!!!PARLAMENT  1945




[{Image src='Parlament.png'class='image_left'height='400' caption='Parlament 1945' alt='Bomben' width='277'}]


Alle Konferenzen fanden in letzter Zeit im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landhaus statt. Doch Nationalrat und Bundesrat wollen zu ihren Beratungen  wieder im historischen Prunkbau auf der Ringstraße, dem  alten österreichischen Parlamentsgebäude  heimkehren.

Das von dem berühmten dänischen Architekten Theophil von Hansen  in den Jahren 1873  bis 1883 im hellenistischen Baustil errichtete Parlament bot nach der Befreiung Wiens ein trostloses Bild der Verwüstung. Die schweren Schäden, die das Parlamentsgebäude während des Krieges erlitten hat, sind schon von außen zu erkennen. Mehrere Bombentreffer  am 7. und 21. Februar  1945  haben große Zerstörungen verursacht und insbesondere  die Ecke Reichsratsstraße – Rathausplatz  schwer betroffen. Während der letzten  Kampfhandlungen, die zur Befreiung Wiens führten, wurde durch Artillerietreffer  der ehemalige Sitzungssaal des Herrenhauses in dem seit 1918 die Sitzungen des Nationalrates  abgehalten worden waren, vollständig zerstört. Große Verwüstungen entstanden weiters durch Brand  im  Kanzleitrakt, dem an der Ringstraße gegen den Rathausplatz  zu gelegenen Flügel, und  im Mittelteil gegen den Schmerlingplatz.

__AUFRÄUMUNGSARBEITEN__

Auf Anordnung des Staatssekretärs Ing. Raab  wurde bereits im Mai mit den notwendigen Aufräumungs- und  Sicherungsarbeiten begonnen. Es mussten zunächst  rund 1500  Kubikmeter Schutt entfernt und die größten Schäden an  den Dächern  durch vorläufige Holz- und Blechabdeckungen behoben werden. Seit Oktober wird unter der Leitung des Sektionschefs Ing. Schober an der ersten Instandsetzung des Hauses gearbeitet. Über 100  Bauhandwerker arbeiteten neben dem eigenen Personal  der Staatsgebäudeverwaltung an der Abdeckung der verwendbaren  Gebäudeteile, an der Instandsetzung der Heizungs- und  Lichtanlagen, am Verglasen  der Fenster, an der Ergänzung der Einrichtungen usw.

__VANDALISMUS__

Dabei sind nicht nur durch Kriegshandlungen entstandene Schäden zu beheben, sondern auch Veranstaltungen aus der nationalsozialistischen Herrschaftszeit zu beseitigen. Es ist bekannt, dass das ehrwürdige Parlamentsgebäude während dieser sieben Jahre zunächst als Sitz des Reichskommissars Bürckel verwendet und  schließlich durch  Schirach zum Gauhaus degradiert wurde. Dabei wurden verschiedene, die damalige Kulturstufe  erweisende Veränderungen vorgenommen. Die in der großen Säulenhalle  aufgestellten  Marmor Standbilder  berühmter  altösterreichischer Parlamentarier, unter denen auch Wiens populärster Bürgermeister  Dr. Karl Lueger  befand, wurden entfernt und in einem  Seitenraum deponiert, wo sie den Kampfhandlungen zum Opfer fielen.

Die in edelstem Stukkolustro spiegelnden Wände im Salon  des früheren Nationalratspräsidenten ließ Schirach mit einer modernen Tapete überkleben. Klobige Möbel im Stil des Berghofes hatten den früheren Salon  zum Arbeitszimmer des Gauleiters zu verwandeln.

Ähnliches geschah auch im Restaurationssaal des Abgeordnetenhauses, woselbst  die prächtige Kassettendecke durch Einziehen einer Zwischendecke versteckt und mittels Überkleben durch Tapeten ein zeitgemäßes Parteikasino für geschlossene Bewirtung geschaffen wurde.

Auch in anderen Teilen des Hauses wurde durch Auswechslung von Beleuchtungskörpern und moderne Umgestaltungen der einheitliche Gesamtstil wesentlich  beeinträchtigt.  Die Staatsgebäudeverwaltung ist nun bemüht, den früheren Zustand nach Möglichkeit wieder herzustellen.

 
__ADAPTIERUNGEN__

In den letzten Wochen wurde der fast unbeschädigt gebliebene Sitzungssaal des altösterreichischen Abgeordnetenhauses als Verhandlungssaal des Nationalrates instand gesetzt. Da die früheren wertvollen Einbauten für das Präsidium zu einem  Aufstellungspodium für Fahnenträger und dergleichen umgebaut waren, musste nun eine neue Tribüne für die Präsidenten des Nationalrates, die Regierung und die Redner hergestellt werden.

Der Bundesrat wird seine Tagungen im ehemaligen Budgetsaal abhalten.

Über die erhalten gebliebene Ministerstiege gelangen die Abgeordneten vom Eingang an der Ringstraße  zu einem Verbindungsgang der in die Sitzungssäle  führt. Den Vertretern der alliierten Mächte ist ein eigener Aufgang vorbehalten, während das Publikum über eine gegen den Rathausplatz  zu gelegene Stiege  auf die Zuhörer Galerie gelangen wird.

Die Ministerzimmer im linken Flügel an der Ringstraßenseite sind wieder  benützbar und die drei Parteien erhalten im zweiten Stock vorläufige Klubräume.

Der ehemalige Verhandlungssaal des Verfassungsgerichtshofes wird als Schreib- und Lesesaal für die Abgeordneten  eingerichtet.

__WIEDERAUFBAU__

Die größeren Wiederaufbauarbeiten an den Stellen der schweren Bomben- und  Brandschäden werden im kommenden Frühjahr beginnen. Zunächst soll neben der Instandsetzung der ausgebrannten Räume die Ecke Reichsratsstraße-Rathausplatz in Angriff genommen werden, und als Abschluss die Wiederherstellung des ehemaligen Traktes des Herrenhaussaales erfolgen.

Die Gesamtkosten werden auf rund   6 Millionen Schilling und die Baudauer  auf drei bis  vier Jahre geschätzt.

Voraussetzung ist jedoch  auch hier, dass es gelingt, die notwendigen Arbeitskräfte, Baustoffe  und Transportmittel rechtzeitig in ausreichender Menge bereitzustellen.
Die Abgeordneten werden ersucht ihre Dokumente in den betreffenden Parteisekretariaten vorher zu beheben, da infolge der schwierigen postalischen Verhältnisse eine zeitgerechte Zusendung nicht mehr möglich sein dürfte.

__QUELLE:__  Neues Österreich ÖNB


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