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Eisiger Frühling nur eine Episode#

Ungewöhnlicher Luftdruck über dem Nordatlantik beschert den winterlichen März#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung Freitag, 29. März 2013

Von

Roland Knauer


Trotzt die sibirische Kälte dem Klimawandel?#

Eis im Nordpolarmeer
Schmilzt das Eis auf dem Nordpolarmeer, könnten die Winter in Mitteleuropa strenger werden.
© Knauer

Berlin. Hoch oben im Norden des Atlantiks schwächelt bei Reykjavik bereits seit Februar das Islandtief, auch das Azorenhoch weiter im Süden ist seither mehr als schwach auf der Brust. Das Ergebnis ist ein eisiger März in weiten Teilen Europas nördlich der Alpen. Wenn dadurch vor allem der gesamte Nordosten Deutschlands mit einer dicken Dauerschneedecke das Osterfest und damit die ersten Feiertage im Frühling einläutet, wird fast zwangsläufig die Frage laut "Und wo bleibt der Klimawandel?

Das eine könnte sogar die Folge des anderen sein, vermuten unabhängig voneinander Wladimir Petoukow vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Klaus Dethloff in der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts. Mit Hilfe von Computermodellen zeigen sie, wie der Klimawandel Teile Europas in einen Eiskeller verwandeln könnte: Wenn die moderne Zivilisation viel Kohle, Öl und Gas verbrennt, steigen weltweit die Temperaturen und auf dem Nordpolarmeer schmilzt das Eis. Genau das registrieren Forschungssatelliten seit einigen Jahren. Mit dem Eis aber fehlt auch der Deckel, der vor allem im Herbst und Winter die Energie im Wasser hält. Daher erwärmt sich auch die Luft über den eisfreien Wasserflächen. Dadurch aber verändert sich auch der Luftdruck über dem Atlantik in arktischen und in mittleren Breiten und es kann sich ein Hoch über Skandinavien bilden, das uns Eiseskälte beschert.

Islandtief und Azorenhoch#

"Normalerweise ist der Luftdruck im Norden zum Beispiel bei Reykjavik relativ niedrig, dort liegt das Islandtief", erklärt Lars Kirchhübel vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Weiter im Süden dominiert dagegen oft ein kräftiges Hochdruckgebiet bei den im Atlantik liegenden Azoren das Wettergeschehen. Zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch aber pfeift ein kräftiger Wind nach Osten und trägt im Winter feuchte, relativ milde Luftmassen nach West- und Mitteleuropa. Damit aber fällt der Winter hierzulande ins Wasser.

Grüne Weihnachten#

Schwächen sich Azorenhoch und Islandtief ab, schläft dieser aus westlichen Richtungen kommende Wind ein. Ein Hoch über dem Ostatlantik oder Skandinavien bis nach Mitteleuropa drängt dann die schwachen Tiefdruckgebiete Richtung Mittelmeer ab. Gleichzeitig trägt Ostluft sibirische Kälte weit in den Westen des Kontinents. Genau das passierte Anfang Dezember 2012 und der Winter hielt Mitteleuropa fest im Griff. In der Mitte des Monats aber kamen Azorenhoch und Islandtief wieder zu Kräften und die Westwinde bescherten uns grüne Weihnachten. Erst die zweite Jännerhälfte brachte den Winter zurück - nur um Anfang Februar wieder einer milden Episode Platz zu machen.

Insgesamt ist dieses stetige Auf und Ab für einen mitteleuropäischen Winter ungefähr das normalste Wetter, das sich ein Meteorologe vorstellen kann. So lag dann auch in Deutschland die durchschnittliche Temperatur zwischen Dezember 2012 und Februar 2013 bei plus 0,3 Grad Celsius. Für die international gültige Vergleichsperiode zwischen 1961 bis 1990 lagen die Winter-Temperaturen praktisch gleichauf bei 0,2 Grad Celsius. Einen Rekord gab es dagegen beim Sonnenschein: Mit gerade einmal 61 Prozent der normalen Sonnenscheindauer war dieser Winter der dunkelste seit dem Beginn der regelmäßigen Messungen dieses Wertes 1951.

Seit Mitte Februar aber sind Islandtief und Azorenhoch abgetaucht. Stattdessen hält sich zwischen Island und Skandinavien hartnäckig ein Hochdruckgebiet, an dessen Südseite eisige Luft aus dem Osten nach Westen strömt. "Manchmal streckt dieses Hoch eine Zunge gefolgt von einem Schwall Kaltluft weit nach Süden, nur um sich später wieder zurückzuziehen", fasst Kirchhübel die Entwicklung der letzten Wochen zusammen. Daran soll sich auch in den nächsten Tagen wenig ändern.

Einfacher Wimpernschlag#

"Schneehöhen von mehr als zehn Zentimetern kennen wir zwar auch aus früheren Jahren von Ende März. Bisher aber war die weiße Decke aber nach ein oder zwei Tagen wieder verschwunden", erklärt Wolfgang Harno vom DWD.

Für das Weltklima aber ist dieser außergewöhnlich kalte mitteleuropäische März allenfalls ein Wimpernschlag. "Das Klima rechnet nicht nach Monaten, sondern nach Jahrzehnten", erklärt Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Obendrein liefern die Temperaturen in Mitteleuropa zum Weltklima nur einen bescheidenen Beitrag. Und da wird unser kalter und schneereicher Märzwinter von einem außergewöhnlich heißen Sommer mit vielen Waldbränden in Australien weit mehr als ausgeglichen.

Weltweites Unentschieden#

Obendrein hat Latif bereits 2008 Computerrechnungen veröffentlicht, nach denen auch bei den Welttemperaturen der Klimawandel zurzeit eine Pause macht, die durchaus noch einige Jahre anhalten kann. "Das hängt mit natürlichen Schwankungen beim Weltklima zusammen, die unabhängig von den Einflüssen der modernen Zivilisation auftreten", erklärt der Kieler Forscher.

Sowohl der tropische Pazifik wie auch die südlichen Ozeane zwischen dem 40. und dem 70. Breitengrad stecken seit einigen Jahren in einer natürlichen kühleren Phase. Insgesamt zeigt die natürliche Temperaturentwicklung auf der Welt daher nach unten. Dagegen heizen zwar die von der modernen Zivilisation freigesetzten Treibhausgase kräftig an, erreichen aber weltweit nur ein Unentschieden.

"Wenn diese Atempause in einigen Jahren vorbei ist, kann das Klima diese Temperaturerhöhung leicht nachholen", entkräftet Latif aber alle Hoffnungen auf eine Entwarnung beim Klimawandel. Der eisige Märzwinter 2013 bleibt also nur eine Episode.

Wiener Zeitung, Freitag, 29. März 2013