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Helga Maria Wolf

Immaterielles Kulturerbe#

Die Falknerei und das Imster Schemenlaufen waren die ersten, die in Österreich Aufnahme in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes fanden.

Falknerei ist die Kunst, mit Vögeln (Falken, Habichte, Sperber, Bussarde, Geier und Adler) zu jagen. In China schon seit dem 7. vorchristlichen Jahrhundert bekannt, wurde die Beizjagd in Europa vor allem durch den "Falkenkaiser" Friedrich II. (1194-1250) kultiviert. Ausübenden bezeichnen das Zusammenspiel von Beizvogel, Jagdhund und Jäger als ideelles Erlebnis. Die Zuschauer erleben bei den Flugvorführungen eine "Show im traditionellen Kontext". So wirbt der Falkenhof Rosenburg für seine Darbietungen, die auch in historischen Kostümen und hoch zu Ross stattfinden. Seit 1987 beschäftigen sich Experten im Renaissanceschloss mit Greifvogelkunde, historischer Falknerei und Nachzucht der edlen Vögel. In Waldreichs im Waldviertel residierte schon anno 1364 der kaiserliche Falknermeister und Lehensritter Hanns Hager. Nun ist das - 1983 generalsanierte - Schloss Waldreichs Sitz des Forstamtes Ottenstein. Das Niederösterreichische Falknerei- und Greifvogelzentrum (mit dem einzigen Eulenpark Österreichs) umfasst einen Jagdfalkenhof mit Flugvorführungen und ein Museum. Es gilt als europäische Musteranlage für die Greifvogelzucht und ist ein Zentrum der Falknerausbildung. Die Adlerwarte Kreuzenstein bietet vor der Kulisse der romantisch historistischen Burganlage Flugshows und Falknerworkshops an. Die Falknerei zählt zu jenen Eintragungen, die für ganz Österreich gelistet sind - wie apothekeneigene Hausspezialitäten, Köhlerei, Märchenerzählen, Maultrommelspiel, österreichische Volkstanzbewegung und das Weihnachtslied "Stille Nacht".

Andere sind speziell niederösterreichisch, wie die Pecherei. Im südöstlichen Landesteil nutzten die Pecher (Pechhacker) das Harz der Schwarzföhren entlang der Thermenlinie und im Wiener Becken. Der Bestand umfasst dort mehr als 30.000 ha. Die Pecherei erfuhr, wie der Handel mit Harz, ab dem 18. Jahrhundert spezielle Förderung. Im Steinfeld sind die damals angelegten Föhrenwälder landschaftsprägend. Es entstanden Traditionen wie Dankmessen für den Patron, den heiligen Vinzenz (22. Jänner), Lieder über die Pecherei, Pecherfeste und -kirtage. Das Harz diente zur Herstellung von Terpentinöl oder Kolophonium. Die Saisonarbeit begann im April und dauerte bis September: Die Bäume wurden mit speziellen Hacken eingehauen. Aus der Wunde rann das Harz durch Leitspäne (Scharten) langsam in einen Becher (Grandl). Nach vier bis fünf Wochen war ein Kilo Harz geflossen. Um einigermaßen leben zu können, musste ein Pecher 2.500 bis 3.000 Bäume bearbeiten, manche brachten es auf 5.000. Gab es 1960 rund 750.000 Pechbäume, werden heute nur noch 4.000 Kiefern genutzt. Derzeit gibt es acht Pecher in Österreich und einen einzigen verarbeitenden Betrieb.

Auch ein anderer Beruf ist selten geworden. In Ybbsitz blickt das Schmieden auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Manche Schmiededynastien, die in Anspielung auf ihr Handwerk und ihren beachtlichen Wohlstand als „Schwarze Grafen“ bekannt waren, haben eine über 200-jährige Tradition. Neben der Überlieferung der Kenntnisse innerhalb der einzelnen Familien, legen sie Wert darauf, junge Menschen das Kunsthandwerk zu lehren, etwa mit Kursen an der Hauptschule. Im Sommer versteht sich Ybbsitz als internationaler Schmiedetreffpunkt. Das Erlebnismuseum "Ferraculum Ybbsitz" und das "Haus Ferrum" bieten ein umfangreiches Programm und bei den Schmieden gibt es "offene Türen".

Auf zwei weitere Besonderheiten kann Niederösterreich in der UNESCO-Liste verweisen. Der Perchtoldsdorfer Hütereinzug bezeichnet sich als größtes Erntedankfest Österreichs. Es beginnt mit der "Vorfeier" am Abend des Samstags nach St. Leonhard (6. November) und erreicht am Sonntag mit dem Hütereinzug seinen Höhepunkt. Dabei ziehen die "Hiata", junge Männer, mit ihren Familien in einem von der Blasmusikkapelle begleiteten Festzug zum Dankgottesdienst in die Kirche. Drei Hüter auf geschmückten Pferden reiten voran. Zentrales Element des Festzuges ist die "Pritschn", eine etwa 80 kg schwere "Erntekrone". Sie ist auf einer Stange befestigt, mit Eichenlaub und an der Spitze mit zwei goldenen Herzen aus Walnüssen verziert. Der Pritschenträger muss das Gestell beim Gehen drehen ("tanzen lassen"). Nach dem Gottesdienst wird dem Pfarrer ein Ständchen dargebracht. Anschließend begibt sich der Zug vor das Rathaus, wo sich die Ehrengäste und viele Zuschauer eingefunden haben. Mit der "Nachfeier" am Montag klingt das Fest im kleinen Kreis im Haus des Hütervaters gemütlich aus.

Eine archaisch wirkende Form wechselseitiger Versicherung besteht seit den 1850er Jahren in St. Oswald im Yspertal. Der Verein für gegenseitige Hilfeleistung ("Nebenleistung"), dem die Gemeindebewohner angehören, stellt bei Brandfällen in der Region in Form von Arbeitsleistungen, Naturalien oder Geld Hilfe zur Verfügung. Die Erneuerung der Mitgliedschaft erfolgt alljährlich am Johannestag (27. Dezember). Man findet sich im Gasthaus ein und stößt mit einem Achtel Wein an. Durch die Anwesenheit und diese Geste wird der Vertrag verlängert.

Erschienen in: Schaufenster Kultur.Region, 2013