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Helga Maria Wolf

Ernte#

Wagen beim Wiener Erntedankest, Foto: Doris Wolf, 2013
Wagen beim Wiener Erntedankest, Foto: Doris Wolf, 2013

Mit der Ernte erreicht das landwirtschaftliche Jahr seinen Höhepunkt. Vom Erfolg hing das Überleben in den kommenden Monaten ab. Um der Freude über das Erreichte und auch dem Dank Ausdruck zu geben, gab es zum Abschluss Feste und Bräuche.

Geerntet werden Obst, Gemüse, Gras und auch Fische oder Holz, aber vor allem denkt man an die Getreideernte von Roggen (Korn), Weizen, Gerste und Hafer. Für Gras und Korn benützte man verschiedene Formen von Sicheln. Für das Grasmähen bürgerte sich im Hochmittelalter die Sense ein. Schmiede stellten die Klingen her, die anfangs kurzen, krummen Stiele fertigte man selbst an. Innovative Geräte kamen aus den Klöstern, vor allem die Zisterzienser arbeiteten selbst auf den Feldern. Dies führte zu einer Arbeitsteilung, durch die Sensen zum Werkzeug für Männer, Sicheln zum Gerät für Frauen wurden. Ein typisches Beispiel ist die „Sichelheilige“ Notburga von Eben (um 1265-1313). Sie kam nach der Überlieferung als 18-jährige Magd auf die Rottenburg (Gemeinde Buch bei Jenbach im Zillertal, Tirol), die damals ein wichtiges Verwaltungszentrum war. Die junge Frau war ein Vorbild an Treue, Frömmigkeit und Nächstenliebe. Nahrungsmittel, die auf der Burg übrig blieben, und die sie von eigenen Mahlzeiten sparte, brachte sie den Armen. Das war ihren Herren nicht recht und sie wurde entlassen. Notburga ging nun zu einem Bauern in Eben am Achensee in den Dienst. Sie hatte vereinbart, beim Vesperläuten mit dem Mähen aufzuhören, um die Kirche zu besuchen. Als der Dienstherr trotzdem die Fortsetzung der Arbeit verlangte, warf sie ihre Sichel in die Luft, wo sie auf wunderbare Weise an einem Sonnenstrahl hängen blieb. Der Bauer erschrak und ließ Notburga ziehen.

Auf den Meierhöfen des 18. und 19. Jahrhunderts bürgerte sich die Sense durch die Lohnschnitter ein. Als Wanderarbeiter kamen sie aus der Buckligen Welt in das Wiener Becken, aus der Slowakei, dem damaligen Oberungarn, auf die großen Gutshöfe des Marchfelds. Sie brachten ihre Sensen mit, die damals schon, in großen Mengen hergestellt, im Handel erhältlich waren. Ein Zentrum der Produktion bildeten die Orte an der Eisenstraße. Allein die „Waidhofener Sensencompagnie“ erzeugte im 18. Jahrhundert jährlich rund 360.000 Sensen und Strohmesser, dazu 200.000 Sicheln.

Leopold Schmidt (1912-1981) beschrieb in seiner „Volkskunde von Niederösterreich“ spezielle Geräte für verschiedene Getreidearten. Dazu zählte die Hafersense, „eine Art von Rechen, der im rechten Winkel vom Sensenblatt absteht und zum Niederlegen vor allem des gschnittenen Hafers dient.“ Er fand sie im Waldviertel, nördlich von Horn. In der Wachau waren die „Bledern“ üblich, „als eine Art Mahdrute, zwischen der und dem Sensenwurf ein Leinwandlappen aufgespannt ist.“ Eine Arbeitspartie bestand aus dem Schnitter (Mahder), der Aufnehmerin und der Bandlmacherin, welche die Garben mit einem aus Stroh geflochtenen Band zusammenfügte. Das Aufheben und Bündeln der „Wellen“ zu Garben besorgten Frauen mit bloßen Händen oder einer Sichel. Die Garben werden zum Trocknen auf den Boden gelegt oder als „Mandln“ zusammengestellt. Dabei halfen dann alle zusammen.

Im jüngst erschienenen Buch „Unser täglich Brot“ weckt der Historiker Wolfgang Galler Erinnerungen an die verschwundene Welt der Erntearbeiter, mit vergessenen Vokabeln, wie Wodl (Sensenstiel), Dengeln (Bearbeiten der Sensenblätter), Halmzieher (großer Rechen) oder Zehnermandl (Zum Trocknen aufgestellte Garben). Man lernt die Saisonarbeiter kennen, die auf die Gutshöfe und zu großen Bauernwirtschaften kamen. Sie wurden zu Peter und Paul (29. Juni) aufgenommen und erledigten pro Partie täglich ein Joch (5.755 m²). Der Tageslohn für die ganze Gruppe war ein Laib Brot, sechs Liter Wein und 100 Kilo Korn. Beim Weizenschnitt, der als schwerer galt, gab es zwei Brotlaibe, acht Liter Wein und 120 Kilo Korn. Den Abschluss der Arbeit feierten sie mit einem „Hallamasch“ (ungarisch: áldomás), zu dem Tanz und gutes Essen gehörte. Als feierliche Überhöhung entstanden daraus die (kirchlichen) Erntedankfeste mit dem Kranz- bzw. Kronensymbol.

Die Erntekrone ist eine Bügelkrone mit vier oder sechs Bögen, die auf einem Reifen sitzen und meist in einem Kreuz münden. Das meterhohe Metallgestell ist mit Getreide verschiedener Arten umwunden, das Kreuz an der Spitze meist aus vergoldeten Nüssen, gefertigt. Erntedankfeste, wie sie heute in den meisten Pfarren stattfinden, wurden durch dieVermittlung geistlicher Volksbildner wie Leopold Teufelsbauer (1886-1946) populär. Als Direktor des bäuerlichen Fortbildungswerkes in Hubertendorf bei Blindenmarkt zählten seine 115 Volksbildungskurse 1929-1935 fast 5000 Teilnehmer. Teufelsbauer widmete 1933 dem Erntedankfest eine Kleinschrift des von Pius Parsch (1884-1954) geleiteten Volksliturgischen Apostolats in Klosterneuburg. Darin schrieb er: „Wo kein Erntefest sich findet, sollte es in bäuerlichen Gegenden eine Ehrenaufgabe der Seelsorger, wie auch des standesbewussten Bauerntums sein, dieses schöne Fest einzuführen.“ Als Termin schlug er den Quatembersonntag Mitte September, in Weinbaugemeinden einen Sonntag im Oktober vor. Das Heft gibt ein Modell bis ins Detail, von der Einladung über Lieder und Texte, Herstellung der Erntekrone und Anregungen für das anschließende Dorffest. Üblicherweise orientiert sich das Programm der Erntedankfeste nach wie vor am Teufelsbauer-Modell: Festgottesdienst, Segnung der Erntegaben, Frühschoppen, Agape, Umzug mit der Erntekrone und rustikal geschmückten Wagen, Tanz und Unterhaltung. Gerne werden in das Festgeschehen Kinder einbezogen, die Körbe mit Früchten zum Altar bringen,

Der Ernte folgte später das Dreschen, mit Drischel und Muskelkraft. Dreschmaschinen kamen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Fotos der Arbeit beim Dampf-Lokomobil zählen zu den Klassikern in Bauernmuseen. 1956 wurde der erste, vom Traktor gezogene, Mähdrescher des Liechtenstein-Gutes Wilfersdorf noch bestaunt. Doch bald setzten sich selbst fahrende Modelle durch, und die Landwirtschaft war technisiert. Heutige Mähdrescher haben eine Schnittbreite bis zu 14 m, der Getreidetank kann 12 m³ fassen. Das Stroh wird zu Ballen gepresst oder gehäckselt. Der Fahrer ist in einer klimatisierten Kabine vor Staub, Lärm und Hitze geschützt. Die notwendigen Einrichtungen sind elektronisch gesteuert und der Bordcomputer führt den Mähdrescher über das Feld. Das Steuer braucht der Fahrer nur noch am Anfang und am Ende der Arbeit zu bedienen.

Erschienen in: Schaufenster Kultur.Region, 2012