Am dritten Tage ... Die Auferstehung im Widerschein der Kunst#
Von Ernst ZentnerDas Wesentliche und tiefe Überzeugung des christlichen Glaubens ist die Auferstehung (Auferweckung) Jesu Christi am dritten Tag nach seinem Kreuzestod durch Gott. Zu Ostern feiern wir - nach der Karwoche - das Fest der Auferstehung.
Nur in den Evangelien wird weder der eigentliche Auferstehungsvorgang noch das Aussehen des Auferstandenen näher beschrieben. Das blieb der tieferen Mystik des Glaubens überlassen. Das mussten folglich viele Theologen und religiös gestimmte Künstler zu phantastisch anmutenden Gedankenspielereien beflügelt haben. Früher waren die Menschen offener für metaphysische Dinge eingestellt als der vernunftbegabte Mensch der Gegenwart.
Basis bleiben die Berichte der Evangelisten, die die Erscheinung des Auferstandenen in Zusammenhang mit dem leeren Grab, den Engeln, den Frauen Maria Magdalena und der anderen Maria ("Berühre mich nicht!") sowie den Aposteln in knappen aber doch aufschlussreichen Worten kommentierten. Vergessen wir nicht: Die Vermittlung von Glaubensinhalten und -wahrheiten war damals für die junge Kirche ein großes Anliegen, zumal die Mehrheit der Menschen kaum des Lesens und Schreibens mächtig. So blieb außer der mündlichen Verbreitung nur noch die optische Darstellung mittel Bildwerken.
Im theologischen Sinn ist unter der Auferstehung Triumph über den Tod und das Ewige Leben bei Gott gemeint. In der Zeit des Frühchristentums - auch Epoche grausamster Christenverfolgung - begnügten sich die Anhänger Jesus seine Auferstehung mehr oder weniger gedanklich als Symbol zu veranschaulichen: als Christusmonogramm (die griech. Anfangsbuchstaben des Namen Christus, XP, ineinandergeschoben, das schon im 4./5. Jahrhundert gut bekannt war (Münzen, Passionssarkophage).
Auf einer um 400 geschaffenen Elfenbeinrelieftafel (München, Bayerisches Nationalmuseum) finden wir eine kombinierte Auferstehungs- und Himmelfahrtsszene: die schlafenden Wächter, die Frauen am leeren Grab und Jesus, wie er zum Himmel aufsteigt.
In der Kunst der Byzantinischen Kirche war jedoch das generelle Auferstehungsthema völlig unbekannt. Lediglich die "Höllenfahrt Jesu" zeitigte sich - seit dem 6. Jahrhundert - zum liturgischen Osterbild der Ostkirche ("Anastasis"), in dem Christus unmittelbar nach seinem Hinrichtungstod in der Hölle Personen des Alten Testamentes (z. B. Adam und Eva) erlöst. In dem nach dem Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts erschienenen Psalterillustrationen boten sich mehrere Varianten: Jesus aus dem Grab hervortretend, neben dem Bau oder vor dem verschlossenen Grab.
Erst um 1000 wagten in Westeuropa klösterliche Buchmaler der Benediktinerabtei Reichenau (ottonische Handschriften!), die Erscheinungsarten des Auferstandenen prägnant umzusetzen: Christus im offenen Sarg, mit Kreuznimbus und in der Linken die Kreuzfahne (Evangeliar Heinrichs II.! München, Bayerische Staatsbibliothek).
Diese Version blieb allgemein bis ins 12. Jahrhundert bestehen. Danach formten andere Künstler eine neue Szenerie: Christus mit Wundmalen, Sargdeckel wegstoßend, drei schlafende Wächter oder Soldaten (z. B. auf einer Tafel des "Verduner Altares" im Stift Klosterneuburg, um 1171-81).
Dieses Auferstehungsbild blieb verbindlich. Auch in Italien, wo erst im frühen 14. Jahrhundert, besonders unter Giotto di Bondone und seiner Schule, eine eigene - ja fast zeitlose - Schöpfung erwuchs (Fresko in der Capella degli Scrovegni all'Arena, Padua, zwischen 1303 und 1310): Der Auferstandene entfernt sich vom Sarg, entzieht sich den Blicken der Anwesenden. Er entschwebt als "Erhöhter", als Herr im Ruhmeslicht und zugleich Vorwegnahme der Himmelfahrt!
In der Renaissance interessierte sich Michelangelo für dieses Muster des himmlisch verklärten Christus, meißelte eine beeindruckende Marmorstatue, "Auferstandener Christus mit Kreuz" (1519-20, Santa Maria sopra Minerva, Rom), skizzierte einen aufgewühlten, mit erhobenen Armen zum Himmel aufsteigenden Jesus (um 1532; Windsor, Royal Library) und kreierte einen monumentalen Auferstandenen als Weltenrichter (Fresko "Das Jüngste Gericht", Sixtinische Kapelle, Rom, um 1534-41). Nordeuropäische Künstler des 16. Jahrhunderts griffen nach italienischen Vorlagen. Sie entwarfen danach außergewöhnliche, aber einprägsame Bilder. So Albrecht Dürer mit einzelnen Blättern seiner vorzüglichen "Passions"-Druckgraphiken (um 1509/10 und 1512),

Nunmehr neigen - religiös motivierte - Künstler dazu, dieses Thema großteils abstrakt darzustellen, wobei ihre Interpretationen die Summe bekannter gültiger Auferstehungsszenen ausmacht. Noch immer ist mit diesem Hauptereignis, das die Basis des Glaubens verkörpert, keine Grenze gesetzt und wird wie einst gerne - weil ewig - in den Alltag verpflanzt. Bildwerke haben den Sinn, den Gläubigen Ereignisse visuell greifbar zu machen. Aber wäre es nun nicht doch an der Zeit, dass jeder Mensch versucht, seine eigene Vorstellung von der Auferstehung Christi zu entwerfen? Wir brauchen nur die Bibel aufzuschlagen …
Abgedruckt in: Neue Wochenschau für Alle, 7. April 1993 / Nr. 14, Seite 22 und 43
Gleiche Abbildungen, jedoch ergänzt, erneuert und farbig
Quellen (Auswahl)
- P. W. Hartmann: Kunstlexikon. [Maria Enzersdorf] 1996
- Hannelore Sachs - Ernst Badstübner - Helga Neumann: Erklärendes Wörterbuch zur christlichen Kunst. Hanau (Leipzig und Berlin), o. J. (vor 1976?)
- Wikipedia/Auferstehung Christi
- Hubert Schrade, Auferstehung Christi (Resurrectio Domini, Anastasis), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp. 1230–1240
Vergleiche
- Wissenssammlungen/Historische Bilder/Auferstehung Christi
- Community/Zeitgenössische Bildende Kunst/Kapfhammer, Wolfgang/Tod und Auferstehung
Siehe auch
- Ecce Homo! - Die Passion Christi als Gegenstand der bildenden Kunst (Essay)
- Noli me tangere in österlichen Bildwerken (Essay)
Ernst Lanz 1993/2019/2020/2023