''Im Dezember 2025 brachte KURIER TV eine Sendung pro und Contra Krampus/Perchten. Redakteur war Michael Baumgartner, MA. Er stellte mir neun Fragen: '' \\ \\
__ 1. Wie ist der Krampusbrauch entstanden ? __ \\
Der Krampus ist eine relativ harmlose Darstellungsart des Teufels, der in der Bibel als Widersacher Gottes gilt.
Der Krampus trägt ein Kostüm aus Fell oder Stoff, eine Maske mit Hörnern, eine Rute, eine Kette und oft große Schellen am Gürtel. Den Namen verdankt er seinen langen Krallen.Für die Schreckgestalt, die auch Klaubauf, Toife oder Bartl genannt wird, gibt es vor dem Ende des 16. Jahrhunderts keine Quellen. Die Krampusperchten mit ihren vielschichtigen Bräuchen erstanden erst vor ca. 60 Jahren.\\ \\
__2. Welchen "Zweck" hat der Brauch ? __ \\
Weil der Krampus selbst den Höllenfürsten darstellt, wäre es sinnlos, dass er "böse Geister verscheucht" oder - lang vor der Sonnenwende - den Winter austreibt. Auch mit "uralten heidnischen Fruchtbarkeitsriten" hat er nichts zu tun. Das sind längst überholte romantische Interpretationen der Brüder Grimm, die Volkskundler der NS-Zeit und noch später verwendet haben. Der Rücklauf wirkt bis in die Gegenwart, sogar auf den Internetseiten jugendlicher Aktivisten von Krampusperchtengruppen. Nie ist in den Quellen davon die Rede, dass die Akteure ihr Tun als "kultisch" angesehen hätten.\\
Der Zweck des Brauches war eindeutig ein katechetisch-pädagogischer. Er sollte den Gegensatz zwischen Gut und Böse sichtbar machen, wobei der hl. Nikolaus das Gute darstellt. Als positive, helle Gestalt beschenkt er "gute" Kinder, das Bestrafen der "bösen" überlässt er seinem dunklen Begleiter. Es handelt sich um eine "typische barocke Schwarz-weiß-Kontrastierung", wie Leopold Schmidt, der langjährige Direktor des Volkskundemuseums, festgestellt hat.\\
Die Motivation moderner Krampusse ist oft Kameradschaft, Gemeinschaftserlebnis und der Spaßfaktor. Dabei spielen auch Adrenalin, Alkohol und Erotik eine Rolle. \\ \\
__3. Wie hat sich der Brauch verändert ? __ \\
In der Barockzeit entwickelten sich - in der Nähe von Klöstern, die im Sinne der Gegenreformation geistliche Schauspiele initiierten - Nikolospiele als Umzugsspiele. Beim Mitterndorfer Nikolospiel war z.B. das Benediktinerkloster Admont (Steiermark) federführend. Eine Gruppe von Burschen zog durch den Ort und führte in den Höfen bzw. Gastwirtschaften ihr Stubenspiel, eine Art bäuerlichen "Jedermann", auf. Dieser "psychodramatische Religionsunterricht" bestand aus einer revueartigen Aneinanderreihung katechetischer Szenen.\\
Von den modernen Umzügen war das weit entfernt. In Wien und Niederösterreich (z.B. Retz 1786 Tod und Teufel) entwickelten die Krampusse ihr Eigenleben. Sie prügelten Kinder und Erwachsene mit Peitschen, erschreckten besonders gerne junge Mägde. Zur Zeit der Aufklärung wurde das Krampustreiben von kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten verboten. \\ \\
__ 4. Wie hat sich das Phänomen in den letzten Jahren entwickelt ? __\\
Organisierte Umzüge von Krampusperchten sind eine junge Erscheinung.
Um die Jahrtausendwende gab es im Bundesland Salzburg ca. 160 Gruppen, "Passen" genannt, jetzt dürften es um die 500 sein. Auch in Tirol und Bayern ist eine Zunahme der Gruppen zu beobachten.\\
Sie haben unterschiedliche ideologische Ausrichtungen, die von "Brauchtum" bis zum Event reicht. Die Anifer Krampusse haben das Motto "Modernität und Brauchtum" gewählt. Charakteristisch sind die Fellkostüme, schaurigen Masken mit etlichen Hörnern und einem Gürtel mit großen Schellen. Als wertvollste gelten die schweren, geschnitzten sog. "Brauchtumsmasken", sog. "moderne Masken" sind leichter. "Futuremasken" haben ihre Vorbilder in Filmen (Horror, Fantasy, Herr der Ringe…) sind oft aus Plastik, haben LED-Lichter als Augen, brutale und Ekel-Elemente. Jeder Krampus muss sich seine Ausrüstung selbst finanzieren. \\
1966 gründete der Tapezierermeister Hans Brugger im Salzburger Stadtteil Gnigl die
"Alt Gnigler Krampus Perchten Pass". Jetzt ist sein Sohn Hannes Obmann, dem ich viele Informationen verdanke. 50 Mitglieder, Männer und Frauen (!), aus drei Generationen sind aktiv. Heuer feiern die Altgnigler ihren 50. Krampuslauf mit dutzenden Gastgruppen aus Österreich, Bayern und Südtirol. Umgekehrt treten sie selbst an anderen Orten, z.B. in München oder Los Angeles auf.\\
1976 entstand in Anif mit Unterstützung der Salzburger Heimatpflege eine organisierte Krampusgruppe. Die derzeit 40 Mitglieder legen Wert auf geschnitzte Masken und echte Fellkostüme. Während sie beim Lauf, Auftreten in Gasthäusern und Hausbesuchen die "Tradition" betonen, ist ihre "AK"-Show ein Event für jugendliches Publikum. Bei limitiertem Kartenverkauf ist sie stets ausverkauft. \\
In den 1970er Jahren liefen in der Krampusnacht in 120 Ortschaften im mittleren und östlichen Niederösterreich Krampusrudel umher. Sie waren aber nicht organisiert, trugen einfache Masken aus Papier - keine kunstvoll geschnitzten wie ihre Salzburger Kollegen - und alte schwarze Mäntel statt der Fellkostüme.\\
Um die Jahrtausendwende entstand in Altenmarkt im Pongau (Salzburg) eine Krampusgruppe. Sie dürfte so wild gewesen sein, dass sich keine Versicherung bereit fand, das Risiko zu tragen. Die Bevölkerung scheint das bedauert zu haben und sie motivierten die Aktivisten, zum 25-Jahr-Jubiläum wieder aufzutreten. Das Bemühen hatte Erfolg, nachdem sich die Krampusse verpflichteten, die behördlichen Auflagen für Veranstaltungen einzuhalten. Nun war auch die Versicherungsfrage kein Problem mehr.\\
Hingegen führten Kompetenzstreitigkeiten in Hallein zur Absage des Krampuslaufs. Bisher war die Stadtgemeinde für die Auflagen (Notstrom, Fluchtwegtafeln etc.) zuständig. Jetzt sollte das Sache der Bezirkshauptmannschaft sein, die weitere Forderungen stellte. Doch gilt die betreffende Gesetzesnovelle noch gar nicht. Es geht u.a. darum, dass es für Veranstaltungen über 2000 Personen keine Ausnahmegenehmigungen mehr geben soll. Die ausführende "Igonta Pass" will den Krampuslauf 2026 wieder durchführen.\\
Inzwischen fehlt in kaum einem Fremdenverkehrsort ein "Krampuslauf" oder "Perchtenlauf". Damit verändert sich auch das Auftreten. Gruppen, die "sich verkaufen", müssen auf das Publikum Rücksicht nehmen, das - hinter Absperrungen - die Rolle der Zuschauer einnimmt und nicht "mitspielt". Wenn viele Passen teilnehmen, ähnelt der Umzug einer Parade. Manche Gruppen kommen als Attraktion in städtische Einkaufszentren, Diskotheken usw. Oft bieten sie ein artistisches Programm, Showeinlagen und arbeiten mit pyrotechnischen Effekten. \\
Krampusperchten sind Teil einer vielschichtigen Jugendkultur. Die Mitglieder - meist junge Männer - bilden eine eingeschworene Gemeinschaft. Im Schutz der Maske ist vieles möglich, was im Alltag verpönt ist, z.B. Gewalt. Anrempeln und Umwerfen von Zuschauern, Schläge mit Ruten und Pferdeschwänzen gehören dazu. Auch die erotische Komponente spielt eine Rolle. \\
Während z.B. bei den Anifer Krampussen nur Männer auftreten, gibt es in besonders in Kärnten und der Steiermark etliche rein weibliche Krampuspassen.\\
2015 hat Hollywood den Krampus für einen weihnachtlichen Horrorfilm entdeckt. Seither gibt es auch in den USA Krampusgruppen. \\ \\
__5. Steigt die Beliebtheit von Perchtenläufen ?__ \\
Es gibt immer mehr Gruppen, sodass sich die Saison verlängert. Die ersten Veranstaltungen finden schon im November statt.
Für die Ausstattung ist ein neuer Wirtschaftszweig entstanden. \\ \\
__ 6. Warum sind uns Menschen allgemein Bräuche/Rituale wichtig ?__ \\
Menschen brauchen Rhythmen, z.B. einatmen und ausatmen. Feste und die damit verbundenen Bräuche bringen Würze in den Zeitbrei des Alltags. Goethe hat treffend formuliert: "Tages Arbeit, Abends Gäste - Saure Wochen, frohe Feste." Das Verb "brauchen" ist verwandt mit "genießen, Nahrung aufnehmen", ein Brauch wäre demnach so notwendig wie das Essen. Zu betonen ist, dass Bräuche hybrid und flexibel sind. Sie entstehen aus unterschiedlichen Motiven und sind wandelbar. Besuche der Krampusse waren Teil der "schwarzen Pädagogik" und sind in der Erlebnisgesellschaft zum Event geworden. Internet und soziale Medien spielen eine Rolle. Die Änderungen merkt man einmal mehr, einmal weniger. Ein immer gleiches, sogenanntes uraltes Brauchtum existiert nicht. Und hat es nie gegeben. \\ \\
__7. Was ist der Unterschied zwischen Krampus und Perchten ?__ \\
Wenn man es genau nimmt, macht der Termin den größten Unterschied. Krampusse kommen traditionell am Nikolaus-Vorabend (5. Dezember), im Advent. Die Bezeichnung "Percht/Bercht" deutet auf den Festtermin Epiphanie am 6. Jänner hin, also einen Monat später. Dreikönig markiert den Beginn der Faschingszeit. \\
Frau Percht als Maskengestalt verkörperte die leuchtende Personifikation des Epiphanie-Festes wie auch seine Verkehrung ins dunkle Gegenteil. Im Perchtenbrauch verbinden sich unterschiedliche europäische Einflüsse. \\
Ein Salzburger Foto aus dem Jahr 1906 zeigt eine Schiachperchten-Gruppe mit hässlichen Maskengestalten, mehrere Krampussen, Hexen und dörflichen "Typen" wie Rösselreiter oder Scherenschleifer.\\
Im Gegensatz dazu stehen Schönperchten, wie die Gasteiner Tafelperchten. 1837 waren sie "die" Attraktion beim Besuch des Kaisers Ferdinand, der in Gastein zur Kur war. Nationale Strömungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten zur Pflege. Der Zug besteht aus 140 Figuren, deren markanteste 30 Tafelperchten sind. Die Aufbauten, die sie auf dem Kopf tragen ("Kappen") sind ca. 2 m hoch und 50 kg schwer. Damit gehen sie an zwei Tagen je ca. 15 km. \\ \\
__ 8. Gab es schon immer einzelne Gewaltexzesse bei derartigen Veranstaltungen (seitens Läufer und Publikum) ?__
Im 18. Jahrhundert sahen die Salzburger Erzbischöfe in den Maskierungen Gelegenheiten für revolutionäre Handlungen, Unruhe und Unsittlichkeit. Man hielt die Maskengestalten für unzeitgemäß und sah darin Anlass für ungehörige Späße, Streitigkeiten und Unmoral. Schriftsteller nannten die Krampusbesuche „heidnisch und eines wahren Christenmenschen unwürdig." Ein Jahrhundert später wirkte das angeblich Heidnische besonders attraktiv.\\
Auch Rivalitäten zwischen den Burschen wurden ausgetragen. Heute sehen die Krampusse Davonlaufen, Kräftemessen , Rempeln (Ein Schaukampf konkurrierender Gruppen), Umwerfen usw. Teil des Spiels. \\
Für die Altgnigler ist Information ein wichtiger Teil ihrer Vereinsarbeit. Das beginnt schon im Kindergarten, wo der "Krampus-Streichelzoo" den Kleinsten die Angst nimmt. Die Erwachsenen werden vor übermäßigem Alkoholgenuss gewarnt. Die Pass pflegt enge Zusammenarbeit mit der Polizei, die Läufe sind behördlich genehmigt und entsprechen dem Veranstaltungsgesetz. Manchmal kommt es trotzdem zu Anzeigen wegen beschädigter Handys, wenn sich Zuschauer zu nah an die Krampusse wagen. \\
Alle Jahre wieder kann man in den Zeitungen von Ausschreitungen lesen. Z.B. kam es im Vorjahr bei einem "Perchtenlauf" im Tiroler Oberland zu einer Massenschlägerei mit 50 Personen, von denen etliche verletzt wurden. \\ \\
__9. Wie sehen Sie den "Krampuslauf der Zukunft"?__
Alles ist möglich. Bräuche ändern sich. Auch Krampusse sind Spiegelbild der Gesellschaft. Der Altgnigler Obmann meint, die ganze Gesellschaft brauche mehr Respekt. Das würde sich positiv auf den Krampuslauf der Zukunft auswirken. Bei Gastauftritten, wie im Wiener Prater, wird die Familienfreundlichkeit betont. \\ \\
__Quellen:__ \\
Matthäus Rest, Gertraud Seiser (Hg.): Wild und Schön. Der Krampus im Salzburger Land. Wien 2016 \\
Salzburger Nachrichten 23.10. 2025, 10.11.2025\\
Gespräch mit Hannes Brugger, Alt Gnigler Krampus Pass, am 25.9.2025\\
Informationen von Dr. Michael Greger, Salzburger Landesinstitut für Volkskunde\\ \\
[hmw|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Wolf_Helga_Maria_(Volkskunde_und_Hauptherausgeber)]
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