!!!Fräulein Doctor war die Erste

!!Die Judenburgerin Seraphine Puchleitner war die erste Frau, die in der Steiermark maturiert hat. Sie war auch die erste, der im Sommer 1902 an der Universität Graz die Doktorwürde verliehen wurde.

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''Von [Robert Engele|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Engele,_Dr_Robert_(Geschichte)] mit freundlicher Genehmigung der [Kleinen Zeitung|http://www.kleinezeitung.at]''

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[{Image src='20150717_121155.jpg' class='image_right' caption='Seraphine Puchleitner am Tag ihrer Promotion, dem 1. Juli 1902' alt='Seraphine Puchleitner am Tag ihrer Promotion, dem 1. Juli 1902' width='300' height='400'}]


Seit 1872 waren auch Frauen zu Matura-Prüfungen im alten Österreich-Ungarn zugelassen, - aber es gab keine staatlichen Mädchenschulen mit Matura. Also mussten die ersten mutigen Mädchen als externe Schülerinnen im Knabengymnasium vor einer Kommission zur Matura antreten. Sollten sie diese bestehen, hatten sie jedoch (im Gegensatz zu allen männlichen Maturanten) nicht das Recht sich an einer österreichischen Universität zum Studium einschreiben zu lassen, wie eine Verordnung aus dem Jahr 1878 bestimmte. Ihnen war bloß in Einzelfällen gestattet, an Vorlesungen teilzunehmen. Kein Wunder also, dass im gesamten Kaiserreich nur etwa 25 junge Frauen bis 1895 erfolgreich maturierten.

Eine von ihnen war Seraphine Puchleitner, die am 5. November 1870 in Knittelfeld geboren wurde. Sie war das zweite von acht Kindern des Judenburger Buchhändlers Franz Puchleitner und das älteste Kind von dessen zweiter Frau Anna, geborene Fiala. Die kleine Seraphine besuchte die Volks- und Bürgerschule in Judenburg und Graz, wohin ihre Eltern übersiedelten, als sie kaum acht Jahre alt war, weil der Vater eine Stelle als Advokatursbeamter annahm.

Nachdem sie die Lehrerinnenbildungsanstalt in Graz absolviert hatte, war sie einige Jahre als provisorische Unterlehrerin in den Volksschulen Friedau und Eibiswald tätig, bevor sie 1885 zur definitiven Unterlehrerin an der gemischten Volksschule in Puch bei Weiz ernannt wurde. Ab November 1897 - mit 27 Jahren - wurde sie auf ihr Ansuchen für ein Jahr zum Besuch des Bürgerschullehrkurses in Graz beurlaubt, berichtet Reinhold Aigner  in „Blätter für Heimatkunde“, Heft 1, 1977. „Hier besuchte sie gleichzeitig als außerordentliche Hörerin (Hospitantin) historische und philosophische Vorlesungen und Seminarübungen an der Universität und setzte ihr in den Jahren des Schuldienstes begonnenes Selbststudium der Unterrichtsfächer eines Gymnasiums fort.“

Im Herbst 1898 maturierte Seraphine als erste Frau am 1. Staatsgymnasium in Graz, dem heutigen Akademischen Gymnasium - natürlich als Externistin an einer Knabenschule, denn für Frauen gab es noch keine andere Möglichkeit. Aber Schlag auf Schlag ging es weiter: Puchleitner nützte die Gunst der Stunde, inskribierte als erste Frau an der Grazer Universität und wurde damit im Wintersemester 1898 die erste reguläre Studentin in Graz. Denn erst 1897 war die ministerielle Erlaubnis für die Studienmöglichkeit für Frauen ergangen, die aber nur für das philosophische Studium galt. Für Jus und Medizin waren Frauen noch nicht zugelassen.

[{Image src='20150930_111855.jpg' class='image_left' caption='Besprechung im Konferenzzimmer der St. Andrä-Mädchenbürgerschule Graz um 1900' alt='Besprechung im Konferenzzimmer der St. Andrä-Mädchenbürgerschule Graz um 1900' width='470' height='353'}]

Für die Dauer ihres Studiums der Geographie als Hauptfach und der Geschichte als Nebenfach, wurde Puchleitner vom Schuldienst beurlaubt „gegen Karenz aller Gebühren“.  Ein vom Landeschulrat befürwortetes Gesuch um eine Studien-Subvention wurde aber vom Landesausschuss abgewiesen. Dadurch wurde die Lage für die fleißige Studentin äußerst schwierig. Denn 1892 war schon Seraphines Vater ohne jedes Vermögen verstorben und sie musste nun neben dem Studium und ohne Gehalt ihre Mutter und die kleineren Geschwister unterstützen. Also war sie gezwungen, Nachhilfestunden in einem solchen Umfang zu erteilen, dass ihr eigenes Studium darunter litt. Aber nichts konnte sie aufhalten. Sie absolvierte ihr Studium mit bestem Erfolg, ihre historisch-geographische Dissertation mit dem Titel „Versuch einer kartographischen Darstellung der Territorialeinteilung Krains unter französischer Verwaltung mit einer Einleitung über die Civilorganisation der illyrischen Provinzen“ wurde approbiert und  Haupt- und Nebenrigorosum wurden einstimmig mit Auszeichnung qualifiziert. Am 1. Juli 1902 fand die Promotion zum Doktor der Philosophie statt. Damit war Dr. Seraphine Puchleitner der erste weibliche Doktor der Universität Graz.



Alle vier damaligen Grazer Tageszeitungen kündigten die Promotion an und berichteten groß über sie. Die „Tagespost“ titelte in ihrem Morgenblatt vom 2. Juli auf der ersten Seite mit der Überschrift „Fräulein Doctor“ und schrieb: „Gestern hat die philosophische Facultät der Grazer Universität das erstemal einer Frau die Doctorwürde verliehen. Damit hat so gewissermaßen die neue Zeit, in der die Wissenschaft nicht mehr ein Privileg des Mannes ist, in die Räume unserer Hochschule ihren Einzug gehalten.“

Schon während ihres Studiums hatte Seraphine Puchleitner „als ständiger Hilfsarbeiter“ (einem Studienassistenten vergleichbar) am „Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer“ im Geographischen Institut der Uni Graz mitgearbeitet. 1903 machte sie die Lehramtsprüfung für Geographie und Geschichte und unterrichtete am Städtischen Mädchen-Lyzeum in Brünn (Brno). Von 1904 bis 1918 war sie Hauptlehrerin an der Landes-Lehrerinnenbildungsanstalt in Marburg an der Drau (Maribor). Nach dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie 1918 wirkte sie als Professorin an der Bundes-Lehrerinnenanstalt in Graz. Im Zuge der nach dem Ersten Weltkrieg großen Abbaumaßnahmen wurde sie auf eigenes Ansuchen 1923 in den dauernden Ruhestand versetzt und widmete sich als Obfrau der Ortsgruppe Graz der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Österreich“ für die Abrüstung der damaligen Wehrverbände der politischen Parteien in Österreich. 1936 wurde die Ortsgruppe behördlich aufgelöst, Puchleitners Hoffnung auf Frieden und Freiheit blieb aber ungebrochen. Sie starb am 17. November 1952 im Alter von 82 Jahren in Graz und wurde auf dem Steinfeld-Friedhof begraben

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