>[Zurück zur Übersicht über alle Beiträge|User/Graupp Ingrid-Charlotte]!!!STUDENTENDINER








[{Image src='Neue Hofburg.png'class='image_left'height='300' caption='Neue Hofburg' alt='Wien' width='789' popup='false'}]


Ein Teil der Wiener Studentenschaft nimmt seit gestern  12. Juni 1919 das Mittagessen in der – Hofburg ein. Das Kuratorium der  Mensa academica hat eine Kundmachung erlassen, in der es  heißt: Die außerordentliche Überfüllung der Mensa academica hat vor allem zu dem Übelstand geführt, dass die Besucher meist erst nach langem Warten zu ihrer Mahlzeit kommen konnten und daher viel Zeit   verloren. Nach langen  und sehr schwierigen Verhandlungen ist es dank des Entgegenkommens der Hofburgverwaltung sowie des erzbischöflichen Alumnat gelungen für einen Teil der  deutschen Studierenden sehr schöne und  freundliche, ganz  besonders ansprechende Räume in  der Hofburg  und im neugebauten Alumnat in der Boltzmanngasse  zu gewinnen und ihnen dort die Verköstigung zu sichern. Von den Besuchern der deutschen Mensa, deren Gesamtzahl ungefähr 1500 beträgt, sollen etwa 600 in den bisherigen Räumen, 600  in den Räumen der Hofburg  und  300 im erzbischöflichen Alumnat  ihre Verpflegung finden. Die Speisen Räume in der Hofburg wurden am 5. Mai, im Alumnat werden  sie am  12. Mai eröffnet werden. Die Portionen werden um mehr als die Hälfte der jetzigen vergrößert, der Preis für das Mittagessen wurde auf  2 Kronen 60, für das Abendessen auf 1 Krone 90 erhöht.







%%center
[{Image src='Mensa Srudenten.jpg'class='image_block'height='400' caption='Studenten Mensa' alt='Hofburg' width='463'}]
[{Image src='studenten.jpg'class='image_block'height='400' caption='Mensa' alt='Hofburg' width='488'}]
%%



Die Welt ist nicht mehr mit Brettern verschlagen, wenigstens die Welt nicht die von der Neuen Hofburg auf den Heldenplatz reicht und Jahrzehnte lang  durch scheußliche Bretterverschalungen entstellt war. Wie viel Schönheit damit  dem Anblick entzogen wurde, weiß man erst jetzt, wenn man überrascht  auf dem weiten Burgplatz steht und zuerst die Veränderung nicht findet, durch die hier so Wundervolles entstand, bis man sich der  Gerüste erinnert, die nun endlich gefallen sind. Die ehemalige Hofburg wirkt jetzt überhaupt ganz anders als damals, wo die Burggendarmen mit der Hellebarde und dazu scharf kontrastierenden Gutmütigkeit im Gesichtsausdruck jeden Eingang mehr schmückten als bewachten, und selbst anders als in den Wochen, da Offiziere der alten Armee den Wacht Dienst  übernommen hatten und nun „scharf machten“  um wenigstens etwas  zu tun zu haben. Jetzt sind die  Burggendarmen wieder an ihre Plätze  zurückgekehrt, zwar nicht in der pompösen  Dienstadjustierung von einst, sondern in der bescheidenen Tracht der ehemaligen Ruhestunden aber sie haben wenigsten ihre Ortskenntnis mitgebracht und geben bereitwillig Auskunft, wenn man nach einem besonderen Teil des riesigen Gebäudes fragt, im Gegensatz zu ihren unmittelbaren Vorgängern, die mit sehr viel Schneid die Achseln zuckten oder oft sogar sehr  liebenswürdig mit auf die Suche gingen, was aber  nur dann von Erfolg begleitet war, wenn man zufällig einem alten Hofbediensteten begegnete.

Nach der im Schweizerhof untergebrachten Mensa academica der deutschen Hochschüler braucht übrigens ein halbwegs guter Beobachter in den Mittagsstunden gar nicht zu fragen. Es genügt den Strom der jungen Leute zu folgen, die alle  das gleiche Ziel haben und nach Vorweisung ihrer Legitimation beim Zugang zum entsprechenden  Trakt in die Speisesäle eilen. Denn Säle, sehr vornehme, elegante Säle sind es, die den Studenten zur Verfügung gestellt  wurden. Die Feststiege hat man ihnen zwar  nicht geöffnet und so klettern sie  über eine jener unglaublichen Treppen, deren es in der ehemaligen Hofburg so viele gibt und die nach Aufsicht der maßgebenden Persönlichkeiten für gewöhnliche Sterbliche gut genug waren. Aber die Studenten  mögen sich trösten, Der Chef der Kabinettskanzlei, dessen Wohnung auf dem gleichen Gang war, der jetzt den Zugang zu den neuen Mensaräumen bildet, hat gewöhnlich auch diese Treppe benutzt, weil er auf diesem Wege sein Heim am schnellsten erreicht,

 Die Säle selbst hießen bisher die  „technischen Appartements“ oder die „Kübeck-Appartements“, aber der  freundliche Herr, der  früher einmal im Hofdienst  stand und jetzt  vergnügt für die Studenten Torwache hält, hat keine Ahnung, warum die Räume diese Namen führten. Mit der Technik hatten sie nämlich seit Menschengedenken nichts zu tun. Anschließend an die  Redoutensäle wurden sie nur bei großen Festlichkeiten geöffnet und  dienten als Teesalons oder Spielzimmer. Demgemäß ist ihre äußere Aufmachung auch ungemein prächtig. Überall die traditionellen weiß getäfelten Wände mit Goldleisten und wundervolle Kristallluster an den Decken. Die meisten Möbelstücke sind zwar entfernt worden, was aber in den vier den Hochschülern als Speisesälen zur Verfügung gestellten Räumen geblieben ist, genügt noch immer, um eine wahrhaft fürstlichen Eindruck hervorzurufen. Lange Tische, gedeckt mit blütenweißem Linnen, Esszeug von schwerem Silber, Schüssel und Teller aus den kaiserlichen Vorräten von feinstem Porzellan mit Goldleisten und dem Doppeladler – man hofft nur, dass vorsichtige Waschfrauen diese Geschirr reinigen, denn es wäre wirklich jammerschade, wenn bei dem Massenbetrieb die ganze Herrlichkeit halb in Scherben ginge. Am schönsten aber wirken die in langen Reihen aufgestellten Stühle, alle weiß lackiert und mit rotem Damast gepolstert. Wer über der ewigen Lebensmittelnot noch nicht an die Ästhetik des Speisens vergessen hat,  der wird hier  mit doppeltem Behagen die Mahlzeit  nehmen, auch wenn sie  nicht ganz  dem äußeren Rahmen entspricht, denn das Essen wird in diese elegante Filiale in  Kochkisten von der Mensa herüber geschafft  und nur die Schönheit der  Räume, nicht auch eine bessere Qualität der übrigens der durchaus nicht schlechten Mahlzeiten bildet den Unterschied zwischen der Mensa in ihren alten und in ihren neuen Räumen.
 
 
 
 
 
%%center 
[{Image src='ss.png'class='image_block'height='500' caption='Redoutensaal' alt='Hofburg' width='525' popup='false'}]
%%

Von studentischer Ulkstimmung merkt man  hier zwar nichts, es ist aber auch durchaus keine Spur jenes Elends  zu merken, das man früher für unzertrennlich von den Besuchern der Mensa hielt.  Selbst materiell ganz gut gestellte Hochschüler nehmen ihre Hauptmahlzeit jetzt in der Studentenmesse, weil die Gasthäuser für Durchschnittsmenschen zu teuer sind, der Weg nach  Hause aber selbst für die in Wien Wohnenden  zu viel Zeit erfordert. Und das ist der größte Segen der neuen Mensa Räume, sie ersparen das  Gedränge vor dem Essen und die Hast während desselben, es ist so viel Platz, dass jeder aus der Gruppe, die hier Unterkunft gefunden hat, mit Behagen seine Mahlzeit nehmen kann. Das  Behagen, die Freude an der schöne Umgebung während der Ruhepause sieht man ihnen an. Mag der Strömung der Zeit wie immer sein, die Liebe zur Schönheit und zum Luxus bleibt dem  gebildeten Menschen, und er  genießt beides doppelt, wenn es ihm so wohlfeil wie in den  neuen Räumen der Mensa  geboten wird. Gast des Staates, Gast gewissermaßen bei sich selbst zu  sein, ist ein ganz angenehmes Gefühl.-r-

Quelle: Zeitungen der ÖNB, Foto: Graupp





https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/STUDENTENDINER

>[Zurück zur Übersicht über alle Beiträge|User/Graupp Ingrid-Charlotte]







[{Metadata Suchbegriff=' ' Kontrolle='Nein'}]








[{ALLOW view All}][{ALLOW comment All}][{ALLOW edit Graupp}][{ALLOW upload Graupp}][{ALLOW delete Graupp}]