Kommt, wir gehen nach Bethlehem ... - Die Hirten in weihnachtlichen Kunstwerken#
Von Ernst Lanz
Die Weihnachtsgeschichte - Lukas-Evangelium - deutet jene Begebenheit mit den Hirten an. Aus theologischer Sicht versinnbildlicht der Hirte die auf Erlösung hoffende Menschheit ... Viele Künstler der vergangenen 1600 Jahre verfertigten dazu vorzügliche Sakralkunstwerke.
Auf frühchristlichen Kunstwerken war vorwiegend ein Hirte die erste Begleitperson bei der "Geburt-Christi"-Szene. Allgemein stützt er sich auf einem Stab oder erhebt überrascht die Hand. Später setzte sich eine symmetrische Anordnung der Figuren durch: Im Mittelpunkt die Gottesmutter mit dem Jesuskind, seitlich die Hirten und die heiligen drei Könige. Innerhalb der Ostkirchenkunst bildeten die Einzelszenen "Geburt Jesu", "Verkündigung an die Hirten" und "Anbetung der Könige" eine harmonische Einheit. Ganz selten waren selbstständige Darstellungen der "Hirtenverkündigung". Die Schafhüter auf dem Feld erblicken den machtvollen Engel - zuweilen umgeben von einem "himmlischen Heer" - und weichen erschrocken zurück. Oder der italienische Maler Taddeo Gaddi entwarf einen lichtumstrahlten Himmelsboten über der erwachten Hirtengruppe.
Längst bestanden Parallelen zu den drei Weisen. Allerdings inspiriert von der franziskanischen Frömmigkeit seit dem 13. Jahrhundert. Die Thematik "Anbetung des Kindes durch die Hirten" erwuchs in Italien des 14. Jahrhunderts. Manchmal schwankte die Anzahl zwischen zwei oder mehr Personen. Sie eilen vom Feld herbei, knien vor dem Jesuskind und reichen ihm Gaben dar. So blieb diese visuelle Auffassung bis heute bestehen. Legenden zufolge brachten die Schafhirten dem göttlichen Kind Eier, Milch und ein Lamm, dessen Beine gefesselt sind. Auf Bildwerken an der Wende zur Neuzeit finden wir ausführliche Schilderungen des einfachen Hirten- und Bauernvolkes. Mit der Zeit gestalteten renommierte Maler interessante genrehafte Milieubeschreibungen. Menschlichkeit stand an vorderster Stelle. In den zerfurchten Hirtengesichtern spielt sich Erstaunen über das Wunder der Menschwerdung Gottes ab. Das Kind erhellt mit einem imaginären Licht die Gesichter der versammelten Hirten. Oftmals durchschritten die Künstler die Bandbreite zwischen Realismus und Verklärtheit. So etwa der Flame Hugo van der Goes, der in seinem monumentalen Hauptwerk, dem Portinarialtar, derbe Gesellen zum Krippenstall platzierte. Vornehmer erscheinen da schon eher jene Gestalten im Altarbild Domenico Ghirlandaios. Sein Landsmann Correggio ließ halbbekleidete Hirtenfiguren in ausgelassener Fröhlichkeit vor der Heiligen Familie agieren. Correggios weltberühmte Version wurde auch unter dem Titel "Die Nacht" bekannt. Etwa ein Jahrhundert später erdachte Rembrandt van Rijn eine mit Laterne ausgerüstete Hirtengesellschaft. Während dem Barock beeinflusste das Anbetungsthema die plastische Krippenkunst - unzählige Objekte in Kirchen und Museen - und die volkstümlichen Krippenspiele.Brüder Limburg (Anfang 14. Jahrhundert): »Die Verkündigung an die Hirten«, aus dem Stundenbuch Les Très Riches Heures des Herzogs von Berry, 1413 - 16. Musée Condé, Chantilly
Jacopo Bassano (um 1510 - 1592): »Die Verkündigung an die Hirten«, um 1533. Öl auf Leinwand, 116 x 94 cm. Belvoir Castle, Grantham, Großbritannien
Hugo van der Goes (um 1440 - 1482): Mittelbild des Portinari-Altar, um 1475. Öl auf Holz, 253 x 304 cm. Galerie der Uffizien, Florenz
Robert Campin (um 1375 - 1444): »Die Anbetung der Hirten«, um 1430. Öl auf Holz, 87 x 70 cm. Musée de Beaux-Arts, Dijon
Pieter Aertsen (1508 - 1570): »Die Anbetung der Hirten«, 1550 - 1560. Öl auf Holz, 87 x 63 cm. Musée des Beaux-Arts, Rouen
Jacob Jordaens (1593 - 1678): »Die Anbetung der Hirten«, 1644. Öl auf Leinwand, 251 x 208 cm. Musée des Beaux-Arts, Lyon
Quellen (Auswahl)
Siehe auch
- "Gloria in excelsis Deo" - Das Wunder der Weihnacht in Beispielen der bildenden Kunst
- Anbetung der Könige
- Die Heiligen Drei Könige in Glanzlichtern der Kunst