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Wie die Stadt Graz ihr Archiv entsorgt hat#

Was für ein „Glück“; dass 1827 die Mur mit einem Jahrhundert-Hochwasser die Mittel- und Untersteiermark heimsuchte. Denn so konnte der Magistrat Graz sein verschimmeltes Stadtarchiv einfach im Hochwasser entsorgen.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Hochwasser 1827, Aquarell von Josef Kuwasseg
Hochwasser vom 8. Juni 1827, links der Rest der zerstörten Hauptbrücke. Aquarell von Josef Kuwasseg (KK)

„Schon seit April führte die Mur auf Grund der Schneeschmelze Wasser über dem Normalpegel und verursachte dadurch beträchtliche Schäden entlang der Ufer“, berichtete die „Grätzer Zeitung“ vom 11. und 13. Juni 1827. „In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni schwoll die Mur jedoch so an, dass die Murvorstadt, Lend, Gries bis zur Pfarrkirche St. Andrä und die Altstadt vom Sacktor bis hinein zum Hauptwachplatz (heute Hauptplatz) unter Wasser gesetzt wurden. Das weite Umfeld war wie von einem See bedeckt.“ Und weiter hieß es: „Auf den hoch gehenden Wogen trieben die Trümmer zerstörter Häuser, viele Hausgeräte, tote Haustiere und anderes mehr.“

Zeitzeugen dieser Katastrophe sind die noch heute gut sichtbaren Hochwassermarken in etwa 90 Zentimeter Höhe über dem aktuellen Bodenniveau, beispielsweise die Marmortafel an der Außenseite des Hotel Mariahilf in der Mariahilferstraße Nr. 9 (siehe Abbildung) oder in der Schrödingergasse 30, berichtet Horst Bischof in seinem Buch „Die Grazer Murübergänge und ihre Geschichte“ (Verlag Strahalm).

90 cm über dem Boden, Hochwassermarke am Hotel Mariahilf
90 cm über dem Boden sieht man heute noch die Hochwassermarke von 1827 am Hotel Mariahilf
Foto: ENGELE

Eine zweite Flutwelle vom 13. bis zum 16. Juni verstärkte die enormen Schäden in der mittleren und unteren Steiermark noch weiter. Südlich von Frohnleiten verschlechterte sich die Situation bei der Badlwand dramatisch. Bei Judendorf konnten die schweren Ufereinbrüche erst ein Jahr später durch neue Wehren ausgeglichen werden, schreibt Bernhard Reismann in „Schicksalstage der Steiermark“ (Verlag Styria). Die Schifffahrt im Bereich des Jungfernsprunges bei Gösting musste wegen Gefahr in Verzug auf längere Zeit gesperrt werden. Erst umfangreiche Regulierungsarbeiten und eine starke Bepflanzung der Murufer stabilisierten die Lage wieder ab 1839. In Graz wurden die Ufer zwischen Weinzödl und Kalvarienberg schwer beschädigt. Die Hauptbrücke (heute Erzherzog Johann-Brücke), die lange Zeit die einzige Brücke über die Mur zwischen der Landeshauptstadt und Frohnleiten war, und die neue zweite Stadtbrücke, die eben erst errichtete Radetzkybrücke, welche das neu erbaute Jakominiviertel mit der Murvorstadt verband, wurden zerstört und verschwanden in den Fluten.

Aber kein Schaden ohne Nutzen: Das Archiv der Stadt Graz war seit 1803 unsachgemäß in einem Kellergewölbe in der Färbergasse untergebracht worden und „zu einem guten Teil von Schimmel befallen“, so Reismann. Der Magistrat nützte die einmalige Chance der Katastrophe und ließ das gesamte verschimmelte Stadtarchiv einfach in den reißenden Fluss kippen. „Damit gehen wertvolle Quellenbestände zur Geschichte der Stadt Graz und ihres Umlandes auf ewig verloren“, klagt der Historiker Reismann, selbst Leiter des Archivs der Technischen Universität Graz.

Die Wassermassen aber tobten 1827 weiter in den Süden des Landes. Vor allem das Gebiet ober der Spielfelder Brücke wurde so schwer verwüstet, dass eine Kommission im Mai 1828 die Errichtung eines Durchstiches in diesem Bereich anregte. Aber auch ein Umdenken der Behörden setzte in der Folge dieses Jahrhundert-Hochwassers ein - es wurde ein eigener Elementarschadenfonds für Hochwasserschäden errichtet und erstmals machte man sich nun ernsthaft Gedanken über eine Regulierung der Mur nach den neuesten technischen Erkenntnissen.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele