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Wein#

Wein

Bekannt ist die biblische Geschichte vom Erzvater Noah, der einen Ziegenbock beim Weinbeernaschen bemerkt hatte und dadurch zum "Erfinder" des Weinbaues wurde. (Vgl. Gen 9, 20 f. Num 13,23-24). Der älteste Nachweis von Wein(trauben) in Mitteleuropa gelang Archäologen in Stillfried (Niederösterreich). Es handelt sich um Traubenkerne von Kulturwein (Vitis vinifera), die nach der Radiokarbonmethode in das 10./9. Jahrhundert v. Chr. datiert wurden. In Franzhausen im Traisental (Niederösterreich) wurde in einem frühbronzezeitlichen Grab (8. Jahrhundert v. Chr.) ein  Weintraubenkern entdeckt. In der kroatischen Gemeinde Zagersdorf (Burgenland) kannte man Weinbau in der Hallstattzeit (700 v. Chr.) Ein Hügelgrab enthielt entsprechende Gefäße und drei Weintraubenkerne. Archäologische Funde belegen, dass die Kelten und Illyrer um 750 v. Chr. in Wien Wein bauten. Doch erst die Römer betrieben dies professionell. Marcus Aurelius Probus, der als 44-jähriger im Jahr 276 Kaiser wurde, soll den Weinbau in der Donauregion befohlen haben. Obwohl genaue Belege fehlen, benannte man deshalb in Heiligenstadt eine Gasse nach ihm. Kaiser Karl der Große (742-814), der sich um die Förderung der Landwirtschaft bemühte, ließ Weingärten anlegen und erließ zahlreiche Gesetze für die Winzer. Um die erste Jahrtausendwende setzten sich vor allem die Klöster für den Weinbau ein. Zwischen 1445 und 1447 wurden 75.760 hl Wiener Wein exportiert.

Im 16. Jahrhundert begründeten Wein- und Transithandel den Wohlstand Wiens. Der Weinbau erlebte im 17. Jahrhundert seine Blütezeit. Das Anbaugebiet reichte vom Wienerwald bis in die Vorstädte(z.B. Landstraße, Laimgrube, Alsergrund). Fast jeder Bürger, aber auch Bauern, Klöster und Landesherren besaßen Weingärten. Die Hauer waren gewerbsmäßig organisiert. Für den Weinbau galten eigene Gesetze: Die vier bis sieben Wochen dauernde Lese musste vor dem Fest des hl. Martin ("Martini", 11. November) abgeschlossen sein. Die Trauben wurden an Ort und Stelle zerstampft, die Maische kam in Bottichen in die Keller, wo der Wein nach der Pressung in Fässern lagerte. Fasszieher und Fuhrwerker brachten die für den Export bestimmten Fässer zur Donau, wo man sie zumeist bis Bayern transportierte. Der Ausschank war den Bürgern ohne Einschränkung erlaubt, den nichtbürgerlichen Weingartenbesitzern (Klöstern) nur in beschränkten Kontingenten. Ungarische und südländische Weine durften nicht importiert werden. Wiener Wein war stark besteuert. Zum Weinzehent, einer Naturalabgabe für den Landesfürsten und den Bischof, kam bei der Lese die Weinsteuer für die Stadt Wien. Mit dem Wachstum der Stadt nach der 2. Osmanischen Belagerung wichen viele Weingärten Bauparzellen oder barocken Parks. Der Heurige im heutigen Sinn geht auf Kaiser Josef II. (1741-1790) zurück, der 1784 den Ausschank und Verkauf eigener Lebensmittel in der Buschenschank regelte. 2019 wurde die Wiener Heurigenkultur in der Kategorie "gesellschaftliche Praktiken" von der UNESCO in die nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Im 19. Jahrhundert wurden im Sinne der Qualitätsverbesserung Weinbauschulen gegründet (Klosterneuburg, als erste der Welt, 1860). Ab 1867 führte Reblausbefall zu dramatischen Einbußen. Im Wiener Rathaus fand unter Bürgermeister Karl Lueger (1844-1910, Bgm. ab 1897) die erste Wien-Niederösterreichische Weinkost statt. Um 1900 erfolgten Innovationen in den Weingärten und Kellern. Nach dem 2. Weltkrieg ermöglichte die Umstellung auf Hochkulturen den Maschineneinsatz und damit gesteigerte Produktivität. Damals begann auch der Weintourismus, besonders in der Wachau (Niederösterreich) und im Burgenland. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor der Wiener Weinbau seine Reputation. Der Heurige war zwar populär, besonders bei den Touristen, aber die Restaurants offerierten keine einheimischen Qualitätsweine. Als Reaktion auf den Weinskandal der 1980er Jahre entstand ein strenges Weingesetz.

Im 21. Jahrhundert engagiert sich eine international orientierte Generation von Wiener Winzern für Qualitätsweine. Sie entdeckten die exzellenten Lagen (Nussberg) und Traditionen un belebten den "Wiener Gemischten Satz". Dabei werden in einem Weingarten mindestens drei Sorten gebaut, gemeinsam gelesen und gekeltert. 2013 erreichte der Gemischte Satz den DAC-Status und damit eine geschützte Herkunftsbezeichnung.

2023 wurde in Österreich 44.537 ha Weingartenfläche bewirtschaftet. 68 % sind mit weißen Rebsorten bepflanzt. Die meist angebaute Sorte ist der Grüne Veltliner (32,5 %), gefolgt vom Roten Zweigelt (13,7 %) und weißen Welschriesling (6,4 %). Der Pro-Kopf- Verbrauch lag bei 26,4 Liter.

Der Weinbau war früher besonders arbeitsaufwendig. Alte Berechnungen gehen davon aus, dass ein Hektar Weingarten 300 Arbeitstage und sechs zweispännige Zugtage erforderte, die gleiche Fläche Zuckerrüben jedoch nur ein Drittel und Getreidebau noch weniger. Im Frühjahr begann man mit dem Schneiden der Stöcke - seit rund 150 Jahren mit der Rebschere, zuvor mit dem Messer. Die Bearbeitung der alten Weingärten erfolgte mit Haue und Schaufel. Im März/April wurden die Reben gehauen und die Stecken eingeschlagen. Das zweite Hauen folgte im Mai, das dritte im Juni. Im Juni und Juli musste man binden. Im August wurden die Weinstöcke gestutzt, im September wieder gehauen, im Oktober folgte die Lese. Zwischendurch war das mehrmalige Spritzen mit Kalk und Kupfervitriol nötig. Wenn die Trauben reiften, traten die Weinhüter in Aktion. Die Männer wurden von der Gemeinde vereidigt, nächtigten in den Hüterhütten und achteten streng darauf, dass niemand Trauben stahl. Zu Martini feiert man die Weintaufe mit Weinpaten. An diesem Tag wird der junge Wein zum "Heurigen" und der bisherige Heurige zum "Alten". Ab dann darf man "Prost" sagen (wenn man mit Sturm anstößt: "Mahlzeit"). Um Martini finden auch die "Weintaufen" mit prominenten Paten und Segnungen statt. Zwei Arbeitsbräuche der niederösterreichischen Weinbauern haben Eingang in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes gefunden: Der Perchtoldsdorfer Hütereinzug und das "Greangehen" im Weinviertel.


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 956 f.
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd. 5/S. 600 f.
UNESCO
Film "Körndlbauern und Zegerltrager" von Anna Thaller, Andrea Müller und Helga Maria Wolf. Krems 2008
Österreichwein 2021 (Stand 31. Mai 2021)
Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen & Tourismus nach INVEKOS, 2021
"Kurier", 5.9.2023, 25.10.2023

Bild:
Weingarten auf dem Leopoldsberg, Wien 19. Foto: Alfred Wolf


Siehe auch:
--> Heimatlexikon
--> Heuriger
--> Weinhüter