!!!In der „windischen“ Vorstadt  

!Fast ein Drittel der steirischen Bevölkerung in  der Donaumonarchie sprach Slowenisch.  Der Großteil lebte in der alten Untersteiermark,  viele Tausende kamen aber auf der Suche nach  Arbeit auch in die Landeshauptstadt.    

''Von [Robert Engele|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Engele,_Dr_Robert_(Geschichte)] mit freundlicher Genehmigung der [Kleinen Zeitung|http://www.kleinezeitung.at]''

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[{Image src='Johann-Puch.jpg' class='image_left' caption='Janez Puh kam  wie viele andere  slowenische  Steirer in die  wachsende Landeshauptstadt Graz\\KK' alt='Janez Puh'  width='225' height='349' popup='false'}]



Als 1910 die letzte Volkszählung  der K.-u.-k.-Monarchie  stattfand, sollte festgestellt  werden, welche Umgangssprache  die Menschen verwendeten.  In der Steiermark – damals noch  mit der erst nach dem Ersten  Weltkrieg abgetrennten Untersteiermark,  die heute zu Slowenien  gehört – gaben 983.252 Bewohner  Deutsch als Umgangssprache  an, 409.684 aber Slowenisch.  Das bedeutet, dass fast 30  Prozent der steirischen Bevölkerung  Slowenen oder „Windische“  waren.  

Kein Wunder, dass in Graz bereits  1811 die weltweit älteste slowenische  Lehrkanzel errichtet  wurde, die von 1812 bis 1813 der  Dichter Janez Nepomuk Primic  innehatte. Schon 1810 war in Graz  die „Societas Slovenica“ gegründet  worden, womit die Anfänge  einer wissenschaftlichen Slawistik  (Slowenistik) gelegt waren.  Zugleich wurde die Universität  aber auch zur „Keimzelle“ der  slowenischen und kroatischen  nationalen Erneuerungs- und  Widerstandsbewegung. Damals  ging es wie bei den deutschnationalen  Studenten in erster Linie  um die Befreiung von den absolutistischen  Fesseln. Später erst trat  der  nationale Gedanke entscheidend  in den Vordergrund.  

Mit der Eisenbahn, die 1844 im  Westen der Murvorstadt gebaut  wurde, kamen auch die Fabriken.  Und mit ihnen die ghettoähnlichen  Arbeitersiedlungen. Damals  wurde die Murvorstadt (die  heutigen Bezirke Gries und  Lend) zur neuen Heimat der Arbeit  suchenden Zuwanderer aus  der Untersteiermark. Als „Windische“  stigmatisiert gehörten  die Slowenen mehrheitlich den  unteren Bevölkerungsschichten  an und siedelten am rechten  Murufer. Das deutsch-nationale  Graz sprach daher in der zweiten  Hälfte des 19. Jahrhunderts sogar  von der „windischen Vorstadt“.  

!Nationaler Streit  

Die Landeshauptstadt erlebte in  den Jahren nach 1848 eine Bevölkerungsexplosion  und entwickelte  sich zur Großstadt. Jetzt prallten  die nationalen Bewegungen  aufeinander. Vor allem aus der  Diskussion um die Herkunft des  Namens „Graz“ entzündete sich  ein Streit. Schließlich war es für  viele Deutschnationale nur  schwer verkraftbar, dass sich  Graz vom slawischen „gradec“  (kleine Burg) ableiten sollte.  Ein gutes Beispiel für einen erfolgreichen  slowenischen Zuwanderer  nach Graz ist Janez Puh  (1862–1914) aus Sakusak, der seinen  Namen zu Johann Puch eingedeutscht  hat und ein berühmter  Fahrrad- und Autopionier  wurde.  

Mit der wirtschaftlichen Blüte  um 1900 war wieder eine starke  Zuwanderung aus dem Süden  verbunden. Zahlreiche Menschen  bäuerlicher Herkunft kamen  aus der Untersteiermark  und siedelten sich in der günstigeren  südlichen Jakomini-Vorstadt  an. Vor allem die Moserhofgasse  wurde bald als „Windische  Herrengasse“ bezeichnet. Diese  etwa 700 Meter lange, kerzengerade  Straße, die den St. Peter  Stadtfriedhof mit dem Moserhofschlössl  (Messeschlössl) verbindet,  war einst mit ihren einstöckigen  Häusern und den kleinen Vorgärten typisch für die  Grazer Vorstadtviertel. Auch die  Eltern des Dichters Alois Hergouth,  der Mitbegründer des „Forum  Stadtpark“ und der Literaturzeitschrift  „manuskripte“ war,  kamen auf der Suche nach einem  besseren Leben hierher. „Dort“,  schreibt der Poet in „Der Mond  im Apfelgarten“, „lernten wir die  Sprache, die Mutter bis an ihr Lebensende  nur gebrochen, aber  mit einem weichen singenden  Akzent sprach. Wir lachten oft  über die verdrehten Worte, die  dabei aufstiegen – über den ,Widasteinplotz‘  (Dietrichsteinplatz),  über ,Brithof‘ (Friedhof)  und ,gemmogirchn‘ (gehen wir in  die Kirche). Es ärgerte uns wohl,  daß man die Moserhofgasse, die  Gasse, in der wir wohnten, die  ,Windische Herrengasse‘ nannte.  Weiß der Kuckuck, wer das aufgebracht  hatte.“
  
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''© "Damals in Graz"'', [Dr. Robert Engele|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Engele,_Dr_Robert_(Geschichte)]
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[{Metadata Suchbegriff='Johann Puch, Janez Puh' Kontrolle='Nein' }]

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