Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Wem wir die Schanigärten verdanken#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, (Mittwoch, 03. März 2010)

Von

Robert Sedlaczek


Einmal kehrt noch der Winter kurz zurück, aber der Frühling lässt sich nicht unterkriegen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder im Freien beisammensitzen.

Seit Monatsbeginn dürfen die Gastronomen ihre Gäste auch in den Schanigärten bewirten. Damit lebt eine immer wiederkehrende Legende auf: Die Schanigärten würden deshalb so heißen, weil der Chef zum Kellner sagt: "Geh, Schani, trag ’n Garten auße!"

Die Legende klingt deshalb plausibel, weil es im Wien des 19. Jahrhunderts viele Kellner gegeben hat, die auf den Namen Johann gehört haben. Und da das Französische damals eine Sprache zum Angeben war – lang, lang ist her, heute hat ja das Englische diese Aufgabe übernommen –, wurde aus dem Johann meist ein Jean. Außerdem gibt es im Wienerischen auch die Wendung "Ich will nicht immer der Schani sein!", mit der Bedeutung "ich will dir nicht immer alles interhertragen", "ich will nicht nur die Drecksarbeit machen". Und das Hinaustragen von Mobiliar und Blumenkisten gehört ja nicht gerade zu den anspruchsvollen Tätigkeiten.

In Wirklichkeit geht der Begriff Schanigarten auf den Kaffeehausbesitzer Gianni Torrini zurück, also auf einen italienischen Johann. Besagter Torrini soll um 1550 als Erster um eine Genehmigung angesucht haben, auf dem Gehsteig Sesseln und Tische aufzustellen. Die Erlaubnis wurde ihm erteilt, worauf sich die Gäste zuhauf in "Giannis Garten" drängten – der Wiener ist ja lufthungrig: Wenn es warm genug ist, um draußen zu sitzen, will er sich nicht im Inneren eines Lokals aufhalten.

Aus "Giannis Garten" wurde französisierend der Begriff "Schanigarten" – eine Geschäftsidee war geboren. Sie breitete sich auch in die anderen Bundesländer aus. Und bald haben nicht nur die Kaffeehäuser, sondern auch die Gastwirtschaften ihre Kunden auf dem Gehsteig bewirtet.

Bis zum heutigen Tag hat sich nichts an der Praxis geändert, dass die Gastronomen bei der Behörde um eine Genehmigung ansuchen müssen. Schließlich geht es ja darum, einen öffentlichen Grund für private Zwecke wirtschaftlich zu nutzen. Ist die Genehmigung erteilt, werden die Gastronomen eher moderat zur Kassa gebeten: Die jährliche Gebühr beträgt 3,63 Euro pro Quadratmeter, in Fußgängerzonen und in verkehrsarmen Zonen: 27,25 Euro pro Quadratmeter. Gastronomen lieben die Schanigärten, weil sie das Geschäft beleben. Anrainer hassen sie, wegen des Lärms; die Öffnungszeiten bis hin zur Frage der Sperrstunde sind Jahr für Jahr Anlass für Diskussionen. Und dann geht es in manchen Fällen auch noch darum, dass Parkraum verloren geht. Die Autofahrer sind also die natürlichen Feinde der Schanigärten.

Ein interessantes Detail habe ich auf Wikipedia gefunden. Dort wird das "Schanigartenprinzip" erklärt, eine Eselsbrücke für die Umstellung von der Winterzeit auf die Sommerzeit. Wenn der Schani die Tische und die Sesseln hinausträgt, also vor (!) das Lokal stellt, dann muss man die Uhr vor(!)stellen. Zum Ende des Sommers dann der Umkehrschluss: Der Schani bringt das Mobiliar ins Depot zurück – die Uhr wird zurückgestellt. Dann gilt wieder die Winterzeit, sie heißt laut offizieller Bezeichnung Normalzeit. Na klar, der Winter ist ja bei uns das Normale, der Sommer eher die Ausnahme.

Die Schanigärten sind jedoch jedes Jahr schon einige Zeit in Betrieb, ehe wir die Uhr umstellen und ratlos hin und her überlegen: Was ist richtig? Vor oder zurück? Übrigens: Im heurigen Jahr gilt die sogenannte Mitteleuropäische Sommerzeit vom 28. März bis zum 31. Oktober 2010; sie dauert wegen des Wochensprungs eine Woche länger als 2009. Wenigstens eine gute Nachricht für all jene, die an der Sommerzeit Gefallen finden.

Bild 'robert_sedlaczek'

Robert Sedlaczek, geboren 1952 in Wien, ist Sprachkolumnist der "Wiener Zeitung" und Autor zahlreicher Bücher zum Thema Sprache.

Wiener Zeitung,, Mittwoch, 03. März 2010



2 Schreibfehler:
1.) Torrini: Die Variante ist vollkommen neu. Tarone (Sterbebuch), Taroni (zeitgenössisch), Tarroni (ebenfalls zeitgenössisch)
2.) Es war nicht 1550 sondern 1750

--Gstättner Franz, Mittwoch, 13. Oktober 2010, 03:31