__ Helga Maria Wolf__ \\ \\ 

!!! "Glück herein, Unglück hinaus" 


[{Image src='Weihrauch Nussdorf.jpg' height='250' class='image_left' alt='Weihrauchgefäße Pfarre Nussdorf. Foto: Doris Wolf' width='76'}]


Rauhnächte oder "Zwölften" nennt man die unheimliche "Zeit zwischen den Zeiten" um die Jahreswende. Meist handelt es sich um die zwölf Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag oder zwischen dem alten Thomastag und Neujahr. Die wichtigsten Termine waren die Thomasnacht (Wintersonnenwende, 21./22. Dezember),  Weihnachten (24./25. Dezember), Silvester (31. Dezember/1. Jänner) und Dreikönig (5./6. Jänner). Sie galten als unfallträchtig. Es bestanden Arbeitsverbote für Tätigkeiten wie Holzspalten, Pferde beschlagen, Forstarbeiten, Schlachten oder Spinnen. Man sollte auch keine Wäsche waschen bzw. zum Trocknen aufgehängt lassen. 

In Niederösterreich - wie auch in Bayern und Tschechien -  war eine weibliche Sagengestalt bekannt, die man "Samper" nannte. Eine Waldviertler Sage erzählt von einer Magd, der in der Dreikönigsnacht die mit einem blauen Mantel gekleidete Samper begegnete. Spinnverbot, Genuss der fetten Festspeisen und Verkehrung von Fluch zu Segen sind die Motive der Geschichte, an deren Ende die Magd Goldfäden spinnen kann. Im Mostviertel sagte man, die Samper tanze auf der Tenne. Im Erlauftal war noch in den 1970er-Jahren die "Sampermilch" als Orakel Brauch. Am Abend vor dem Dreikönigstag aßen die Hausgenossen Milch mit eingebröckelten Semmeln aus einer großen Schüssel. Nachdem sie etwas übrig gelassen hatten, legte jeder seinen Löffel so auf den Rand der Schüssel, dass er in Schwebe blieb. Fand man ihn am Morgen heruntergefallen, würde derjenige das Haus verlassen oder sterben. Zeigten sich am Morgen auf einem der gesäuberten Löffel Milchspuren, sagte man, die Samper hätte damit gegessen, und deutete dies als Glück bringend. 

In den langen Nächten des zu Ende gehenden Jahres pflegte man vielerlei Orakel, um einen Blick auf das Schicksal im kommenden zu werfen. Von besonderem Interesse schienen der Ernteertrag, Leben und Tod und Hochzeiten. Am günstigsten für die magische Zukunftsforschung sollten die Zeit zwischen Sonnenuntergang und -aufgang, im Zwielicht oder zur "Geisterstunde" um Mitternacht sein. Als bevorzugte Orte galten Herd, Bett, Haustor, Brunnen, Grenzen oder Kreuzwege. Die Bedingungen mussten vom Alltäglichen abweichen: Schweigen, Bewegungen verkehrt oder rückwärts machen, bestimmte Handlungen dreimal vornehmen. Nahezu unerschöpflich schienen die Mittel und Gegenstände, die als Zukunftskünder dienten, wie Feuer, Wasser, Mineralien, Metalle, Tiere, Nahrungsmittel, Gebrauchsgegenstände. Im Hinblick auf das bäuerliche Wirtschaftsjahr wählte man gerne Pflanzen. So sollten etwa zwölf Zwiebeln das Wetter der nächsten zwölf Monate verraten.

Angeblich wollten viele junge Frauen erfahren, ob und wen sie im kommenden Jahr heiraten würden. Für sie begannen die magischen Handlungen bereits in der Andreasnacht (30. November). Da wurde der Apostel gebeten, den Zukünftigen im Traum erscheinen zu lassen. Andere warfen Apfelschalen - um daraus den Anfangsbuchstaben eines Namens zu erkennen -oder einen Schuh hinter sich. Zeigte die Spitze zur Tür, bedeutete es, den Haushalt zu verlassen und einen eigenen zu gründen. Doch nicht nur Mägde auf dem Land waren "abergläubisch", auch die BürgerInnen in der Stadt. Im alten Wien vertrieb man sich mit Orakelspielen ("Lösseln" - Losen) die Zeit vor der Christmette. Als letzter Rest dieser Bräuche ist das Bleigießen zu Silvester geblieben.

Die Rau(ch)nächte sind wohl nach dem Ausräuchern benannt, das Segen bringen und Unheil abwehren sollte. In jüngster Zeit schätzen sowohl esoterisch Interessierte Räucherungen, andererseits bestätigen Forschungen die therapeutische Wirkungen der wohlriechenden Harze der Weihrauchbäume (Boswellia sacra). Traditionell gab man auf eine Schaufel oder in eine Pfanne Glut und dazu Weihrauchkörner, Wacholder, geweihte Kräuter oder Teile des Palmbuschens. Weihrauch fand schon bei vorchristlichen Mysterien und im antiken Herrscherkult Verwendung. Ebenso waren Weihrauchopfer in Ägypten und Palästina üblich, das Alte Testament berichtet davon (z.B. in Psalm 141). Das Christentum übernahm den Rauchbrauch. Weihrauch galt als apotropäisch, reinigend-bewahrend, ehrend und feierlich. Die Beeren und Nadeln des Wacholders ("Kranebitt") enthalten ätherische Öle. Der frisch und holzig riechende Wacholder-Rauch gilt als reinigend und desinfizierend, im Mittelalter auch als vorbeugendes Mittel gegen ansteckende Krankheiten: "Nehmt Kranebitt und Bibernell (Anis), packt euch die Seuche nicht so schnell." Gesegneten Kräutern sprach man in der populären Medizin Wirkung für und gegen alles zu. Für besonders hilfreich hielt man die zu Maria Himmelfahrt gepflückten und zur Kräuterweihe gebrachten Pflanzen und den Palmbuschen. Betend und segnend ging der Hausvater, begleitet von Familie und Gesinde, mit dem Räucherwerk durch Haus und Hof, die Bäuerin sprengte Weihwasser (Dreikönigswasser) aus. Ein bekannter Spruch dazu lautet: "Glück herein, Unglück hinaus".  \\ \\

Erschienen in den Niederösterreichischen Nachrichten, 2016
















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