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Albrecht Dürer und die Donauschule#

von Ernst Zentner

Die Kunstgeschichtsforschung teilt alles in Epochen ein. Von vorgeschichtlicher Kunst bis zur Moderne. Es gibt auch Zwischenstufen wie Rokoko, Klassizismus, frühe Moderne und so weiter. Wenn wir weiter zurückgehen gibt es Romanik, Gotik, Renaissance und von ihnen gibt es Früh- und Spätformen. So haben einige pfiffige Kunsthistoriker gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen Stilbegriff entwickelt, der möglicherweise auch eine Chimäre sein könnte: Donauschule. Der österreichische Kunsthistoriker Theodor von Frimmel-Traisenau (1853-1928) führte im April 1892 dank einer Dissertation des Berliner Kunsthistorikers Max J. Friedländer (1867-1958) über Albrecht Altdorfer diesen Begriff "Donaustil" (engl. Danube School) ein. Nun fortan war dieser Stil an Albrecht Altdorfers ureigensten Stil - vor allem in der Malerei - verknüpft.
Der aus Lüneburg stammende Hermann Voss (1884-1969; promovierte über Wolf Huber 1907) verfestigte diesen Begriff endgültig - allgemein und seither als Standard in der Kunstgeschichte. Im Sommer 1965 gab es dazu eine eigene - überaus erfolgreiche - Landesausstellung in Stift St. Florian und im Schlossmuseum Linz mit 600 Objekte. Natürlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten Einzelausstellungen zu dem Thema, vor allem die Künstler betreffend.
Ein Bindeglied zwischen der Spätgotik und der Renaissance. Sie umfasst eigentliche alle Facetten der bildenden Künste. Eigentlich war sie kein Mittelpunkt einer gewollten Stilrichtung im bayerischen Raum entlang der Donau und darüber hinaus. Eher eine künstlerische Auffassung, eine Eigenart, die ihre Ursprünge und Fortsetzung in der niederländische Malkunst hatte und vor allem von Albrecht Dürer angeregt wurde. Werke der Donauschule beinhalten beachtenswerte unnachahmliche Natur- und beachtliche Menschendarstellungen, ergänzt um architektonisches Beiwerk. Das Phänomen taucht in der donauländischen Kunstszene zwischen Spätgotik und bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts auf.
Werke finden sich auch in Salzburg und Kärnten, Gebiete die außerhalb des Donauraumes befinden.
Beim Betrachten dieser wichtigsten Werke widerspiegelt sich auch das Gedankengut des Manierismus.
Dominierend war immer die Reflexion mit der Landschaft, sei es Donautal oder Bergeshöhen sowie bizarre Walddarstellungen.
Fluss- und Seenlandschaften, Berge, Architekturen und Menschen hatten Künstler immer schon fasziniert.
Fast märchenhaft muten diese Landschaftsbildnisse an. Ein Blick in eine Welt, die vor einem halben Jahrtausend existiert hatte. Noch dazu religiös umrankt.
Zu den Hauptmeistern zählten Albrecht Altdorfer, Wolf Huber, Lucas Cranach, Jörg Breu, Rueland Frueauf d. J. u. a. Wichtige künstlerische Zentren waren Regensburg, Passau, Linz, Krems, österreichische Klöster wie St. Florian bei Linz, Melk und Göttweig sowie Klosterneuburg.

Sauhatz bzw. Wildschweinjagd, Rueland Frueauf der Jüngere, 1505
Sauhatz bzw. Wildschweinjagd, Rueland Frueauf der Jüngere, 1505; Stift Klosterneuburg - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Das Geschehen befindet sich unterhalb des Buchberges nahe Klosterneuburg - Der Wald dominiert vor dem kleinen See. Heute völlig zersiedelt
Grundsteinlegung des Stiftes Klosterneuburg beim Holunderstrauch, Markgraf Leopold III. von Österreich und Markgräfin Agnes, Rueland Frueauf der Jüngere, 1505
Grundsteinlegung des Stiftes Klosterneuburg beim Holunderstrauch, Markgraf Leopold III. von Österreich und Markgräfin Agnes, Rueland Frueauf der Jüngere, 1505, Stift Klosterneuburg - Foto: Wikipedia - Gemeinfrei. Landschaft, zeitgenössische Architektur und Menschen bilden eine Einheit
Das Martyrium des Hl. Sebastian, Albrecht Altdorfer, ca. 1509 bis 1516
Das Martyrium des Hl. Sebastian, Albrecht Altdorfer, ca. 1509 bis 1516, Öl auf Holztafel, ehem. Sebastiansaltar - Kunstsammlung Augustiner-Chorherrenstift St. Florian bei Linz. Andeutungen des Waldes, ein wolkiger Himmel und eine gotische Brücke, im Hintergrund eine Stadtburg und ein schmaler Bach bilden den Kontrast zu den Grausamkeiten, die an den Heiligen Sebastian begangen wurden. Die mit Pfeil und Bogen ausgerüsteten Folterer erinnern an osmanische Krieger …

Eine Besonderheit zeichnete sie aus: Sie lag eingebettet im Kunstwollen unter der Ära Kaiser Maximilians I. des letzten Ritters. Es war die Kulturepoche vor den Auswirkungen der Reformation. Die Angst vor einer weiteren Ausdehnung des Osmanischen Reiches lag über den Menschen. Aber es war auch eine Epoche, in der die Kirche an Autorität verlor, Hexenwahn und Judenverfolgung grassierten, in der ein beunruhigender Frühkapitalismus mit neuen Wirtschaftsformen herrschte. Dank der Entdeckung Amerikas (zuerst mit Indien verwechselt) begann 1492 die Neuzeit. Der in Nürnberg lebende und arbeitende Albrecht Dürer reflektierte seine Zeit (1498) mit einem 15 Bilder umfassenden Holzschnittzyklus der Apokalypse ...
Es war die Dürerzeit.

Bernhard Altar, Szene aus dem Leben des Hl. Bernhard, Jörg Breu d. Ä., 1500; Stiftskirche Zwettl
Bernhard Altar, Szene aus dem Leben des Hl. Bernhard, Jörg Breu d. Ä., 1500; Stiftskirche Zwettl, Waldviertel, Niederösterreich - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Im sakralen Bereich lebten viele Gemälde von der schroffen Offenheit dramatischer Ereignisse im christlichen Denken. Im Endeffekt lagen in ihren Inhalten, seien es in Form von Malerei, Zeichnung oder Druckgrafik, auch bizarre Darstellungen des Menschen inmitten theologischer und profaner Welten. Viele Menschendarstellungen sind bitterböse Parodien auf gängige Zeitgenossen um 1500. Dazu muss gesagt werden, dass Künstler oft auf Modelle zurückgegriffen haben, die aus der verarmten Schicht der Gesellschaft stammten oder als Behinderte ausgegrenzt wurden.

Altartafeln des Jörg Breu d. Ä., 1502
Altartafeln des Jörg Breu d. Ä., 1502; Stiftsmuseum Melk - Foto: Georges Jansoone, Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Die achte Tafel, ganz rechts unten zeigt in einem Ausschnitt eine Szene aus einem Albrecht Dürer-Bild
Hl. Georg kämpft gegen den Drachen, Albrecht Altdorfer, 1510
Hl. Georg kämpft gegen den Drachen, Albrecht Altdorfer, 1510; München, Alte Pinakothek - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Unglaublich der Wald dominiert in diesem Bild. Was ist unheimlicher der Wald oder der Drache?
Die Heilige Familie mit den drei Hasen, Holzschnitt, Albrecht Dürer, um 1496
Die Heilige Familie mit den drei Hasen, Holzschnitt, Albrecht Dürer, um 1496 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Hier im Hintergrund eine Landschaft (eine Flusslandschaft, wohl am Oberrhein?), etwas davor eine Architektur
Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, Lucas Cranach d. Ä., 1504
Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, Lucas Cranach d. Ä., 1504; Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Auch hier beherrscht die Natur die Szene

Das Donautal nahe Krems, Wolf Huber, 1529
Das Donautal nahe Krems, Wolf Huber, Stift und braune Tinte auf rötlichem Papier, 1529 - Kupferstichkabinett Berlin - Foto: Wikipedia Commons - Gemeinfrei. Diese einfache Zeichnung ist ein halbes Jahrtausend alt. Das Donautal dominiert. Der Wald verrät Spuren einer damaligen Klimaanomalie

Kanzel im Wiener Stephansdom, um 1490 oder 1515 von Anton Pilgram
Kanzel im Wiener Stephansdom, um 1490 oder 1515 von Anton Pilgram - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Beachtenswert an dieser Konstruktion ist das Maßwerk, die zarte Behandlung des Zierrats und unter der Treppe das betonte Rippengewölbe. Teilweise von der Machart der Donauschule beeinflusst. Und alles nur aus drei Steinblöcken

Innenraum der Pfarrkirche Waldburg, Oberösterreich. Flügelaltäre von Lienhard Krapfenbacher und seiner Werkstatt im Stil der Donauschule, 1517–1523
Innenraum der Pfarrkirche Waldburg, Oberösterreich. Flügelaltäre von Lienhard Krapfenbacher und seiner Werkstatt im Stil der Donauschule, 1517–1523 - Foto: Uoaei1, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
(Graue) Westempore (vor 1512?), Pfarrkirche Vöcklamarkt, Hausruckviertel, Oberösterreich
(Graue) Westempore (vor 1512?), Pfarrkirche Vöcklamarkt, Oberösterreich - Ausschnitt aus einem Foto: Carlo peppo, Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Auch in der Architektur spielte die Donauschule eine große Rolle: Sie bildet das Bindeglied zwischen Spätgotik und Renaissance im süddeutschen und alt-österreichischen Raum. Verspieltheit, zarte Formen, Grazie und Mut zum Experiment kennzeichnen ihre Kunstsprache. Die berühmte Kanzel im Wiener Stephansdom - mit dem Selbstportrait Anton Pilgrams, falls er es ist - wäre so ein Beispiel. Moderne Kunsthistoriker sehen in dieser eigenartigen Skulpturenanordnung mit umfangreichem theologischen Programm eher eine singuläre Erscheinung um 1490 oder um 1515 Sogar vergleichbar mit dem Maßwerkausstattung der Empore in der Pfarrkirche von Vöcklamarkt, angefertigt von Stephan Wultinger um 1512/1513.
In Pulkau im nördlichen Niederösterreich gibt es eine Filialkirche Hl. Blut. In ihr befindet sich ein spätgotischer Flügelaltar (um 1515/1525), der als Hauptwerk der Donauschule gilt. Die allgemeine Ausführung des Altar geht auf einem namentlich unbekannten Künstler zurück. Die Kunsthistoriker nennen ihn den Meister der Historia Friderici et Maximiliani bzw. dem Meister des Pulkauer Altars.[1]
Erwähnenswert wäre noch die Pfarrkirche Waldburg in Oberösterreich. In ihrem Inneren befinden sich drei bemerkenswerte spätgotische Flügelaltäre aus dem Jahr 1517 aus der Werkstatt Lienhard Krapfenbachers im Stil der Donauschule. Die Arbeiten sind künstlerisch wertvoll, da sie ein schönes Beispiel besten Volkstums sind.
Erwähnenswert wäre auch der deutsche Benedikt Ried, welcher in Böhmen für König Wladislaw (Jagiellone) tätig gewesen war. Seine eindrucksvollen Gewölbeentwürfe lassen Kenntnisse der donauländischen Architektur zwischen Passau und Wien vermuten. Überhaupt waren seine Bauten (im Hradschin und im Prager St. Veitsdom) originell und revolutionär für die damalige Zeit. Mit Ried, inspiriert durch die Donauschule, wurde die Renaissance in Mitteleuropa - und durch andere Baumeister - eingeführt.

Aber irgendwie haben die Künstler das gemacht vergleichbar dem Jugendstil der die erstarrte Kunstauffassung hinter sich gelassen hatte. Oder?

Albrecht Dürer und die Künstler der Donauschule. Zwei unterschiedliche Welten, die trotzdem zusammengehören. Sehen wir uns zum Vergleich zwei Bilder des Nürnbergers an:

Ansicht von Trient vom Norden (Italien), Albrecht Dürer, zwischen 1495 und 1500
Ansicht von Trient vom Norden (Italien), Albrecht Dürer, zwischen 1495 und 1500, Aquarell und Gouache; Kunsthalle Bremen, Kupferstichkabinett - Foto: Wikimedia Commons. Dieses Aquarell zeigt eine Flusslandschaft (Etsch bzw. Adige), Berge, wenn auch eine angedeutete Szenerie bei Trient. Sie nimmt diesen Stil der Donauschule vorweg

Weiher im Walde, Albrecht Dürer, Aquarell, um 1495
Weiher im Walde, Albrecht Dürer, Aquarell, um 1495; British Museum (Department of Prints and Drawings), London - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Auch hier die Dominanz der Natur … Erste Hinweise auf einen Klimawandel vor 500 Jahren?

Epilog:
Die grandiose Art des Donaustil in den Gemäldewerken und Perfektion im Stil der Alten Meister, vor allem das innere Programm, inspirierte eine Künstlergruppe, die bekannt wurde als Wiener Schule des Phantastischen Realismus: Arik Brauer, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Anton Lehmden, Helmut Leherb, Wolfgang Hutter sowie Kurt Regschek, Herbert Benedikt, Franz Luby, Richard Matouschek und Peter Proksch.

Copyright Ernst Zentner

Anmerkung:
[1] Abb. https://de.wikipedia.org/wiki/Pulkauer_Flügelaltar

Quellen

  • Otto Wutzel: Die Kunst der Donauschule (1490 bis 1540). Ausstellung des Landes Oberösterreich im Stift St. Florian und im Schlossmuseum Linz, 14. Mai bis 17. Oktober 1965, Katalog 1. bis 3. Auflage 1965, Linz 1965
  • Alfred Stange, Malerei der Donauschule, 1964
  • Die Kunst der Donauschule, Ausstellungskatalog St. Florian/Linz 1965
  • Raimund A. Ločičnik, Die Donauschule: Analyse ihrer Erforschung und Versuch einer neuen Grundlegung. Dissertation, Salzburg 1990
  • Romana Froeis-Schuler, Gedanken zum Stilbegriff "Donauschule" in der Plastik, Diplomarbeit, Innsbruck 1993
  • Donaustil von Margit Stadlober
  • Margit Stadlober: Der Wald in der Malerei und der Graphik des Donaustils, Wien, Böhlau 2006
  • Jochen Sander, Stefan Roller, Sabine Haag, Guido Messling (Hrsg.): Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500. Ausst. Kat. Frankfurt, Städel Museum, 5. November 2014–8. Februar 2015; Wien, Kunsthistorisches Museum, 17. März–14. Juni 2015. Hirmer, München 2014
  • Donauschule, Donaustil Das grosse Kunstlexikon von P.W. HartmannKunstlexikon