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Helga Maria Wolf

Geschütztes Handwerk#

Neue Berufe entstehen, alte verschwinden. Damit handwerkliche Techniken nicht in Vergessenheit geraten, werden einige als "immaterielles Kulturerbe" von der UNESCO geschützt. Die Liste "Traditionelles Handwerk" der österreichischen Nationalagentur umfasst derzeit neun Eintragungen. Sie betreffen alle Lebensbereiche, wie Nahrung, Gesundheit, Kleidung oder Bauen.

Das Lesachtal (Kärnten/Osttirol) ist als "Tal der Mühlen" bekannt, bis zu 200 Wassermühlen sollen es gewesen sein. Auch heute mahlen einige Mehl, das den Grundstoff der Spezialität des Lesachtaler Brots abgibt. Das Wissen "vom Korn bis zum Brot" beginnt beim Getreideanbau und der Gewinnung des Korns, wobei der richtige Zeitpunkt des Säens und Erntens ausschlaggebend ist. Das Getreide aus biologischem Anbau wird nicht maschinell geerntet. Die wasserbetriebenen Mühlen arbeiten mit Sextener Urgestein, dessen besondere Struktur niedrige Umdrehungszahlen erlaubt. So erhält man besonders feines Mehl. Das einstige Insiderwissen der Bergbauern wird heute publikumswirksam verbreitet. Alljährlich im Herbst finden in Kärnten das Mühlenfest Maria Luggau und das Lesachtaler Dorf- und Brotfest statt.

Ernährung ist wichtig für ein gesundes Leben. Trotzdem kam man auch früher nicht ohne Arzneimittel aus. Das Wissen um die Herstellung apothekeneigener Hausspezialitäten und die dazu erforderlichen Gerätschaften stellen ein ursprünglich mündlich überliefertes, später in Rezepturbüchern aufgezeichnetes Fachwissen über Heilmittel und den Umgang mit der Natur dar. Österreichs ApothekerInnen verstehen dieses tradierte Wissen als Bestandteil ihres Kulturerbes.

Aus dem äußersten Westen bzw. Osten des Bundesgebietes kommen die Beispiele aus dem Bereich der Kleidung. Die Bodensee-Radhaube zeichnet sich durch ihr aus Gold- oder Silberfäden auf beiden Seiten in gleicher Qualität gefertigte Ornament aus. Trachtenträgerinnen rund um den Bodensee verwenden die Haube zu besonderen Anlässen und zu Repräsentationszwecken. Nur einige Haubenmacherinnen in Österreich, der Schweiz, Italien und Deutschland beherrschen die Technik der Herstellung. Diese wurde über 200 Jahre geheim gehalten und es gab keinen Fachausdruck für das - später "Laméspitze" genannte - Material. Auch heute bestehen keine schriftlichen Anleitungen zur Anfertigung der Hauben.

Indigo-Handblaudruck wird in Österreich nur noch von einer Firma im Burgenland hergestellt. Sie färbt Leinen, Baumwoll- oder Seidenstoffe mittels einer speziellen Reservedrucktechnik. Der Name "Indigo" kommt vom Ursprungsland der Technik, Indien. Beim Handblaudruck wird mit Holzmodeln ein "Papp" aufgetragen und mit echtem Indigo gefärbt. Nach mehreren Wochen Trocknungszeit zeigt sich ein weißes Muster auf blauem Grund. Die Länge des Färbevorgangs bestimmt den Farbton (zwischen blau und violett). Manche der Model aus Birnen- oder Lindenholz sind mehr als zweihundert Jahre alt. Über die Zusammensetzung des Papps (Gummiarabikum und Tonerde als Hauptbestandeteile) gibt es kaum schriftliche Aufzeichnungen. Den größten Aufschwung erlebte der Blaudruck im 17. und 18. Jahrhundert, als man typische Alltags- und Arbeitskleidung daraus nähte. Um 1880 gelang Adolf von Baeyer die Indigosynthese. Mit der künstlichen Herstellung, zunehmender Industrialisierung und Verwendung von Indanthrenfarben ging der Blaudruck immer mehr zurück. Die Blaudruckerei in Steinberg ist eine der letzten Europas.

Eine andere burgenländische Besonderheit war das Handwerk der Ofen- und Kaminmaurer. Es prägte die Gemeinden Neutal, Ritzing und Sigless. Da es auf Grund des Wandels von Ziegel- zu Stahlkaminen kaum noch Bedarf an klassischen Ofen- und Kaminmaurerarbeiten gibt, beschränken sich ihre Tätigkeiten in der Gegenwart auf Ausbesserungs- und Restaurierungsarbeiten. Die Spezialisten übernehmenn Supervisor-Aufgaben im Ausland, wo sie die Aufsicht über einheimische Hilfskräfte haben. Seit 2005 informiert das Museum für Baukultur in Neutal im Burgenland über den Beruf.

Niederösterreich ist mit drei aussterbenden Gewerben im UNESCO-Verzeichnis vertreten. In Ybbsitz blickt das Schmieden auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Manche Schmiededynastien, die in Anspielung auf ihr Handwerk und ihren beachtlichen Wohlstand als „Schwarze Grafen“bekannt waren, haben eine über 200-jährige Tradition. Neben der Überlieferung der Kenntnisse innerhalb der einzelnen Familien wird Wert darauf gelegt, das Schmiedehandwerk jungen Menschen auch auf anderem Wege weiterzugeben, etwa mit Kursen an der Hauptschule. Im Sommer versteht sich Ybbsitz als internationaler Schmiedetreffpunkt. Das Erlebnismuseum "Ferraculum Ybbsitz" und das "Haus Ferrum" bieten ein umfangreiches Programm und bei den Schmieden gibt es "offene Türen". Die Köhlerei ist eine Handwerkstechnik aus dem bäuerlichen Umfeld (Nebengewerbe) zur Erzeugung von Holzkohle. Mittels trockener Destillation wird Holz unter Luftabschluss erhitzt und mehrere Wochen durchgekohlt, wobei es in möglichst reinen Kohlenstoff umgewandelt wird. Traditionell hat sich das Köhlergewerbe vor allem in jenen Regionen entwickelt, wo durch die Montanindustrie erhöhter Bedarf an Holzkohle bestand. Mit der Gewinnung mineralischer Kohle und sinkende Transportkosten (durch die Eisenbahn) nahm die Bedeutung der Köhlerei ab. In Österreich gibt es ungefähr 15 Köhler, wobei das niederösterreichische Rohr im Gebirge ein regionales Zentrum bildet.

Im südöstlichen Niederösterreich nutzten die Pecher (Pechhacker) das Harz der Schwarzföhren (Schwarzkiefer oder Schirmföhre, Pinus nigra subspezies nigra var. austriaca) entlang der Thermenlinie und im Wiener Becken. Der Bestand umfasst dort mehr als 30.000 ha. Die Pecherei ist seit dem Mittelalter belegt. Sie erführt, wie der Handel mit Harz, ab dem 18. Jahrhundert spezielle Förderung. Im Steinfeld sind die damals angelegten Föhrenwälder landschaftsprägend. Das Harz diente zur Herstellung von Terpentinöl oder Kolophonium. Die Saisonarbeit begann im April und dauerte bis September: Die Bäume wurden mit speziellen Hacken eingehauen. Aus der Wunde rann das Harz durch Leitspäne (Scharten) langsam in einen Becher (Grandl). Nach vier bis fünf Wochen war ein Kilo Harz geflossen. Um einigermaßen leben zu können, musste ein Pecher 2.500 bis 3.000 Bäume bearbeiten, manche brachten es auf 5.000. Gab es 1960 rund 750.000 Pechbäume, werden heute nur noch 4.000 Kiefern genutzt.

Ferlach in Kärnten ist für die Erzeugung von Jagdwaffen berühmt. Der älteste Büchsenmacherbetrieb wurde 1752 urkundlich erwähnt, 1872 bildeten die Meister eine Genossenschaft. Die Produktion verlangt die Zusammenarbeit von Spezialisten: Schäfter gestalten die Holzarbeiten des Gewehrschaftes, Graveure sorgen für die Oberflächengestaltung der Metallteile und Büchsenmacher bringen die verschiedenen Teile in die notwendige Form. Manche Manufakturen erzeugen, wie vor 100 Jahren, aus Nussholz und Eisen handgefertigte Kippbüchsen nach historischen Vorlagen.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2013