!!!Stammkunden als Überlebenselixier

!!Die Buchhandlung Tyrolia am Stephansplatz feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Werner Riedmüller verrät, wie sein Geschäft sich gegen die Konkurrenz der großen Ketten und des Online-Handels behauptet.

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Dienstag, 2. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''


Von

__Arian Faal__

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[{Image src='Entwicklung-Buchhandel.jpg' caption='Buchhandlung Tyrolia am Stephansplatz\\Quelle: WKO; Illustration: Tyrolia' alt='Buchhandlung Tyrolia' width='500' class='image_right' height='354'}]


Wien. In den 1980er und 1990er Jahren, als die junge Generation noch nicht den ganzen Tag mit ihrem Smartphone verbrachte, hatten sie noch einen anderen Stellenwert: die Wiener Buchhandlungen. Es gab hunderte Läden, wo man stundenlang schmökern und lesen konnte. Dann kam der Vormarsch des Internets, der Online-Handel und Google. Die Folge: Hunderte Buchhandlungen mussten zusperren.

Es gibt mittlerweile in Wien ganze Bezirksteile ohne eine einzige Buchhandlung weit und breit. An ihre Stelle treten Onlinehändler und Kettengeschäfte, die gerade einmal Bestseller und ein paar Ratgeber im Sortiment haben und als literarische Mini-Versorger fungieren.

Ein Traditions-Geschäft am Wiener Stephansplatz, die Tyrolia-Buchhandlung, trotzte dieser Entwicklung. Sie schreibt jedes Jahr schwarze Zahlen und feiert heuer ihr stolzes 100 jähriges Jubiläum. Und das, obwohl in dem Gebäude am Stephansplatz 5 gleich zwei Buchhandlungen, die Dombuchhandlung und Tyrolia existieren, und das ist eine Seltenheit im deutschsprachigen Raum.

Darauf ist der Chef, Werner Riedmüller, der den Betrieb seit 1999 führt, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" besonders stolz. "Wissen Sie, ich bin seit 27 Jahren hier und in diesem Zeitraum haben sicherlich 20 Buchhandlungen in weniger als zehn Minuten Gehweite zugesperrt", sagt er etwas traurig. Sein Betrieb hat sich nur durch intensive Stammkundenpflege behaupten können.

!Fokus auf Wien und Kinder

"Wir haben unsere Kompetenz sehr stark fokussiert auf Wien-Literatur und Kinderfachbücher", ergänzt er. Nachsatz: "Auf 105 Quadratmetern kann man einfach kein Vollsortiment führen."

Abgewimmelt wird aber trotzdem niemand. "Wenn wir ein Buch nicht haben und es auch nicht bestellen können, dann versuchen wir den Kunden nicht im Regen stehen zu lassen und schicken ihn zu Kollegen, die das Buch führen", so der 47-jährige Unternehmer. Gesprochen wird deutsch und englisch und zur Not tut es auch die Körpersprache. 15 Prozent seines Umsatzes macht er mit Groß- und Firmenkunden und Institutionen, den Rest erwirtschaftet er mit 85 Prozent Laufkundschaft.

Sein Stammkundenanteil von 80 Prozent sagt auch viel über die Seele der Firmenphilosophie aus. Die meisten Kunden werden, wie in einem Traditionsunternehmen beim Namen begrüßt, die Damen etwa mit ‚Gnädige Frau‘. Dies führt manchmal bei Touristen zu Irritationen.


!Touristen-Anlaufstelle

Abgesehen von der Hauptaufgabe, Bücher zu verkaufen ist das Geschäft allein schon aufgrund seiner Lage auch ein Touristen-Infocenter.

"Wir versuchen jedem, der hereinkommt, ein Stück weiterzuhelfen, egal ob er das Mozart-Haus sucht oder ein botanisches Fachwerk", sagt Riedmüller mit einem Lächeln. Etwa 120 Kunden kommen pro Tag in seinen kleinen Laden. Dass unterm Strich ein Gewinn übrig bleibe, verdankt er nur dem harten Fleiß der Mitarbeiter und der Firmenphilosophie, die Stammkundenpflege in den Vordergrund stellt. So gibt es ausführliche Fachberatungen ohne Kaufzwang, individuelle Informationen über Neuerscheinungen.

"Die Schere zwischen Fixkosten und Buchpreis ist in den vergangenen Jahren auseinandergegangen, sprich es bleibt immer weniger Gewinnspanne", erklärt der Bücherexperte, der im Alter von 20 Jahren in der Branche begonnen hat. Heute ist er der Hahn im Korb und beschäftigt zwei Mitarbeiterinnen und einen weiblichen Lehrling. Aber das ist nicht die ganze Belegschaft. Es gibt auch noch einen Hund, Mister Watson, der das Lager bewacht. Die englische Bulldoge ist eine Art Maskottchen.

!Dorfcharakter und Tratsch

Eines will Werner Riedmüller unbedingt anbringen: "Hier am Stephansplatz haben wir unser kleines Dorf mit Dorfcharakter und Dorftratsch. Da gibt es viele Menschen, die man einfach kennt und mit denen man plaudert", sagt er. Das [Internet|Thema/Internet] sieht Riedmüller als Hilfe in Hinblick auf Recherche. Dennoch seien Amazon und Co. eine ernsthafte Bedrohung für den stationären Buchhandel. Andererseits würden gerade diese Firmen auch wichtige Impulse für die Buchhändler liefern. Ihr Manko bleibt aber die fehlende Fachberatung und die persönliche Betreuung, die nur er als Buchhändler anbietet.

!Freundschaftliches [Netzwerk|Thema/Netzwerk]

Das Netzwerk der Buchhändler in Wien ist freundschaftlich. "Wir schätzen den Kontakt unter Kollegen. Ich sehe keine Feinde oder Konkurrenz, sondern Freunde, mit denen ich einen gesunden Austausch pflege", sagt Riedmüller. Zum Jubiläum können Kunden bei einem Wunschbaum Bücher für einen guten Zweck kaufen. Außerdem gibt es ein neues Sagenbuch über den Stephansdom und eine Sonderpostkarte.

(af) Um 10.000 Kronen verkaufte 1917 der Katholische Schulverein seine 1899 gegründete Buch-, Kunst- und Papierhandlung am Stephansplatz an die Verlagsanstalt Tyrolia. Das Tiroler Unternehmen "Verlagsanstalt Tyrolia" mit Sitz in Innsbruck firmiert seit 1907 unter diesem Namen, wurde aber schon 1888 als Pressverein in der Südtiroler Bischofsstadt Brixen vom Theologieprofessor Aemilian Schöpfer (1858-1936) ins Leben gerufen. Als einer der Mitbegründer der christlich-sozialen Partei in Tirol saß er seit 1897 im Reichsrat, gehörte 30 Jahre lang dem Parlament an und pflegte so gute Kontakte zu den führenden katholischen Persönlichkeiten Wiens. Die Wiener Niederlassung entwickelte er rasch zu einem vielgesichtigen Medienunternehmen mit Buchhandlung, [Druckerei|Thema/Druckerei] und der Redaktion zahlreicher Zeitschr[{HtmlMeta canonical=''}]iften und Zeitungen, etwa der bis 1997 erscheinenden renommierten christlich-sozialen Wochenzeitschrift "präsent", in der sich Journalisten wie Gerhard Weis (1998 bis 2001 ORF-Generalintendant) oder Peter Pawlowsky (1990 bis 1997 Hauptabteilungsleiter Religion im ORF-Fernsehen) ihre ersten Sporen verdienten. Heute ist die Tyrolia mit rund 200 Mitarbeitern und 19 Buchhandlungen in Tirol, Salzburg, Wien und Vorarlberg das größte Buchhaus Westösterreichs und der wichtigste österreichische Fachverlag für Religion und Theologie, verlegt aber auch Titel aus den Bereichen Geschichte, [Kultur|Thema/Kultur], Reise, Berge, Lebensorientierung und Kinderliteratur.

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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Dienstag, 2. Mai 2017
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