!!!PAUL  POIRET








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Der bekannte Modeschöpfer Paul Poiret, 1879 Sohn eines Tuchhändlers, war mit seinen Modellen immer wieder zu Besuch in der Kaiserstadt an der Donau.
Das „Neue Wiener Journal“ berichtete davon im Jahr 1911:
„Das künstlerische Milieu des Hagenbundes war für die  stilisierten Frauengestalten mit den hyper originellen Poiret Schöpfungen das richtige Feld, um Siege zu erringen.
Ohne Ansprache begann die Vorführung dieser hübschen, rassigen, pikanten Dinger, haben einen eigenen Charme und  verfügen über eine grandiose Geste. Poiret Allüren könnte man es nennen. Sie gehen nicht, sie schreiten, sie schauen nicht, sie blicken, hochmütig und Sieges  gewiss, also typisch französisch.
Es ist  also auch  uns Wienern einmal gegönnt, diesen ganz außerordentlich originellen Künstler mit all seinen fantastischen Toiletten Erfindungen bei uns zu begrüßen,  um seine Ideen zu bestaunen.
Es ist wahrhaftig wie im Märchen – Gold und Silber, Samt und Seide, sehr viel Samt, sogar fließende Gaze, Musselin, weiche geschmeidige Brokate. Eine Farbenpracht. Poiret liebt die dunkleren, kräftigen Farben in Kompositionen, die man nur bewundern muss. Eines seiner Lieblings Couleurs ist Kardinalrot  und Bischofs lila.
Die Mannequins erscheinen in Toiletten die ihrem Typus entsprechen, weiche geschmeidige Stoffe umfließen ihre schlanken Gestalten. Und erst ihre Kopfbedeckungen Soiree Häubchen sind aus Gold und Brokat und tragen  Fransen und Perlengehänge die weit über Ohren und Nacken reichen.

Besonders schön sind die Abendmäntel aus Velours Chiffons in den herrlichsten Farben.
Als die Toiletten  in den leuchtenden, flimmernden, brillierenden, satten und saftigen Farben in verschwenderischer Fülle an uns vorüberzogen war man überrascht. In der Zusammenstellung der Farben leistet er etwas Hervorragendes. Er malt in Stoffen. Seine Modelle nur für schlanke graziöse Frauen. Sein Schönheitsideal ist das sylphidenhaft Rassige. Seine Kleider alle im Empire Stil, also nur für schlanke Damen, großzügige Dekolletees..“..
Sein nächster Auftritt war in der Urania 

Im Februar 1924 ist Paul Poiret  wieder Gast in Wien.“Der Tag“ berichtet diesmal darüber:
„In der Volkshalle des neuen Rathauses versammelten sich gestern vorwiegend die Inhaber der großen Modesalons, wie die Damenschneider und -schneiderinnen der Inneren Stadt mit ihrer Arbeiterschaft zu einer gemeinsamen Protestkundgebung gegen die neuerliche Zulassung des Pariser Schneiders Poiret, am hiesigen Platz einen Handel mit in Paris erzeugten Toiletten unter Verletzung der hierfür in Österreich  geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu betreiben.

















Namens des  „Verbandes der Damenmodefirma  Wiens“ erklärte dessen Vorstandsmitglied Magyar, dass er eben aus Paris komme und auf Grund persönlich gepflogener  Erhebungen interessanter Mitteilungen über Poiret machen könne. Poiret wurde dem Redner von ersten Pariser Firmen als der größte Hetzer und verbissenster Feind Österreichs bezeichnet. Poiret war während er Kriegszeit der ärgste Krakeeler, der an den Österreichern kein gutes Haar ließ. Man müsse über den Wagemut dieses Mannes staunen, der  nun zum zweiten Mal nach dem von  ihm so verhassten Österreich komme, um der hiesigen Geschäftswelt mit Hilfe einer aufdringlichen, marktschreierischen Reklame eine schwere Konkurrenz zu machen. Rufe ertönten: Poiret darf Wien nicht betreten! Seine Waggons  müssen ungeöffnet zurück rollen.

Redner verstehe die österreichische Regierung nicht, welche auf der einen Seite der Geschäftswelt drückende Lasten auferlegt und ihr auf der anderen Seite eine ausländische Konkurrenz auf den Hals hetzt. Wieder Rufe: Wir werden uns den Herrn Poiret ansehen.

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Direktor Schlögel von der Wiener Modegesellschaft schilderte zunächst Poiret schädigende Tätigkeit bei seiner ersten Anwesenheit in Wien. Unter Ausschaltung des hiesigen  befugten Handels  und Gewerbes, ohne selbst eine Handels- oder Gewerbeberechtigung für Wien zu  besitzen, verkaufte er seine in Paris erzeugten Kleider direkt an die Privatkunden. Passte er einen oder anderen Privatkunde das Kleid nicht, so ließ Poiret nicht von einem Schneider, sondern von einem Wäscheerzeuger in der Türkenstraße abändern. Rufe ;Unerhört!

Das Wiener Modegeschäft stagniert vollkommen, die meisten Betriebe haben Kurzarbeit, die Arbeitslosenämter seien mit arbeitslosen Schneidern und Schneiderinnen zum Erdrücken voll. In einer solchen Zeit lässt die Regierung einen Pariser Schneider zweiter Güte über die Grenze, damit er dem sesshaften Wiener Modegewerbe das ganze Frühjahrs Geschäft weg nimmt. Das heutige Wiener Publikum habe leider sehr wenig Verständnis für die heimische gediegene  Qualitätsarbeit, dafür sei es aber für eine marktschreierische  Auslandsreklame sehr empfänglich. Rufe: Die neuen Reichen. Österreichische Kaufleute dürfen im Ausland  nicht ein Stück an eine Privatkunde verkaufen, sondern nur wieder an die einschlägigen Kaufleute des betreffenden Landes. Herr Poiret aus Paris genieße in Wien  aber den Vorzug, sich über alle Gesetze hinwegsetzen  und das heimische Gewerbe  schwer schädigen zu können. Poiret komme in den nächsten Tagen nach Wien, um in einer gesellschaftlichen Veranstaltung größter Aufmachung seine Modelle  - die von Wiener Häusern weit schöner und gediegener, nur nicht mit einem so verrückten Geschmack geboten werden – dem Publikum vorzuführen.










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Auch die Wiener Schneidermeister und deren Arbeiterschaft werden am Platz sein und zu dieser Vorführung die Musik besorgen. Stürmische Zustimmung Rufe.

Dieser Anschlag eines Fremdlings auf unser Gewerbe  müsse mit den schärfsten Mitteln zurück gewiesen werden. Die Wiener Modesalons  werden zusehen müssen, wie ihnen Poiret das ganze Frühjahrs Geschäft wegnimmt, ohne jeglichen Schutz  seitens der Behörde zu spüren. Es bliebe nur noch die Frage offen  für welchen Zweck sie Erwerb Steuer zahlen.

Nationalrat  Smitka als Vertreter der Arbeiterschaft bezeichnete  es als  grobe Ungehörigkeit, in einer Zeit wo derart  traurige  wirtschaftliche Verhältnisse   herrschen Tausende von Schneider Gehilfen und -gehilfinnen arbeitslos sind, eine Auslands Konkurrenz in Wien zu dulden. So weit dürfte die Liebedienerei der Regierung  gegenüber den Franzosen nicht gehen um sogar die Existenz der heimischen Arbeiterschaft  zu opfern.

Der Präsident der Damenkonfektion Zabransky hatte sich eine Kollektion  Pariser Mode  Neuheiten  vorlegen lassen und war von der Minderwertigkeit und Geschmacklosigkeit  entsetzt  und verabschiedete die beiden Franzosen und meinte Wien wünscht Qualität und keinen Pofel.

Die Versammlung schloss mit der einstimmigen Annahme einer Protestresolution.

Es ist  den Wienern recht geschehen, und sie werden es sich eine Lehre sein lassen. Was sich Herr Poiret bei seiner Frühjahrs Redoute in den Konzerthaussälen geleistet  oder vielmehr, was er sich nicht geleistet hat, spottet jeder Beschreibung. Aber man wird es sich merken.







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Samstag Abend blieben die Konzerthaussäle lange leer nur langsam tröpfelten die Freikartenbesitzer in den Saal. Um 22 Uhr 30  kam Poiret, der Modekönig von Paris auf die Bühne und kündigte die Vorführung seiner Modelle an. Dann wurde 80 schicke und aparte Kostüme  vor versammelten Publikum vorgeführt und dann erreichte das Fest seinen Höhepunkt. Herr Poiret verteilte seine Geschenken an seine Wiener. Hunderte von Basthüte ließ er in das Publikum hinabwerfen. Gans schäbige, ordinäre Basthüte die kaum etwas kosteten und sollten das Gärtnerkostüm vervollständigen, und die Leute rauften sich um diesen Mist. Anschließend kamen noch Gießkannen und blaue Schürzen geflogen.

Ein Gerücht behauptet, dass noch Kisten mit Parfum und Spitzen in seiner Garderobe  sich befanden. Als er sah wie  die Wiener sich über den Ramsch freuten, fand er es überflüssig noch etwas zu verteilen.

Als Schlusspunkt sei noch hinzugefügt, dass Herr Poiret für ein Stück Garderobe 15.000 Kronen zu verlangen.

Ein Nachklang des "Interessanten Blattes"

Poiret wird an Wien wenig Freude haben. Als er das erste Mal hier war, pfändete ihm die Steuerbehörde einen Chinchilla Mantel.



„Die Frisierkunst der Mode“ äußert sich 1924 wie folgt:
„Ein Modekünstler der den Zenit seines Wirkens überschritten hat. Die Hauptwirkung der Wiener Vorführung lag eigentlich in der Erlesenheit des Materials die Poiret verwendet, denn solche kostbaren Stoffe und Gewebe haben wir schon lange nicht vor Augen gehabt. 
Die Wiener Moderevue zeigte uns, dass Poirets Stärke in den Mäntel liegt, welche nicht so leicht überboten werden können.
Wienerinnen, welche wir so recht bei der Moderevue bewunderten, sind wohl, was Schönheit und Ebenmäßigkeit betrifft, höher zu stellen, jedoch die süße Verruchtheit des ewig Weiblichen kommt bei den schicken Pariserinnen so recht zum Ausdruck. Im großen  und ganzen hält die Wiener Modekunst den Vergleich ruhig aus, wobei ich aber nicht unerwähnt lassen möchte, dass Poiret ein Künstler der Farbensymphonie ist, worin  er so leicht nicht übertroffen werden kann. Alles in allem haben diese Vorführungen, welche vor  zahlreich besuchten Häusern stattfanden, gewiss vielen  Fachleuten Impulse gegeben und ein derartiger Austausch von Gedanken und Werken kann nicht genug gewürdigt werden. Auf jeden Fall waren diese Abende  Ereignisse und Paul Poiret  kann mit seine Empfang und dem sonstigen Erfolg gewiss äußerst zufrieden sein. Sein Aufenthalt in Wien, wo er sehr   gut bekannt  ist, hat ihm eine große Befriedigung gegeben.

„Das Neue Wiener Journal“ 4. März 1924

Gestern früh ist Paul Poiret mit acht seiner  Mannequins  in Wien angekommen. Samstag gibt er  bekanntlich sein großes Modefest. Schon seit  Tagen hat sich jedoch eine Bewegung einiger Wiener Damenschneider  bemerkbar gemacht, die in dem Wirken des Pariser Modekünstlers in Wien eine unangenehme Konkurrenz und eine  Beeinträchtigung ihres Geschäfts sehen. Bekanntlich fand vorige Woche auch  eine Protestversammlung einiger Wiener Modesalons  die in schärfster Weise gegen Poiret, gegen den Verkauf seiner Kleider in Wien  sowie gegen den geplanten Ball Stellung nahm.
















Ein Mitarbeiter unseres Blattes sprach nun bei Herrn Poiret vor, der in entschiedener  Weise gegen die Anfeindungen seiner Person Stellung nahm.

„Ich bin“, sagt Paul Poiret, „gewöhnt, dass bei meiner Ankunft in einer Großstadt viel Lärm um mich herum gemacht wird. Aber es ist das erste mal, dass ich mit  Antipathy empfangen werde. Dies tut mir um so  mehr leid, als ich es  nicht verdiene.  Schon vor dem Krieg habe ich gerade  in Wien bewiesen, dass mir niemals darum zu tun war, dem Wiener Geschäft Konkurrenz zu machen. Vielmehr glaube ich viel dazu beigetragen zu haben, dass alles, was Wien auf  dem Gebiete der Mode, der Eleganz und der dekorativen Künste  geschaffen hat, im Ausland erkannt wurde. Denn ich bin es, der nicht nur 1912 und 1913 dem Wiener Gewerbe alle möglichen Modeartikel, wie Stickereien, Spitzen, Stoffe eingekauft habe und damit in Paris in meiner Modekollektion sowie in meinem Kunstgewerbehaus Reklame für  diese Wiener Fabrikate machte. Ich habe damit auch weit über die Grenzen Frankreichs hinaus, besonders in Amerika, diese von mir protegierten und benutzten Modeartikel bekannt  gemacht. Selbstverständlich immer, indem ich sie als Wiener Ware bezeichnete.

Diese Tatsachen sind mir sogar während des Krieges in Paris vorgeworfen worden. Aber ich habe damals,  und ich werde es stets tun, mit aller Kraft meiner Überzeugung eine Geschäftspolitik zurückgewiesen, die ich den Protektionismus nenne. Protektionismus scheint mir ein Beweis zu sein, dass die Unfähigen, die Sterilen, die Neidigen, kurz die Greissler Naturen in allen Geschäften es für nötig halten, ihre Erzeugnisse zu verteidigen, indem sie Dinge von großer Qualität verhindern wollen, ans Tageslicht zu treten, Protektionismus ist weit ärger als Nationalismus. Es ist eine Politik, die jedem nationalen Interesse gerade entgegen gesetzt ist, weil sie die Abschnürung von allen internationalen Elementen bedeutet.

Nun ist gerade Wien durch seine geografische Lage und durch seine hohe Kultur dazu berufen, das Zentrum eines europäischen Warenaustausches zu sein. Und es scheint unmöglich, dass einige enge Geister die vorübergehende Anwesenheit fremder Künstler und selbst  kommerzieller Anknüpfungen nicht dulden wollen. Ich will erklären, in welchem Sinne ich den Antiprotektionismus verstehe.

Ich weiß und habe es immer empfunden, dass in Wien eine der wichtigsten Bewegungen moderner, dekorativer Kunst  ihren Boden hat und dass sich diese Bewegung auch auf die Mode  wunderbar  ausstrahlt. Wenn ich nun in Paris so handeln wollte wie  einige Menschen es versuchen, in Wien gegen mich zu handeln, dann hätte ich gerade jetzt dazu eine einzigartige Gelegenheit.

Die internationale  dekorative Ausstellung in Paris wird 1925 eröffnet. Ich bin überzeugt und ich weiß es, dass Österreich dank den Anstrengungen, die ich diesbezüglich bereits gemacht habe, einer besonderen Sympathie begegnen wird. Jedermann in  Paris kennt den Namen von Professor Hoffmann, ebenso  wie ich in Paris die „Wiener Werkstätte“ und die Kunstgewerbeschule eingeführt habe. Ich selbst habe ja ein dekoratives Kunsthaus in Paris  gegründet. Das hat mich aber  nie gehindert, gerade den Wiener Stil  zu fördern  und an seiner Verbreitung zu arbeiten.

Ich bin Vizepräsident der Modesektion der internationalen dekorativen Ausstellung und in dieser Stellung habe ich bereits alles getan, um den Boden für eine ganz besondere Aufnahme des österreichischen Kunstgewerbes und der österreichischen Mode vorzubereiten. Mich leitete ein Gefühl der freundschaftlichen Kameradschaft und meine Hilfe wird für die  geschäftliche Entwicklung der Wiener Modekünste wohl entscheidend sein. Was soviel heißen  will, dass  sie von Paris  aus die ganze Welt erobern werden.

Wie gesagt, ich bin mir  wohl bewusst, dass es nur ein kleiner Teil Missvergnügter ist, die gegen das Interesse der bisher durch ihren Liberalismus berühmten Stadt Wien  handeln, indem sie gegen mich Stellung nehmen. Und ich bin überzeugt, dass das große Publikum und dass die  wirklich künstlerisch Empfindenden sowie viele meiner Geschäftsfreunde sich dieser  Bewegung nicht anschließen werden, sondern  wie bisher mir ihre  Freundschaft zu bewahren gedenken.“

Ein weiterer Bericht der „Stunde“ 6. März 1924
Paul Poiret, der bekannte Pariser Modeschöpfer, wollte gestern im Salon Rosenfeld in der Türkenstraße seine nach Wien mitgebrachten Modelle vorführen. Vor dem Beginn erschienen jedoch die Vorsitzenden der Genossenschaft der Wiener Kleidermacher, die Herren Vorsteher Müller, Sekretär Kohl und Direktor Schlegl und erklärten, dass sie die Vorführung  der Poiretschen Modelle  solange nicht zulassen könnten, solange sich Herr Poiret nicht mit einer  gewerberechtlichen Erlaubnis zum Verkauf seiner Waren ausweisen könne. Es begann nun eine Verhandlung zwischen den Vertretern der Wiener Schneider  und Paul Poiret, bei welcher Frau Konstanze von Linden  die Funktion der  Dolmetscherin  und Vermittlers übernahm.

Die Wiener Schneider legten nochmals die traurige Situation ihres Gewerbes dar und machten darauf aufmerksam, dass eine große  Zahl von Arbeitern überhaupt beschäftigungslos sei, der andere Teil aber nur 24 Stunden in der Woche zu tun habe.

Auch wurde darauf hingewiesen, dass eine Anzahl  Wiener Modefirmen im Winter sehr viel Ware in Paris eingekauft habe, die nun unverkauft in Wien liegen.

Paul Poiret teilte mit, er sei nicht als Konkurrent nach Wien gekommen; es sei ganz unmöglich, dass die Vorführung seiner Modelle dem großen Wiener Modemarkt irgendeinen Schaden zufügen könnte, er versprach jedoch, den Wünschen des Vorstandes der Wiener Kleidermacher zu entsprechen. Daraufhin kam eine Erklärung zustande, worin gesagt wird:
Die Frühlingsredoute Paul Poirets findet am 8. März in den Sälen des Konzerthauses statt, nachdem Herr Poiret  die von der Genossenschaft der Wiener Kleidermacher gestellten Forderungen erfüllt hat.
Soweit wäre die Angelegenheit in Ordnung. Die Wiener Schneider haben die Gewähr, dass ihnen nicht von außen Konkurrenz gemacht wird und Paul Poiret kann sich auf die rein künstlerische  Aufgabe beschränken, den Wiener Fasching durch eine originelle, sehenswerte  Redoute zu verschönern. Aber eines muss bei dieser Gelegenheit gesagt werden: So sehr man den Zorn der Schneider versteht, deren Lage durch die Sittlichkeit Hetzer und Anti Luxusleute verschlechtert wurde, so widerlich  wirken jene journalistischen Zuschneider, die plötzlich Paul Poiret mit Kot bewerfen. Man möchte es nicht für möglich  halten!
Es sind dieselben Herren, die eben noch riesig Pariserisch taten, nicht genug näseln konnten, sobald sie die Feder ansetzten  eben noch von Monte Carlo kommend, den Weltmann spielend, westeuropäisch frisiert, tut sich was, jedes Wort ein Parfüm Hauch – dieselben Herren, unter anderen Namen, können auch mit der germanischen Dreckschleuder umgehen.

Sieh an! Es ist die Methode des Doppelgeschlechtes, die Methode der beiden Hände; man kann so und kann auch anders. Einmal Pariser Viveur, das andere Mal Bieder , Mann, puritanisch, wacker.

Die Pariser sollten sich diese Herren jedenfalls für den Fall merken, da sie wieder das  dringende Bedürfnis verspüren werden nach der  Luft der Boulevards. Kein Wunder, wenn Wien in den Ruf gerät, die verlogenste Stadt des Kontinents zu sein.“







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Nach Jahren gab es wieder Nachrichten über Paul Poiret und zwar im Neuen Wiener Journal 1931:

Da hieß es, dass der berühmte Modediktator zahlungsunfähig wäre. Diese sensationelle Meldung war Anlass genug sich damit zu befassen. Die Autorin dieses Artikels war keine geringere als Berta Zuckerkandl-Szeps.

Aber Paul Poiret hatte ja längst nichts mehr mit dem Salon zu tun, der unter Beibehaltung seines Namens von einer Aktiengesellschaft erworben wurde. Und Paul Poiret ist längst zugrunde gegangen. Ist aus dem Welthaus, das er gegründet und durch ihm eignende dekorative Genie hochgebracht hatte, hinaus intrigiert worden. Vielfach verschuldete er sein Schicksal vielleicht selbst, da ihm seine Erfolge zu Kopf gestiegen waren.Er wollte König von Paris sein Nun!  Einige Jahre später, als es modern geworden war, Kronen zu verlieren, passierte Poiret dasselbe. Er machte eine Mode nach, statt sie vorzumachen.

Alles was  dieser  Tage  so Interessantes und Neues über Poiret  zu lesen war, nur eine Affäre  die von Anno dazumal datiert. Das jetzt gemeldete  Fallissement wird ihm Schadenfreude auf das höchste entfachen. Allerdings hatte er noch  um 1925 ungefähr die neuen Salons Avenue Victor Hugo eingerichtet. Ich wohnte damals sozusagen noch der  Generalprobe dieser   Eröffnung bei. Aber der „Meister der Haute Couture“, sollte plötzlich dem Befehl rein kommerziell orientierter Verwaltungsräte gehorchen. Endlich wurde der  auch finanziell schwach Gewordene hinausgelehnt. Seitdem bewohnt Poiret in der Nähe von Paris ein einfaches Zimmer und hat  sich  ganz der Malerei ergeben.  Mit dem früheren Geschäft hat er nichts mehr zu tun. Er erzählt dies alles in seinem 1931 erschienen Buch  „Pour habiller l´Epoque“. In diesem Buch  seines Lebens hat Poiret auch mir eine Zeile gewidmet. Er spricht von seinen durch Europa  unternommenen Reisen. Er war der Erfinder der heute so allgemeinen gewordenen Modeschau. Mit seinen entzückenden Mannequins erschien er 1912 in Wien (Madame Zuckerkandl), So gedenkt er der Zeit, die ihm die fruchtbarsten Anregungen gebracht hat. Aber weniger dankbar spricht er von diesen Künstlern selbst. Von Gustav Klimt, Josef  Hofmann, von der Hochblüte unserer damaligen Kunst und Kultur. Die allerdings den meisten Wienern entweder unbekannt oder äußerst zuwider gewesen ist, aber draußen in Europa berühmt war.

Meine Schwester war eine  der Klientinnen von Poiret. Sie schrieb mir eines Tages, ich möge mich Poirets annehmen, da dieser von den Ruf  Wiener moderner Künstler angelockt, gern eine Tournee mit Modeschau veranstalten möchte. Poiret hatte nämlich 1911 in der Internationalen Ausstellung in Rom Josef Hofmanns „Österreichischen Pavillon“ gesehen. Dieser noch heute in der Geschichte der Ausstellungen berühmte wundervolle Bau, dessen Innendekoration und der Klimt Saal die Synthese  der österreichischen  Leistungen aus dekorativem  Gebiet darstellen, machte auf den künstlerisch feinfühligen Poiret  tiefen Eindruck, so dass er beschloss nach Wien zu reisen. Die Folge dieser Fühlungnahme war,  dass die  Modeschöpfungen der folgenden zwei Jahre in ihrer Farbenskala, und durch die von Poiret in der Wiener Werkstätte gekauften Textilien eine österreichische Note erhielten. Auch mit der Wiener Kunstgewerbeschule trat Poiret in engeren Kontakt. Die Klimt-Gruppe aber schöpfte ihrerseits aus Poirets eigenartigen, genialen Modeschöpfungen mannigfachste Anregung. Interessant war die Reise, die Poiret auf Rat Hofmanns nach Mähren machte. Um die Quellen österreichischer Volkskünste, an welchen die Klimt-Gruppe vielfach selbst erstarkt war, zu erkennen. Die mährischen Künste der Stickereien, der Spitze, der farbig gewirkten Bänder ergaben, als sie von  Poiret auf Modelle seiner Frühjahrskollektion 1912 und 1913 angewendet wurden, die fabelhaften Effekte. Poiret hatte durch die pittoreske Note österreichischer Volkstracht einen der großen Erfolge seiner Karriere errungen. 

In liebenswürdiger Weise dankte mir Poiret, dankten mir die um ihn gescharten französischen Künstler der Avantgarde für die in Wien gefundene Aufnahme. Als ich einige Monate später nach Paris kam, gab Poiret mir zu Ehren ein Diner in seinem kleinen Palais Avenue  d'Antin. Erst wurde ich in das Heiligtum des Hauses geführt, einem runden Raum, dessen Wände dunkelgrau getönt waren. Auf einem Sockel stand das Meisterwerk. Eine der herrlichsten altchinesischen  Statuen, die wohl je einen chinesischen  Tempel geziert hatten. Die Göttin des Mitleids! Ein geheimnisvolles Licht wurde von einem unsichtbaren Reflektor auf die Gestalt geworfen. Nach diesem selten erhebenden Genuss gingen wir in den Speisesaal. Nie werde ich den Anblick der festlichen Tafel vergessen. Eine Orgie in Gelb. Die herrlichsten Blumen bedeckten den Tisch, von goldig schimmernden  venezianischen Gläsern überstrahlt. Vor meinem  Platz lag aber ein Album artiger dünner Einband, auf dem eine Künstlerhand ornamental  geschrieben hatte: „Le Menu de Paul Poiret, bédier à Madame Zuckerkandl!!  Ich knüpfte das Bändchen auf,  das die Hüllen zusammen hielt, und die schönste  Überraschung wurde mir zuteil. Jeder der anwesenden Künstler hatte mir ein Blatt gewidmet. Obenan stand  Duvernoy de Segonzag, heute Frankreichs bedeutendster  Maler. Mit der Skizze eines weißen, sich hoch aufbäumenden Pferdes. Dufuy hatte eine Landschaft, Faulconnet ein Stilleben mir gewidmet. Mindestens zwölf  solcher Original Blätter enthielt dieses Menü, das gewiss einzigartig genannt werden muss.

Ich erlebte noch ein zweites Fest bei Poiret viele, viele Jahre später. Nach dem Krieg. Ein berauschendes Kostümfest im Jahr 1924. Unmittelbar, ehe Poiret die unglückliche Idee hatte, seinen nur auf  Persönlichkeit  beruhenden Modesalon  an eine Aktiengesellschaft zu verkaufen, die naturgemäß für künstlerische Experimente kein Verständnis hatte. Schon 1912 war ja in Wien in der Kärntnerstraße  einmal ein Auflauf  entstanden. Weil ein Mannequin Poirets „La Jupe  Culotte“ trug. Als er dann, tief davon überzeugt,  dass die moderne Frau auf Reisen, für den  Sport den Hosenrock, aber selbst für die Abendtoilette hie und da eine Art türkische Hose tragen sollte, in einer seiner Kollektionen um 1925 seiner früheren Idee neue Form gab, brach der erste Konflikt zwischen ihm und den finanziellen Leitern des Unternehmens aus, der dann zum Ausscheiden Poirets führte. Wie immer im Kampf sogenannter kommerzieller Leiter gegen Künstleringenium, blamierten sich die Herren  Verwaltungsräte, die vermeinten, einen Poirets in sein Handwerk pfuschen zu können. Denn das ganz große Geschäft wurde fünf Jahre später mit den Pyjamas gemacht. Den Hosenröcken, die morgens, nachmittags und abends das Pariser und das amerikanische Moden Bild  beherrschen. Sie sind nichts anderes als der Hosenrock, für den Poiret beinahe zwei Jahrzehnte gekämpft hat.

In seinem Buch spricht Poiret von den Verfolgungen, die er von Seite der Gesellschaft, die ihm sein Haus abgekauft hatte, erleiden musste. „Man ließ mich nicht mehr mit den  Stoff Fabrikanten verkehren. Ich durfte keinen von ihnen meine Ideen geben. Das Personal hatte Auftrag bekommen, jeden Kontakt  mit mir zu vermeiden. Stellen Sie sich alle Hexen und bösen Feen vereint vor, die das Bett der Königin umgeben, um sie zu verhindern, ein Kind zur Welt zu bringen. Die  arme Königin musste unfehlbar daran sterben. Aber Poiret hohnlachend, als die Königin verschwunden war, da sind die  Hexen daran zugrunde gegangen.
Die von der Wiener Presse Poiret gehaltenen Nekrologe waren also nicht mehr  aktuell. Denn nicht er, der längst verschwunden ist, sondern die Hexen haben Bankrott gemacht.








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Neues  Wiener Journal  brachte am 20. August 1935  Neuigkeiten  von Paul Poiret.
Diesmal ist Heinrich Jordan der Autor.

Vor einem Jahr konnte man im Blätterwald  lesen, dass der   Pariser Modekönig  vollständig mittellos dastehe und um Arbeitslosenunterstützung angesucht hätte. Das kam nicht sehr überraschend.

Nichts illustriert  den Niedergang und das Elend des Nachkriegs Paris drastischer als die Laufbahn dieses Mannes. Poiret war das Symbol des Pariser Lebens von 1920 bis  1925 gewesen. Das war das Paris der amerikanischen Invasion, der Nachtlokale, des überschäumenden Champagner, der bedenkenlosen Verschwendung und des Nachkriegsrausches. Diese entfesselte Welt hieß Paul Poirets. Er verwöhnte die Damenwelt mit herrlichen Roben und  auf seinen drei Luxusboote die in der Nähe des Place de  la  Concorde in der Seine verankert waren gab es grandiose Feste., die Millionen kosteten.

Als er alles verloren, ist er keineswegs ein gebrochener Mann, er geht unter die Schriftsteller – er schreibt seine Memoiren. Damit will er seinen ehemaligen Gästen, Schmeichlern, Profit Jägern, die ihm alles verdanken, ein letztes Gastmahl auftischen.  Es werden Memoiren der Gehässigkeit. Er sucht den Klatsch und Tratsch aus seinen Erinnerungen. Es wird die Skandal Chronik des Nachkriegs Paris werden. Er enthüllt,  stellt bloß, blamiert. Es wird dem größten Schneider seine nicht ganz vornehme Rache werden.
Er malt zuerst sich selber, doch das befriedigt ihn nicht, außerdem hatte er noch  treue Kunden .Daher eröffnet er  einen kleinen Modesalon im stillen Passy Viertel. Das Geschäft läuft  aber nicht, denn er ist inzwischen auch ein Sonderling  und Außenseiter geworden, so wurde er ein griesgrämiger Spaziergänger. Er versank im Elend, nahm Almosen an, denn sein Stolz war gebrochen.

Die Nachricht von seinem  Elend lockte doch einen  letzten Mäzen herbei. Poiret entwarf 1500 neue Modelle, engagiert Mannequins, inszenierte einen imposanten Reklamewirbel und glaubte sich einen Augenblick wieder ganz oben. Eines Nachmittags führte er auf der Montparnasse im Garten der  „Coupole“, seine Modelle vor, die Filmoperateure kurbelten das Ereignis für die Wochenschau und die Mode Journalistinnen  sämtlicher Kontinente notierten fleißig.

Doch die Vorführung wurde eine Enttäuschung, schlimmer noch, ein Durchfall. Das Gezeigte war altmodisch. Es war  aus. Zweimal in der Woche holte er sich das Arbeitslosengeld ab. Die Einsamkeit wurde noch größer und hoffnungsloser. Nun musste er auch die Atelierwohnung verlassen. Er schuldete die Miete, Licht, Telefon uam. Es  kam  die gerichtliche Pfändung und Wohnungsausweisung. Seine beiden gezähmten Tauben hatte er verspeist.

Am nächsten Morgen zog er in eine winzige  Dachmansarde. Sein einziger Begleiter war sein Hund. Sah er aus dem Fenster der Mansarde sah er Paris das unter ihm lag,,,

__QUELLEN:__  Die Stunde, 4. Dezember 1923,S 3, 1. Dezember 1923, S 1,9. März  1924, S 4, 6. März  1924, S 3, Neues Wiener Journal  8. September 1931, S 5,20. August 1935, S 5 Bild,27. November 1911, S 1, Der Tag, 10. März  1924, S 2, 29. Februar 1924, S 5,Frisur der Mode 1924,  Heft Jänner S 12,Wiener Sonn- und Montags Zeitung 27. November 1911, S 3 ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bildmaterial: I. Ch. Graupp  





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