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Ein Wissens-Team, das nichts weiß #

Im Bildungsministerium besteht Nachholbedarf beim Deklinieren.#


Von der Wiener Zeitung (1. Juni 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Robert Sedlaczek


Robert Sedlaczek
Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, jüngst ist bei Haymon "Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen" erschienen.

Unlängst hat mich WZ-Leser Dr. Günter Stickler auf einen ORF-Spot hingewiesen, in dem ein "Corona-Pass" für Schüler beworben wird. Es ist ein bunter Zeichentrickfilm, ich sah ihn am letzten Sonntag, ganz spät am Abend - eine merkwürdige Sendezeit für einen Hinweis, der für Schüler gedacht ist. Der Inhalt kurz zusammengefasst: Bunte Kinderfiguren lassen sich drei Mal die Woche testen, bekommen Pickerln zum Einkleben und dürfen dann, wie es heißt, "überall hin". Der Spot endet mit dem Logo des Ministeriums, darunter steht der bemerkenswerte Satz: "Entgeltliche Einschaltung des Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung".

Auf Nachfrage des WZ-Lesers, warum man sich der notwendigen Beugung des Wortes "Bundesministerium" widersetzt habe, erhielt er die Antwort: "Danke für das aufmerksame Schauen unseres Spots. Da es sich bei der Bezeichnung Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung um einen Eigennamen bzw. Markennamen handelt, wird dieser in diesem Zusammenhang nicht auf ,Einschaltung des Bundesministeriums‘ abgeändert. Liebe Grüße, Team Wissensministerium."

Wer sich hinter dem "Team Wissensministerium" verbirgt, lässt sich nicht sagen - der Name des Verfassers steht nicht im Mail. Deshalb möchte ich an dieser Stelle dem "Team Wissensministerium" den grammatikalischen Sachverhalt darlegen. "Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung" ist nicht als Marke eingetragen. Dass es sich um einen Eigennamen handelt, steht allerdings außer Zweifel, er dient zur Identifizierung und Abgrenzung gegenüber anderen Ministerien. Aber auch dann kommt man nicht um die Beugung herum. Ein konkretes Beispiel: Eine Bundesländerzeitung heißt "Oberösterreichische Nachrichten". Steht dieser Eigenname im Dativ, wird selbstverständlich gebeugt: Gestern habe ich in den "Oberösterreichischen Nachrichten" gelesen ... Das ändert sich auch dann nicht, wenn alles gleich bleibt und der Name der Zeitung in Anführungszeichen gesetzt wird. Eine Möglichkeit, die Beugung zu vermeiden, gibt es aber doch: Gestern habe ich in der Zeitung "Oberösterreichische Nachrichten" gelesen ... In gleicher Weise muss es also heißen: ein Schulbuch des Österreichischen Bundesverlags, eine Filiale der Deutschen Bank und eine Einschaltung des Bundesministeriums.

Wer die Entwicklung der Sprache beobachtet, stellt fest, dass bei Markennamen aus einer fremden Sprache die Tendenz besteht, nicht zu deklinieren. "Das Heck des Ferrari war beschädigt." "... des Ferrari" statt "... des Ferraris" - Fremdwörter sind weniger stark in das Flexionssystem integriert. Geht es hingegen um das "Heck des Volkswagens" darf das Genitiv-s nicht fehlen. Wörter, die in der deutschen Sprache gut verankert sind, müssen unbedingt gebeugt werden. Dazu gehört auch das Wort Bundesministerium.

In unserer Zeit neigen Jugendliche dazu, die Regeln des Deklinierens zu vernachlässigen. Das "Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung" sollte daher mit gutem Beispiel vorangehen und deklinieren, besonders dann, wenn es sich salopp "Wissensministerium" nennt. Das dortige "Team" sollte "wissen", wie korrektes Deutsch funktioniert.

Wiener Zeitung, 1. Juni 2021