!!!TRINKGELD


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Im Oktober  1921 gab es unter den Kellnerinnen und Kellner eine Urabstimmung über das Trinkgeld.

An der Urabstimmung über das Trinkgeld beteiligten sich .  7470 stimmberechtigte Kollegen und Kolleginnen. Davon stimmten  5662 für die Beibehaltung des Trinkgeldes und nur 1795 dagegen, und 13 Stimmen waren ungültig,

Vom Zentralvorstand,  vom Wiener Ausschuss und in weiterer Folge von der Betriebsräteversammlung wurden die Kollegen und Kolleginnen vor die Aufgabe gestellt, selbst  zu entscheiden, ob sie in der gegenwärtig schwierigen Zeit für oder gegen die Abschaffung des Trinkgeldes sind. Diese Entscheidung war notwendig. Wir konnten und durften wegen dieser Frage keinen Kampf beginnen, ohne zu wissen, wie sich die Kollegenschaft dazu verhält. Sie ist es, die den Kampf auszutragen hat, ihr Wille musste festgestellt  werden. In jedem anderen Fall, wenn es sich um die Erkämpfung einer Besserstellung  oder um die  Abwehr einer Verschlechterung handelt, sind wir der vollen Solidarität aller Kollegen und Kolleginnen sicher. In der Frage der  Trinkgeldabschaffung aber besteht keine einheitliche Meinung, es herrscht kein einheitliches Wahlergebnis das für jeden Kampf entscheidend ist, es handelt sich auch in vielen  Fällen nicht um wirtschaftliche Besserstellung, sondern um eine bedeutende Einbuße und das gerade bei den Kollegen in jenen Betrieben,  die für jeden Kampf von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Das Ergebnis der Abstimmung zeigt mit  aller Deutlichkeit, wie recht wir  handelten, indem wir die Kollegenschaft  selbst entscheiden ließen. Es wird manchem schwer gefallen sein, die richtige Entscheidung zu treffen.  Im Grunde genommen wird jeder einzelnen in seinem Innersten ein Gegner des Trinkgeldes sein, Es besteht  in dieser Beziehung kein Gegensatz zwischen jenen, die für die Abschaffung, und die übrigen die gegen die derzeitige Abschaffung stimmten. Wenn eine so große Anzahl Stimmen für die Beibehaltung des Trinkgeldes abgegeben wurde, so werden dafür wohl  wichtige Gründe vorhanden sein, die in ihrer Verschiedenheit har nicht festzustellen sind. Einer der wichtigsten Gründe wird es sein, dass in der gegenwärtigen Zeit, wo  die Arbeiterschaft immer mehr in die Abwehrstellung gedrängt  wird, die Kampfbereitschaft der Organisation erhalten bleiben muss und nicht gefährdet  werden darf  durch Unternehmungen, deren Ausgang im höchsten Maße zweifelhaft ist. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Grund wird die Erkenntnis gewesen sein, dass jede geringfügige Lohnforderung den größten Widerstand  von Seiten der Unternehmer  hervorruft und dass dieser  Widerstand um so größer sein wird, wenn es sich  darum handelt, an Stelle der Trinkgelder ausreichende Löhne zu erhalten. Wir haben dabei nicht  nur mit dem Widerstand der Unternehmer, sondern auch mit dem  der breiten Öffentlichkeit zu rechen. Zudem besteht  zwischen den heutigen Löhnen der Trinkgeldnehmer und den bei  Abschaffung des Trinkgeldes notwendiger Weise zu fordernden Löhnen ein so großer Gegensatz, dass an eine auch nur annähernde Ausgleichung dieses Gegensatzes gar nicht zu denken ist. Es sind  sehr nüchterne, von den wirtschaftlichen  Verhältnissen diktierte Erwägungen, die unsere Kollegenschaft dazu führten, so zu stimmen, wie das Ergebnis zeigt. Sie hielten sich frei von allen  Illusionen, sie unterdrückten manches, was sie sonst  mit Stolz  hervor zu heben trachteten, sittliche und moralische Bedenken, die gerade in der Trinkgeldfrage eine so große Rolle spielen und auch nicht  abgesprochen werden können, wurden beiseite gelassen in der richtigen Erkenntnis,  dass in dieser Frage die wirtschaftlichen Verhältnisse allein bestimmend sind. 

Durch die Abstimmung haben die Mitglieder selbst den Weg gewiesen, der für die Zukunft  bestimmend ist. Unsere  Organisation ist  heute  nicht mehr so schwach, dass sie mit künstlich genährten Illusionen zu operieren hätte, sie ist stark und fest und hat dafür schon genügend schlagkräftige Beweise erbracht. Mit fest eingewurzelter Solidarität werden unsere Mitglieder mit vereinter Kraft weiter arbeiten  an der Besserung ihrer ganzen Lebenshaltung, sie werden mit  starker Hand das bisher Errungene gegen alle Angriffe verteidigen und festhalten, und sie werden weitere Erfolge erringen. Wir stehen gegenwärtig in  sturmbewegten Tagen, die Preise aller zum Leben notwendige Artikel schnellen unaufhaltsam in die Höhe, wir brauchen unsere  ganze Kraft, um durch Lohnerhöhungen einen Ausgleich zu schaffen. Es ist  nicht abzusehen, wann und  wie dieser schwindelhaft steigenden Teuerung Einhalt geboten werden könnte, aber die  Unternehmer reden schon von einem Abbau der Löhne. Sie werden versuchen, den geringsten Rückgang der Preise für ihre Zwecke auszunützen, und dafür müssen wir gerüstet sein. Da wird sich dann die Gelegenheit, ergeben, die Lebenshaltung erst auf ein höheres Niveau zu bringen, dann werden wir an einem gewissen Lohnsatz festhalten, der uns vom Trinkgeld vollständig …....(unleserlich),,,, als einen Teil der Entlohnung angewiesen sind.  Das werden auch jene Kollegen und Kolleginnen voll zu würdigen wissen, die in ihrer Willensäußerung in der Minorität blieben, sie werden begreifen, dass in der innersten Überzeugung aller Kollegen in dieser wichtigen Frage kein Gegensatz besteht, und dass alle in gleicher Weise das Bestreben haben für ihre Arbeit eine Entlohnung zu erreichen, die unabhängig vom Trinkgeld zum Leben ausreichend ist.

__QUELLE:__  Zentralorgan Oktober 1921, ANNO Österreichische Nationalbibliothek


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