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Bräuche, alte#

Bild 'Braeuche_alte'

Bräuche passen sich dynamisch den zeitlichen Verhältnissen an und verändern flexibel ihr Erscheinungsbild. Nirgends überdauerte ein Brauch von den frühesten Zeiten bis zum heutigen Tag. Die frühe Volkskunde - gleichermaßen ein Kind der Romantik wie der Aufklärung - suchte nach dem Urzustand der eigenen nationalen Gesellschaft. In der Zeit der Entstehung der Nationalstaaten war dieses Bestreben ideologisch motiviert und sollte die Identität des Staates begründen helfen. Anderseits suchte man einen Gegenpol zur technischen und Industriellen Revolution und meinte, ihn in einer idealen "primitiven" Gesellschaft zu entdecken. Bürgerliche (Laien-)forscher (er)-fanden auf dem Lande so genanntes altdeutsches oder "uraltes" Brauchtum.

Die aus ihrem historischen Hintergrund erklärbaren Vorstellungen fanden nicht nur im 19. Jahrhundert begeisterte Anhänger, sie wurden auch von den NS-Ideologen vereinnahmt. Während sich die Europäische Ethnologie seit Jahrzehnten vehement davon distanziert und solide historische Forschung betreibt, sind die Vorstellungen vom "uralten Brauchtum" immer noch populär. Das Internet sorgt für ihre Verbreitung (z.B. Homepages von Perchtengruppen) Dafür fehlt jegliche gesicherte Überlieferung. Die mythologischen und esoterischen Erklärungsversuche werden durch keine geschichtlichen Quellenzeugnisse gestützt und sind wissenschaftlich längst erledigt. Beispielsweise haben Maibäume und Sonnwendfeiern nichts mit heidnischen, keltischen oder germanischen Bräuchen zu tun. Zwar stand schon am Wiener Babenbergerhof ein Maibaum, doch die flächendeckende Verbreitung setzte im 20. Jahrhundert ein. Dazu trug die nationalsozialistische Brauchtumspflege bei, die das Aufstellen als vermeintlich "uraltes Symbol der erwachenden Natur" für das ganze Reich anordnete. Licht- und Lärmbräuche zur Zeit der Sonnenwende lassen sich in Wien vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert aus Schilderungen, Rechnungen und Verboten nachweisen.

Erste gesicherte Spuren alter Bräuche führen in die städtische Festkultur, sie finden sich z.B. in Aufzeichnungen der Klöster und obrigkeitlichen Verboten. Der langjährige Direktor des Österreichischen Museums für Volkskunde, Leopold Schmidt (1912-1981), hat schon vor Jahrzehnten gezeigt, dass es sich bei alten Bräuchen "nur" um mittelalterliche handelt.


Quellen:
Alois Döring: Rheinische Feste durch das Jahr. Köln 2006. S. 217
Paul Hugger: Fest und Brauch - ewig jung, ewig aktuell. In: Feste im Alpenraum. Zürich 1997. S. 10 f.
Konrad Köstlin: Brauch. In: Brigitta Schmidt-Lauber, Manuel Liebig (Hg.): Begriffe der Gegenwart. Wien - Köln 2022. S. 39-48

Bild:
Der Tanz des Lungauer Samson geht auf barocke Fronleichnamsprozessionen zurück. Mauterndorf (Salzburg). Foto: Alfred Wolf, 2005


Siehe auch:
--> Monatskalender
--> Essay Verschwundene Bräuche ?