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Helga Maria Wolf

Seife#

Hotelseifen waren ein beliebtes Souvenir. Foto: H. M.Wolf, 2020

Seife, das traditionelle Reinigungsmittel, war "schon immer" leicht herzustellen, nämlich aus den billigen jederzeit verfügbaren Materialien Fett und Holzasche. Erste Hinweise finden sich bei den Sumerern, die - zunächst zu medizinischen Zwecken - Fett und Pflanzenasche vermengten. Die Römer erkannten die reinigende Wirkung dieser Mischung. Sie verkochten gelöschten Kalk mit Asche und Ziegentalg. Daraus bildete sich an der Wasseroberfläche eine seifenähnliche Schicht. Im 7. Jahrhundert erfanden die Araber aus Öl und Lauge die erste echte Seife. Seit 1688 muss sie 72 % reines Öl enthalten.

Im alten Wien besorgten Angehörige der untersten Bevölkerungsschichten das Rohmaterial für die Seifensieder. "Banlstierer" suchten auf Mistplätzen nach Knochen, die das Fett lieferten. Der Aschenmann ist aus Ferdinand Raimunds Zaubermärchen "Der Bauer als Millionär" (1826) bekannt: Fortunatus Wurzel, der unverhofft reich wird, verliert Wohlstand und Jugend und muss sich als alter Aschenmann durchbringen. Dank der Hilfe aus dem Feenreich wird er wieder ein glücklicher Bauer. Das "Aschenlied" hat der Dichter selbst komponiert und auch die Rolle verkörpert. Das Kostüm des Aschenmanns war ärmlich. Unter dem Rock trug er ein Fürtuch (Schürze), auf dem Kopf einen breitrandigen Hut, auf dem Rücken eine Butte, in der Hand eine hölzerne Krücke. Aschenmänner gingen in einem bestimmten Rayon von Haus zu Haus und machten mit dem Ruf "(K)ein' Aschen" auf ihr Kommen aufmerksam. Mit der Krücke holten sie Holzasche aus dem Herd oder Ofen und füllten diese in ihre Butte. Sie zahlten ein geringes Entgelt und verkauften den Rohstoff an Seifensieder und Leinwandbleicher.

1839 gründeten acht Wiener Seifensieder die "Erste österreichische Seifensieder-Gewerks-Gesellschaft". Als Betriebsort sahen sie zuerst eine Unschlittschmelze in Penzing (Wien 14) vor, wo Tierfett verarbeitet wurde. Aus Unschlitt (Rindertalg) stellte man bis ins 19. Jahrhundert Kerzen her. Initiator der Firmengründung war der Fabrikant Wenzel Franz Mareda, (1805-1875), ein Marketinggenie. Er entschied, einen der ehemals berühmtesten Tanzsäle Wiens, den Apollosaal, in der Vorstadt Schottenfeld (Wien 7), zu erwerben um dort zu produzieren. Die davon abgeleiteten Markenbezeichnungen Apolloseife und Apollokerzen wurden in kurzer Zeit weltweit bekannt und die Artikel bis in die USA und nach Südamerika exportiert. 1845 beschäftigte der, inzwischen mit der Wiener Stearinkerzenfabrik fusionierte, Betrieb bis zu 300 Arbeiter und erzeugte 5200 Zentner Seife und 7000 Zentner Kerzen. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erweiterte die Firma ihr Angebot auf Glycerin, Margarine, Kokosfett und Parfümeriewaren. Ihr 1846 errichteter Filialbetrieb in Penzing (Wien 14) diente nach dem Ersten Weltkrieg bis 1939 als Produktionsstätte der Toiletteseife Marke Elida.

Die Wirkungsweise der Seife erklärt der amerikanische Chemieprofessor Robert Wolke in seinem Buch "Woher weiß die Seife, was der Schmutz ist?": "Jede Art von Seife ist das Produkt der Reaktion einer Fettsäure mit einer Alkalie - einer starken Lauge. Heutzutage werden Seifen … aus einer Vielzahl von Fetten und Ölen, wie dem der Palme, des Baumwollsamens oder der Olive hergestellt. … Bei den Alkalien, die man heute zur Seifenproduktion verwendet, handelt es sich üblicherweise um ätzendes Natriumcarbonat oder Natriumhydroxid. Auch Kalk ist eine gut geeignete Alkalie. … Seifenmoleküle sind lang und dünn. Bis auf ihr Vorderende sehen sie genau so aus wie Ölmoleküle und neigen deshalb dazu, sich mit Ölmolekülen zu verbinden. Ihr Kopfteil ist jedoch ist mit einem Paar elektrisch geladener Atome ausgestattet, die nichts lieber wollen, als sich mit Wassermolekülen zusammenzutun. Dieses Vorderende zieht also das ganze Seifenmolekül in das Wasser hinein wo es sich auflöst. … Ergebnis: Das Öl wird ins Wasser gezogen. Der ihm anhaftende Schmutzpartikel wird auf diese Art vom Körper oder Gegenstand abgelöst, an dem er bis dahin festklebte, und verschwindet im Abfluss."

Im 17. Jahrhundert verhalf der französische "Sonnenkönig" Ludwig XIV. mit seinem exzentrischen Lebensstil der feinen Seife zu einer Blütezeit. Seither blieb sie Generationen lang ein Luxusartikel zur Körperpflege. Wäsche wurde mit Asche, Sand und Soda gereinigt. Das erste "selbsttätige" Waschpulver entwickelte die deutsche Firma Henkel 1907 mit dem Namen Persil (NatriumPERborat und SILikat). Das erste vollsynthetische Waschmittel, Fewa (FEinWAschmittel) kam 1932, ebenfalls in Deutschland, auf den Markt. Eine österreichische Erfindung ist hingegen Zahncreme in Tuben. Die Firma Carl Sarg in Liesing (Wien 23) verkaufte als erste ab 1887 Kalodont-Zahncreme in verschließbaren Tuben. Der amerikanische Vorläufer von Colgate kam erst fünf Jahre später. "Kalodont" war vor dem Ersten Weltkrieg der führende Markenartikel und wurde für lange Zeit zum Synonym für Zahncreme.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2017