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Helga Maria Wolf

Bauernregeln und Wetterbüchlein#

Titelblatt des Hundertjährigen Kalenders

Die Bauern haben die Bauernregeln nicht erfunden. Doch Landwirte waren und sind mehr als andere Berufe vom Wetter abhängig und daher an Prognosen über die Witterung besonders interessiert.

"Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi, und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie". Diesen Spruch kennt man in Stadt und Land. "Hier haben wir es mit der 'High Society' der Bauernregeln zu tun. Die Eisheiligen gehören sicher zu den bekanntesten 'Wettermachern'. Im Wesentlichen warnen alle diese Regeln vor den letzten Nachtfrösten im Frühling," schreibt der Meteorologe Thomas Wostal. In seinem Buch "Mythos Bauernregeln" hat er die Trefferquoten der wichtigsten Wetterregeln für Österreich ermittelt. "Aber auch die Prominenz der Bauernregeln untersuchen wir gnadenlos mit modernen Methoden. … Wir sehen eine recht markante Delle in der Temperaturkurve. Aber nicht zu den Eisheiligen zwischen 12. und 15. Mai, sondern etwa sieben bis zehn Tage später." Den Grund sieht der Experte in der gregorianischen Kalenderreform des Jahres 1582, durch die zehn Tage ausfielen. "Somit hat sisch der Termin für die Eisheiligen verschoben. Unsere Vorfahren waren also in diesem Fall sehr gute Wetterbeobachter."

Lostage, wie jene der Eisheiligen, spielten eine große Rolle bei den populären Prophezeihungen. Man meinte, vom Wetter dieses Tages das zukünftige ableiten zu können. Die bekanntesten sind Neujahr (1.1.), Dreikönig (6.1.), Lichtmess (2.2.), St. Matthias (24.2.), St. Markus (25.4.), St. Philipp und Jakob (3.5.), St. Johannes (24.6.), St. Jakobus (23.7.), St. Matthäus (21.9.), St. Michael (29.9.), St. Martin (11.11.), St. Andreas ( 30.11.), St. Nikolaus (6.12.) und die zwölf Tage zwischen Weihnachten und Dreikönig.

Die meisten Regeln stammen von antiken Astrologen. Sie schlossen aus den Bewegungen der Sterne auf das Wetter. Schüler des griechischen Philosophen Aristoteles sollen im 4. vorchristlichen Jahrhundert einiges richtig erkannt haben, etwa "Was sich im Westen zeigt, beachte genauer, denn stets bewährt sich des Westens Zeichenkraft". Seeleute haben die Erkenntnisse weitererzählt, ohne regionale Unterschiede zu beachten. Im Mittelalter durch Handschriften verbreitet, beschäftigten sich oft Mönche damit. Die Wettervorhersagen sollten bei der Planung der klösterlichen Landwirtschaft helfen. Die Erfindung des Buchdrucks, Mitte des 15. Jahrhunderts, führte in der Neuzeit zu einer Fülle von "Wetterbüchlein" und "Bauernpraktiken". Meteorologische Volksbücher gehörten neben der Bibel zu den meist verbreiteten Druckwerken. Eines der ersten Wetterbüchlein erschien 1505, erlebte 17 Auflagen, wurde auch ins Englische übersetzt und wirkte bis ins 19. Jahrhundert hinein weiter. Über den Verfasser des Bestsellers weiß man wenig. Er hieß Leonhard Reynmann und war wahrscheinlich Astrologe in Nürnberg. Bauernpraktiken und Volkskalender enthielten Heiligenfeste, Glücks- und Unglückstage, Kirchengebote, Wetterregeln, Lostage astrologische und medizinische Angaben.

Bis heute gelesen, und bisweilen belächelt, wird der "100-jährige Kalender". Sein Autor war der gelehrte Abt Mauritius Knauer (1613-1664), der dem fränkischen Zisterzienserkloster Langheim vorstand. Der Wissenschaft seiner Zeit entsprechend, ging er davon aus, dass die sieben "Planeten" - Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus und Merkur - das Wetter eines Jahres in bestimmter Weise beeinflussen. Daher nahm er an, dass dass sich die Witterung alle sieben Jahre genau wiederholt. Allerdings sah er Sonnenfinsternisse und Erdbeben als Störfaktoren an. 1652 bis 1658 stellte Knauer in einem eigens errichteten Observatorium astronomische Forschungen und Wetterbeobachtungen an. Er führte seine Aufzeichnungen mit großer Sorgfalt. Er schrieb: "Gerade jene Sternkundigen, die jährlich die Kalender zusammenstellen, hauen in der Regel so daneben, dass derjenige, der die Beschaffenheit der Witterung daraus abzunehmen sucht, sich notwendigerweise gründlich irrt und Schaden erleidet. Wenn nämlich die Voraussagen wirklich einmal zutreffen, so darf man ruhig annehmen, dass sie das nicht irgend einer Gelehrsameit, sondern nur dem Zufall zu danken haben, da durch Erfahrung bekannt ist, dass unter hundert Vorhersagen kaum eine zutrifft. Ich werde deshalb nur vorbringen, was ich mit meinen schwachen Kräften und durch die Erfahrung ergründen könnte."

Das "Calendarium oeconomicum practicum perpetuum" (oder "Bleibender Hauskalender") erschien mehr als eine Generation nach Knauers Tod im Druck. Der Erfurter Arzt Christoph Hellwig redigierte den Text. Erst 1720 bekam das Werk durch den Erfurter Verleger Weinmann den zügigen Namen „Hundertjähriger Kalender“. Im Lauf der Zeit wurden beim Druck auch Seiten verwechselt, sodass von der soliden Arbeit des Autors kaum mehr etwas übrig blieb. Von den Aufklärern als Aberglaube verteufelt, setzte die Ehrenrettung des "Hundertjährigen" erst im 20. Jahrhundert ein, mit dem Kommentar, dieser liefere "einen der großartigsten Beiträge zur Geschichte der Treppenwitze und Menschheitsirrtümer. Man bedenke,dass man nahezu 300 Jahre lang auf Prophezeiungen schwor, die eigentlich nichts anderes waren als Druckfehler!"

Auch der Wahrheitsgehalt und Sinn der sogenannten Bauernregeln wurde schon viel diskutiert. Sie finden sich schon bei Leonhard Reynmann und sollen in die Periode der Meistersinger im 14. Jahrhundert zurückreichen. Bauernregeln sind meist in Reimform gefasste Sprüche über das Wetter und seine Folgen für die Landwirtschaft. "Dreikönig ohne Eis, Pankraz (12.5.) weiß". Dazu schreibt Thomas Wostal: "Diese Regel scheitert an einer simplen Tatsache. Schnee im Mai ist selten, ganz besonders in tiefen Lagen." Hingegen hat am Jahresende "Ist's zu Silvester kalt und klar, dann kommt bestimmt ein neues Jahr" seine Logik. Dieses Beispiel zeigt auch, dass Bauernregeln zur Parodie verleiten.

Eine prominente ORF-Journalistin scherzte "Liegt das Huhn flach auf dem Teller, war der Traktor wieder schneller". Die AUVA-Kampagne knüpfte 2007 bis mit witzigen Plakaten an solche Sprüche an, wie: "Ein kleiner Sturz zur falschen Zeit, verursacht großen Schmerz und Leid", "Ist der Boden glatt wie nie, wird er leicht zur Rutschpartie." Die Versicherung führte den Rückgang der Arbeitsunfälle durch Sturz und Fall um 5 % auf diese Kampagne zurück. Zehn Jahre später verstanden die Bauern in Deutschland keinen Spaß: Anfang 2017 wollte die Umweltministerin mit einer Plakatkampagne eine Debatte über die Zukunft der Agrarpolitik in Europa anregen. Die „neuen Bauernregeln" lauteten etwa: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“ oder „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“. Die Landwirte zeigten sich von Inhalt und Form der Kampagne beleidigt. Sie forderten die Einstellung der Kampagne und eine Entschuldigung der Ministerin - was einige Tage später geschah. Die auflagenstärkste Gratiszeitung Österreichs bringt täglich auf der Umschlagseite einen aktuellen Wetterspruch, so am Faschingdienstag: "Heute treiben's die Narren wild. Das Wetter nicht, es wird wieder mild", oder am Aschermittwoch: "Heute beginnt die Fastenzeit. Die Somne macht sich schon bereit."

Erschienen in der Zeitschrift "Schaufenster Kultur Region", 2017