Neugestaltung des
Karlsplatzes, das Palais der Österr.-ung. Bank in Wien, die Schloßbrunnkolonnade in
Karlsbad, die Synagoge in Posen und die Kaiser Franz Joseph-Jubiläumsstiftung in
Wien u.a.m.


1908 wurde ihm der Hofratstitel verliehen, absolvierte 1912/13 nach 47 jähriger
Lehrtätigkeit sein Ehrenjahr und erhielt das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens
mit dem Stern.


Selbst nach dem Tode wollten Bedeutende des Reiches eine ehrwürdige Stätte für die
Ewigkeit, und so zeichnete sich König auch in dieser Hinsicht mit verschiedenen
Denkmäler der Friedhofs Kunst aus, die zu den feinsten Grabarchitekturen Wiens
gezählt werden dürfen. Der Zentralfriedhof ist einer jener Stätten der so manchen
seiner Kunstwerke birgt.
 
__QUELLE:__ Morgen Post 27.September 1877 S 3, 10. Oktober 1977, S 2, Die Presse 12. November 1879 S 5,  Frmdenblatt 21. August 1876 S 7, Neues Wiener Tagblatt 25. August 1890 S 4, Gemeinde Zeitung 5.  Juni  1877 S 1 ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bilder: Graupp

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