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Alltagskultur#

Bild 'Alltagsmuseum1'
Bild 'Alltagsmuseum2'

1900 veröffentlichte der Wiener Ethnograph Michael Haberlandt (1860–1940) seine Aufsatzsammlung „Cultur im Alltag“. Dem ersten Satz des Vorworts gemäß - „Wir wurzeln alle im Alltag“ - widmete er sich darin Beobachtungen von kulturellen Innovationen seiner Zeit wie Zigarrenrauchen, Fahrrad, Tierschutz oder Feuerbestattung. 

Der langjährige Direktor des Österreichischen Museums für Volkskunde, Leopold Schmidt (1912-1981) gründete ein Institut für Gegenwartsvolkskunde, das 1973 bis 1992 in Mattersburg (Burgenland) bestand. Am Wiener Volkskundeinstitut beschäftigte sich besonders Helmut Paul Fielhauer (1937-1987) mit der Thematik. Ihn interessierten die kulturellen Bedürfnisse der arbeitenden Menschen und er verstand es, dies den Studierenden nahe zu bringen. Dazu zählten z.B. Heilkulturwissenschaft, Lebensweise der landwirtschaftlichen und Industrie-Arbeiter, städtische Lebensmittelversorgung. Fielhauer plante ein Alltagsmuseum in Wien, das er in Ansätzen in dem damals vom ihm geleiteten Bezirksmuseum Währing verwirklichte (Fotos). Seit 1975 finden sich Themen der Alltagskultur verstärkt als Dissertationen und Diplomarbeiten.  

Fiat Topolino, 1954, Foto: Wolf

2002 konstituierte sich auf Initiative der Oberösterreichischen Landesmuseen eine Projektgruppe "Alltagskultur seit 1945". Ihr Ziel war es, 2005 zum "Jahr der Alltagskultur" zu machen. In diesem Rahmen wurden in ganz Österreich zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen durchgeführt. Im Vorwort zum Begleitheft heißt es: "Jeder und jede ist hier Experte. Denn wir alle prägen durch unser Handeln, unseren Umgang mit bestimmten Gegenständen, durch die Art des Kommunizierens Kultur in ihrer alltäglichen Dimension." Wie die Autoren betonen, hat sich die Wissenschaft der Volkskunde von Anfang an mit Dingen des Alltags beschäftigt, wenn auch meist des vergangenen oder vergehenden bäuerlichen Alltags. Nach 1968 kam die Beschäftigung mit der Arbeiter- und Gegenwartskultur dazu: "Über Alltagskultur, die einmal als unbefragte Ordnung galt, wird heute geforscht und geschrieben. Der Alltag ist längst archiv- und salonfähig." Zu den Gegenständen, welche die Projektgruppe als signifikant für Österreich erkannte, zählen u.a. Steyr-Traktor, Meller-Ofen, Hornyphon-Kofferradio und Lohner-Roller.

2004 stand die Österreichische Volkskundetagung in St. Pölten unter dem Titel "Alltagskulturen". Im Eröffnungsreferat nannte der damalige Ordinarius Univ. Prof. Dr. Konrad Köstlin "Alltag" ein "Modevokabel in Kunst und Kultur ... jeder hat seine Vorstellung von ihm, die für gewöhnlich als Kontrastprogramm zum Fest gilt." Bernhard Tschofen erinnerte in seinem Vortrag daran, dass Alltag - wie Kultur - in Zeiten der Globalisierung zunehmend als fragmentiert erscheine. Deshalb sei es nur konsequent, von "Alltagen" und "Kulturen" zu sprechen: "Kultur und Identität im Alltag mehrfach relational zu denken und über Praktiken zu erschließen, ist das vermutlich einigermaßen konsensuale Ziel einer Kulturanalyse in der Nachfolge der Volkskunde."


Quellen:
Alltagskulturen (Tagungsband der Österreichischen Volkskundetagung 2004) Wien 2006. S. 21, 91 f.
Dinge des Alltags. Objekte zur Kultur und Lebensweise in Österreich seit 1945. Linz 2005

Bilder:
Ehem. "Alltagsmuseum" im Bezirksmuseum Währing. Foto: Helga Maria Wolf, 2015