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Transdanubischer Höhenrausch#

Ein Blick von Wiens und Österreichs künftigem höchsten Haus - dem DC Tower - auf die Bundeshauptstadt#


Von der Wiener Zeitung, (Donnerstag, 7. Februar 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Sabine Karrer


DC Tower
Über den Dächern Wiens werden die letzten Teile der Außenfassade am DC Tower befestigt.
© apa

Voraussichtlich ab Herbst steht der sichere Blick von oben allen offen.#

Wien. "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ...". Für halbwegs schwindelfreie Gipfelstürmer gehen des Sängers Reinhard Meys Zeilen auf. Die weißen Zuckerwattegebilde scheinen sich hoch über dem Boden tatsächlich in Greifweite zu befinden. Wer Wien von oben erleben möchte, muss dazu aber erst einmal den Aufstieg wagen. Die Einladung zur Besichtigung des noch nicht öffentlich zugänglichen Donaustädter DC Tower 1 kommt da genau richtig. Eine Gruppe von Glücklichen gehört zu den Letzten, die vor Fertigstellung der Außenfassade auf den Turm fahren dürfen. Noch in diesen Tagen sollen die Arbeiten daran beendet werden, gleichzeitig ist der Innenausbau des künftig höchsten Hochhauses Wiens in vollem Gang.

Einigen wird erst beim Anblick des Riesen klar, auf welches Abenteuer sie sich eingelassen haben. Mit Höhenangst in fast 220 Meter? Manchen weicht spontan die Farbe aus dem Gesicht, als es heißt: "Und jetzt fahren wir mit dem Außenaufzug da rauf." Einen Rückzieher macht aber niemand. Bloß nicht hinunterschauen. Durch die Linse der Kamera wirkt die Situation ein wenig abstrakter. Aber auch das "Kamerakind" erkennt, wie unter ihm das Austria Center und der Seidl-Tower immer kleiner und kleiner werden. Ein paar Stockwerke geht es noch zu Fuß hinauf - schon liegt dem Grüppchen ganz Wien zu Füßen. Keiner traut sich, es auszusprechen, aber jeder kann sich vorstellen, wie unsanft eine Münze unten am Beton aufschlagen würde. Nur zaghaft bewegen sich einige vom fast fertigen Treppenhaus weg. Manchmal fühlt man sich mit dem Rücken zur Wand tatsächlich wohler.

Von dort oben wirkt sogar der Donauturm klein#

Es ist still hier oben, mehr als 200 Meter über der betonierten Donauplatte. Langsam wagen sich auch die Letzten aus der Gruppe der "Todesmutigen" an den Rand vor. Der Blick auf die Stadt entschädigt für vieles. Wer schon einmal durch den Bezirksteil Kaisermühlen spaziert ist, wird wohl nie vermutet haben, wie symmetrisch die Gemeindebauten tatsächlich angeordnet sind. In Reih’ und Glied liegen sie den Gipfelstürmern jetzt zu Füßen. Aus der Vogelperspektive wirkt sogar der Donauturm klein. In Wirklichkeit wird er den DC Tower 1 auch nach dessen Fertigstellung Ende des Jahres um einige Meter überragen. Leise führt die Donau tief unter uns Schiffe hin und her. Der Donaupark wirkt wie ausgestorben, lediglich ein paar schwarze Punkte scheinen sich zu bewegen. Ein feiner Nebel verhindert den vermeintlichen Blick bis ans Meer. Der ist zwar Utopie, aber es fühlt sich so an, also könnte man bei gutem Wetter wirklich so weit sehen.

Zwei Arbeiter haben sich an Haken festgehängt und robben an den Rand, um Teile zu befestigen. Auf der anderen Seite versucht ein Baggerfahrer, nicht mitsamt seinem Gefährt in die Tiefe zu stürzen. "Vollgas würde ich jetzt nicht geben", sagt eine Besucherin - und tritt zur Sicherheit ein paar Schritte nach hinten. Norbert Scheed, Bezirksvorsteher der Donaustadt, erzählt, dass der Kranfahrer am Tower nach diesem Auftrag in Pension gehen wird. Und zeigt uns, welchen Weg dieser bis dahin täglich bewältigen muss, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen. "Über das Gitter dort? Und dann noch weiter raufklettern?", flüstert eine Dame. "Nicht für viel Geld."

20.000 Tonnen Stahl und 110.000 Kubikmeter Beton#

Unter Schwindelgefühl sollten Kranfahrer, Elektriker, Ingenieure und alle anderen, die an der Fertigstellung des Wolkenkratzers arbeiten, tatsächlich nicht leiden. Rund 20.000 Tonnen Stahl und 110.000 Kubikmeter Beton befinden sich unter den Füßen der Besucher, verteilt auf 60 Geschoße. "Immerhin, fester Untergrund", sagt einer. Mit der Höhe freundet man sich langsam an. Hier wird noch rasch ein Foto in die Tiefe gemacht, dort kriecht einer ans Sicherheitsseil gekettet ganz nach vorne - immer auf der Suche nach der besten Perspektive. Als die Gruppe später wieder festen Boden unter den Füßen hat, sind manche froh, aber auch ein wenig wehmütig. So ruhig konnte man die Großstadt noch selten erleben. So ist den meisten hier Wien noch nie zu Füßen gelegen.

Wenn die Bauarbeiten am Tower voraussichtlich im Herbst abgeschlossen sind, wird es den einen oder anderen wieder hierher ziehen. Dann allerdings aus ganz sicherer Perspektive - im geplanten Café-Restaurant mit dicken Wänden und Glasscheiben zwischen dem Gast und dem vermeintlichen Sturz in die Tiefe.

Wien von oben#

Wer Wien von oben erleben möchte, kann dies auf die sanfte oder die harte Tour tun: Man kann entweder mit einer der roten Riesenrad-Kabinen fahren, mit dem Aufzug auf die Donauturm-Aussichtsplattform gelangen, zu Fuß den Südturm des Stephansdoms oder die Jubiläumswarte am Gallitzinberg erklimmen, in einem der zahlreichen Restaurants und Bars über Wien speisen und trinken - oder weingeschwängert von einem von Wiens Hausbergen aus zuschauen, wie sich die Nacht langsam über die Stadt legt. Ganz Mutige buchen einen Hubschrauber-Rundflug über Wien, etwa über www.aerial.at oder www.alpenrundflug-erlebnis.com, oder warten auf das Frühjahr, um sich am Bungee-Seil aus 152 Meter Höhe vom Donauturm zu stürzen (www.jochen-schweizer.at).

Wiener Zeitung, Donnerstag, 7. Februar 2013