!!!Endlich, die Roboter kommen! 

!!Die technischen berufsbildenden höheren Schulen sehen die aktuelle Automatisierungswelle vor allem als Chance – schließlich werden die zukünftigen Techniker hier ausgebildet. 


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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Dienstag, 2. Mai 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''



Von

__Eva Bachinger__

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[{Image src='Roboter.jpg' caption='Roboter\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Roboter' width='400' class='image_right' height='447'}]


Daniel Kamper hat dem [Roboter|Thema/Roboter] das Sehen beigebracht. Der 18jährige blickt auf das Display und beobachtet die Arbeitsschritte, die der Roboter vollzieht. In einem extra für die Besucher eingestellten Schneckentempo. Der Schüler für [Elektrotechnik|Thema/Elektrotechnik] an der HTL in Mödling hat das Programm geschrieben. „Der Roboter sucht sich mit seinem Arm den passenden [Sensor|Thema/Sensor], eine Art Augenersatz. Damit erkennt er die Farbe und sortiert die Stifte in die richtige Farbbox“, erklärt Daniel Kamper. Den ganzen Vorgang könne der Roboter auch bedeutend schneller ausführen, um den Faktor 80, aber aus Sicherheits- und auch Demonstrationsgründen sei die Geschwindigkeit so langsam eingestellt, fügt der Schüler hinzu. 

An der HTL Mödling, mit rund 3.500 Schülern eine der größten Schulen Europas, ist man am Puls der Zeit: Neben erneuerbaren Energien ist die umfassende Digitalisierung und [Automatisierung|Thema/Automation] der Arbeitswelt ein Schwerpunkt-Thema der Schule. Die HTL will mithalten mit den Entwicklungen rund um Industrie 4.0. Der technische Wandel ist dabei die geringere Herausforderung. Bedeutender ist die Geschwindigkeit der Veränderung. Sind die [technischen Schulen|Thema/Ausbildung] in Österreich ausreichend ausgestattet und bereit für die digitalisierte Welt? 

!Ein Umbruch 

Die Schüler der Elektrotechnik, [Mechatronik|Thema/Mechatronik] und [Elektronik|Thema/Elektronik] erlernen nicht nur grundlegende Begriffe und Fertigkeiten für die zukünftigen Berufe, sondern auch, wie man einen Roboter selber baut, wie man ihn programmiert und wartet. Der digitale Automatisierungsschub in der Industrie führt an der HTL zu mehr Verschränkung zwischen den Fachrichtungen. Die drei Abteilungen arbeiten an der HTL Mödling sehr intensiv zusammen. Ihr Direktor sieht die Situation dennoch als Umbruchssituation: „Es ist uns bewusst, dass wir in einer Umbruchs- und Aufbruchsphase sind. Aber man wird nicht alles Alte aus dem Boot werfen“, betont Harald Hrdlicka, der Direktor der HTL Mödling. „Grundlegendes Wissen wird aus der HTL-Ausbildung nicht verschwinden. So wie der zukünftige Bautechnikingenieur einmal einen Schalstein angegriffen haben sollte, soll auch der zukünftige Robotik- Techniker wissen, was bohren, fräsen, schleifen heißt. Die Lehrpläne wurden in den letzten sieben Jahren umgestaltet. Industrievertreter wünschen sich, dass wir alle zwei Jahre die Pläne anpassen, aber das ist nicht praktikabel. Eine Schule braucht eine gewisse Dynamik, aber auch eine gewisse Ruhe. Wir sind bereit in diese Richtung zu gehen, wir wissen, dass wir es tun müssen. Aber es ist auch die Politik gefragt, die nötigen Finanzmittel bereitzustellen“, so Hrdlicka. Die Schule wird immer wieder gebeten, beim internationalen Wettbewerb „Robot Challenge“ teilzunehmen. Heuer findet er in Peking statt. „Das Problem ist nur, dass unsere Ausstattung verstärkt werden müsste, um konkurrenzfähig zu sein. Nötig wäre zum Beispiel ein Lasercutter, der kostet 70.000 Euro“, schildert Herbert Swaton, Lehrer für Automatisierungstechnik und Robotik. Länder wie Südkorea seien hier viel weiter als Österreich.

[{Image src='Mechatronik-Abteilung.jpg' caption='Ein Blick in die Mechatronik-Abteilung der HTL Mödling.\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Mechatronik-Abteilung der HTL Mödling' width='400' class='image_left' height='267'}]

Harald Mahrer, im Bundesministerium für [Wissenschaft|Thema/Wissenschaft], [Forschung|Thema/Forschung] und [Wirtschaft|Thema/Wirtschaft] zuständiger Staatssekretär, ist sich der Problematik bewusst. Er meint: „Ja, es braucht mehr Anstrengungen und wahrscheinlich auch mehr Mittel, um in die Gruppe der Innovationsführer zu kommen. Wir benötigen etwa eine flächendeckende Glasfaseranbindung für die Bildungseinrichtungen, aber natürlich auch für die Unternehmen. Länder wie Südkorea sind uns vor allem wegen des Mindset – der vorherrschenden Einstellung – voraus. Dort wird nicht über die Position der Steckdosen diskutiert, sondern Baugenehmigungen werden nur erteilt, wenn die Anbindung an Glasfaserinfrastruktur garantiert wird.“ Gemeinsam mit Staatssekretärin Muna Duzdar hat der ÖVP-Politiker vor kurzem eine „Digital Road Map“ präsentiert. 100 Experten haben zu der digitalen Strategie der Bundesregierung beigetragen und konkrete Maßnahmen erarbeitet. Im Bereich Arbeit ist beispielsweise ein Fachkräftestipendium vorgesehen, Weiterbildungskurse sollen gefördert werden, im Bereich Bildung soll kein Kind die Schule verlassen, ohne digital kompetent zu sein. Geht es nach Mahrer und Duzdar, soll die digitale Ausbildung soll bereits im Kindergarten beginnen. Im „Plan A“ von Bundeskanzler Christian Kern ist festgehalten, dass jedes Kind in der fünften Schulstufe sein persönliches Tablet und ab der 9. Schulstufe einen Laptop gratis erhalten sollte. Kosten: 100 Millionen Euro. Angesichts all dieser Pläne muss vor allem eines vorangetrieben werden: der Ausbau von WLAN und Breitband. 



!Digitale Kluft 

Rund 1.300 Pflichtschulen in Österreich fehlt ein leistungsfähiges [Internet|Thema/Internet]. Hier zeigt sich ein Gefälle zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Schichten: Während 96 Prozent der Klassenräume an AHS und BHS Internetanschluss haben, fehlt WLAN bei der Hälfte der berufsbildenden Schulen, so Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Eine Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zeigt auch, dass für ein Drittel der befragten Wiener 15- bis 19jährigen Jugendlichen Computer und Internet innerhalb der Schule und [Universität|Thema/Universitaet] gar keine Rolle spielen würden. Allerdings gibt es Unterschiede je nach Schultyp: Die Nutzung ist intensiver bei Schülern, die mit Matura abschließen als etwa bei Lehrlingen. Das Ergebnis: Während mittlerweile zwar so gut wie jede und jeder ein Smartphone bedienen kann, haben rund 900.000 Erwerbsfähige mangelnde Computerkenntnisse. Die Arbeiterkammer fordert deshalb eine bezahlte Weiterbildungswoche pro Jahr für jeden Beschäftigten. Die Schulen einfach nur mit [Technologie|Thema/Technik] auszustatten, wird zu wenig sein: „Entscheidend ist das didaktische Konzept“, so Psychologe Markus Appel von der Universität Koblenz. Pädagogen müssten sich vorher genau überlegen, was die Schüler durch eine bestimmte Übung mit digitalen [Medien|Thema/Medien] lernen sollen. Für Appel ist eine mögliche Einsatzform etwa das kooperative Lernen, wo sich Schüler per Computer zuerst neues Wissen aneignen, das dann in einer Kleingruppe weitergegeben wird. 

Es sei sicher eine große Herausforderung, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, ohne bestimmte Teile der Bevölkerung auf diesem Weg zu verlieren, räumt Mahrer ein. „Wenn wir eine Kluft vermeiden wollen, müssen wir auch die digitale Infrastruktur in den ländlichen Regionen sicherstellen, um innovative Unternehmen und den [Tourismus|Thema/Tourismus] wettbewerbsfähig zu halten und die Landflucht zu verhindern. Das heißt aber auch, dass wir eine andere Prioritätensetzung brauchen. Anstatt in Kreisverkehre müssen wir in Glasfaserleitungen und Breitbandnetze investieren, bei Kindern möglichst früh Kreativität fördern und digitale Lernformen und Kompetenzen über alle Bildungsstufen einziehen.“

[{Image src='Harald Hrdlicka.jpg' caption='„Es ist eine Umbruchsituation“, sagt der Direktor der HTL Mödling Harald Hrdlicka\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Harald Hrdlicka' width='400' class='image_right' height='269'}]

!Neue Jobs 

Rund 360.000 Jobs werde die Digitalisierung in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren kosten, so das Institut für Höhere Studien in einer Studie im März dieses Jahres. Unter diesen 360.000 Jobs sind vor allem Tätigkeiten mit niedriger Qualifikation und einfache Handarbeit. An der HTL Mödling sieht man daher zwei Seiten des Umbruchs. So würden Tätigkeiten verschwinden, aber auch neue entstehen. „Die Jobs erfordern ein höheres Ausbildungsniveau. Die Leute, die den Roboter programmieren und weiterentwickeln, benötigen höhere Bildung, und sie werden gebraucht. Die rein manuelle Arbeit hingegen übernimmt der Roboter mit einer Präzision, die ein Mensch nicht erreichen kann. Die Jobs werden da sein, für den einzelnen Bürger wird das natürlich nicht einfach sein. Die reinen Anlernkräfte werden sicher verschwinden“, so Kurt Salzmann, Abteilungsvorstand der Mechatronik an der HTL Mödling. Der Techniker sieht zudem Chancen, Jobs zurückzuholen: „Beispiel Carbonrahmen bei Rennfahrrädern. Die [Produktion|Thema/Produktion] wurde gänzlich nach Asien ausgelagert, weil die Rahmen dort billiger produziert werden können. Deutsche Firmen haben nun wieder begonnen, Carbonrahmen zu fertigen, mit Hilfe von Robotern und Spezialisten. Es wäre eine Chance für Europa wieder Produkte hierzulande zu fertigen“, so Georg Dalder, Abteilungsvorstand für Elektrotechnik. 


[{Image src='Roboterbau.jpg' caption='Hier entstehen unter anderem Roboter. V.r.n.l.: Kurt Salzmann, Abteilungsvorstand Mechatronik; Georg Dalder, Abteilungsvorstand für Elektrotechnik; Herbert Swaton, Lehrer für Automatisierungstechnik und Robotik und Eva Bachinger. Neben ihnen zwei Schüler. Die Fahrbahn soll der Roboter selbständig abfahren können.\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Kurt Salzmann, Georg Dalder, Herbert Swaton und Eva Bachinger' width='400' class='image_left' height='269'}]

Chancen ergeben sich auch in den Bildungseinrichtungen, wo man Experten benötigt, die die Kompetenzen auch vermitteln können. Oder im Bereich der [Sicherheitstechnik|Thema/Sicherheitstechnologie]: „Die [Sicherheit|Thema/Sicherheit] der Systeme muss gewährleistet sein. Wir hatten noch nie den Fall, dass [Fertigung|Thema/Fertigung] und Administration von einem Virus betroffen sein können, da die beiden Systeme bis jetzt nicht verbunden waren. Nun hängt aber alles zusammen. Die Geräte analysieren sich selbst und melden Fehler. Ein Techniker sucht einen Fehler mit einem bestimmten Programm, zugeschnitten auf dieses Gerät. Es mangelt derzeit noch massiv an Fachkräften und Wissen in Bezug auf Sicherheitstechnik. Auch hier ergeben sich viele Jobchancen“, so Georg Dalder. 

Dass die Schüler der HTL Mödling ausgebildet werden und angesichts der rasanten Entwicklung nicht mehr viel von der Ausbildung verwenden könnten, passiere so sicher nicht, meint auch Kurt Salzmann. „Natürlich weiß man nicht, was sie in fünf Jahren brauchen, wenn sie in der ersten Stufe anfangen. Das wäre ein Blick in die Kristallkugel, aber wir versuchen es abzusehen. Sie haben außerdem dann so viele wichtige Grundlagen, dass sie schnell auch wieder in andere Bereiche wechseln können.“ 

„Mir gefällt die Ausbildung und es interessiert mich. Es gibt auch genügend Arbeitsplätze, denn man braucht Leute, die Roboter programmieren,“ ist sich Daniel Kamper sicher. Dass die künstliche Intelligenz ihn einmal ersetzen könnte, glaubt er nicht: „Ohne mich würde er sich nicht bewegen. Ich habe keine Angst überflüssig zu werden.“ Seine Kollegin aus der Abteilung Mechatronik, die 16jährige Anika Traint macht sich auch keine Sorgen: „Wir werden dazu ausgebildet, die Roboter zu programmieren. Er macht, was wir ihm sagen, ohne uns geht es nicht.“ „Noch bauen wir die Roboter und nicht die Roboter uns“, ergänzt Mechatronikerin Katharina Haunold. Sie ist fasziniert von der Entwicklung: „Die Computer sind heute oft so klein und können unglaublich viel. Wenn man bedenkt, dass früher ein Computer einen ganzen Raum ausgefüllt hat! Dass ein Roboter viele Tätigkeiten übernimmt, ist für viele vielleicht ungewohnt, aber es wird weiter zunehmen, vor allem in der Fertigung. Ich sehe die Problematik, aber die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.“ 

[{Image src='Haunold.jpg' caption='„Noch bauen wir die Roboter und nicht die Roboter uns“, sagt die HTL Schülerin Katharina Haunold\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Katharina Haunold' width='400' class='image_right' height='267'}]



!Lebenslanges Lernen 

Bildungs- und Berufsexperten sind sich weitgehend einig, dass Weiterbildung zusätzlich zur Schulund Berufsausbildung in Zukunft immer wichtiger wird. Laut Beate Sprenger vom AMS würden viele Betriebe bereits entsprechende Ausbildungsprogramme anbieten, auch das AMS bereite Weiterbildungsangebote vor. Das Infrastrukturministerium etwa stellt jährlich 16 Millionen Euro für Ausbildung in Firmen rund um Industrie 4.0 zur Verfügung. Die Bildungskarenz ist eine weitere Möglichkeit, aus dem Arbeitsalltag auszusteigen, um sich weiterzubilden. Reicht das aus, um nicht wegautomatisiert zu werden? Während eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) von 40.000 neuen Jobs im IKTUmfeld bis 2020 ausgeht, bestehen zugleich enorme Ängste angesichts der rasanten Entwicklung: Intelligente Systeme werden Menschen ersetzen und tausende Arbeitsplätze werden verloren gehen. Eine USStudie zeichnete das düstere Szenario von bis zu 47 Prozent potenziell automatisierbarer Berufe. „Der Ansatz, mit Technologie Menschen ersetzen zu wollen, funktioniert nur dort, wo es tatsächlich gelingt, den Prozess ohne den Menschen laufen zu lassen. Sobald ich aber noch einen Menschen brauche, der etwas überwachen, weiterentwickeln oder eingreifen soll, wenn etwas nicht klappt, dann funktioniert die Vollautomatisierung nicht. Dann brauche ich Menschen, die diese Kompetenz haben, und zwar nicht nur für heute, sondern auch, um diese Systeme weiterzuentwickeln“, erklärt der Schweizer Arbeitspsychologe Toni Wäfler. Beispiel Operationsroboter. Wenn etwas schiefläuft, etwas Unvorhergesehenes passiert, kann das System überfordert sein. Das hat dann aber gravierende Folgen, im schlimmsten Fall den Tod von Menschen. Berufe, in denen es um Kommunikation und persönliche Dienstleistung auf höherem Niveau geht, sind kaum durch Roboter ersetzbar, da hier soziale Kompetenz, Empathie und Kommunikationsfähigkeit erforderlich sind. Richter, Sozialarbeiter, Ärzte, die in unsicheren und komplexen Situationen Entscheidungen treffen, für die sie auch Verantwortung tragen müssen, werden nicht so einfach ersetzt werden können. Ihre Entscheidungen könnten höchstens von gut aufbereiteten [Daten|Thema/Daten] unterstützt werden. 


[{Image src='Traint-Neuwirth.jpg' caption='„Der Roboter macht, was wir ihm sagen.“ Anika Traint und Kilian Neuwirth lernen Mechatronik an der HTL Mödling.\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Anika Traint und Kilian Neuwirth' width='400' class='image_left' height='267'}]

!Supermarkt-Kassa Adé 

Ein vorläufiges Fazit sähe entsprechend wohl so aus: Gewinner des globalen Trends scheinen Qualifizierte aus den Bereichen IT, [Telekommunikation|Thema/Telekommunikation] oder [Logistik|Thema/Logistik] zu sein, Verlierer hingegen gering Qualifizierte oder Arbeitnehmer, die sich nicht laufend weiterbilden. Dass man 40 Jahre lang dieselbe Tätigkeit ausübt, ist ohnehin für die meisten Menschen passé. Wird man in Zukunft aber drei bis vier Mal im Leben den Beruf wechseln? Beate Sprenger vom Arbeitsmarktservice meint: „Durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt wird uns die Arbeit in Zukunft nicht ausgehen, sie wird sich verändern. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass technische Innovationen nicht nur Jobs gefährden und verdrängen, sondern in anderen Bereichen auch Jobmotor sind und viele neue Jobs entstehen, an die man vor der Etablierung dieser Technologie gar nicht gedacht hatte. So hat beispielsweise die automatische Telefonvermittlung in der Vergangenheit das ehemalige ‚Fräulein von Amt‘ zwar ersetzt, heute arbeiten aber mehr Personen in der Telekommunikationsbranche als je zuvor.“ Besonders gefährdet seien Jobs am Bau, monotone Arbeit am Fließband oder an den Scannerkassen im Supermarkt. Dass fehlende Bildung ein höheres Risiko arbeitslos zu sein bedeutet, ist nicht neu, Industrie 4.0 verstärkt diesen Trend nur weiter: „Schaut man sich die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschlüssen der letzten 26 Jahre an, so sieht man ganz eindeutig: Die Arbeitslosenquote von Personen mit nur Pflichtschule hat sich von 9,5 auf 26 Prozent im Jahr 2016 fast verdreifacht, während die Quote der Akademiker nur geringfügig von rund zwei auf 3,6 Prozent gestiegen ist“, rechnet Sprenger vor. Mit der Automatisierung in der Produktion sind bereits in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen dramatisch gestiegen: „Musste beispielsweise früher ein Lagerarbeiter nur Kraft haben, so muss er heute einen Computer bedienen können.“ IT-Kenntnisse seien mittlerweile so unverzichtbar wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Wer keine Qualifikation hat, also keinen Schul- oder Lehrabschluss vorweisen kann, wird in Zukunft kaum Chancen auf einen dauerhaften Arbeitsplatz haben. „Die Antwort auf diese Herausforderung der Digitalisierung lautet: Bildung, Bildung, Bildung“, meint Sprenger. Die bestehende Kluft zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Gruppen werde durch die Digitalisierung vertieft. „Wir sollten also möglichst niemanden mehr aus unserem Bildungssystem entlassen, der nur einen Pflichtschulabschluss hat. Die Ausbildungspflicht bis 18 ist ein guter Anfang, aber es braucht noch mehr Maßnahmen“, so Sprenger. 

Jürgen Figerl von der Arbeiterkammer sieht das Problem der Qualifizierung weniger in den Betrieben, wo Weiterbildungsangebote geschaffen werden bzw. das Personal über „On-the-Job-Training" geschult wird. Schwieriger sei die Situation für Schulen, Universitäten und Fachhochschulen. „Hier wird in naher Zukunft eine praxisorientiertere, in Kombination mit Firmenpraktika einhergehende Ausbildung eine verstärkte Rolle spielen.“ Es wird aber auch jene geben, die nicht mithalten können, auch wenn sie sich bemühen, jene, die ihre Leistungsgrenze erreicht haben, die unfreiwillig in prekären Arbeitsformen landen. Neuheiten wie Crowdworking, wo digitale Freiberufler ihre Dienste online anbieten, bringen Normalarbeitsverhältnisse mit klaren arbeitsrechtlichen Regelungen in Bedrängnis und können nicht nur zu Selbstverwirklichung führen, sondern auch zu Selbstausbeutung. Damit muss sich die Gesellschaft und Politik auseinandersetzen. 

[{Image src='Abteilung-Mechatronik.jpg' caption='In der Abteilung für Mechatronik.\\Foto: Christoph Liebentritt' alt='Abteilung für Mechatronik' width='400' class='image_right' height='262'}]

Die Digitalisierung wäre auch eine Chance, dass man grundsätzlich die Organisation der Arbeitswelt hinterfragt. Eine Umfrage der deutschen Bertelsmann-Stiftung hat gezeigt, dass 80 Prozent der Befragten nicht einfach nur eine neue technologische Revolution wollen, sondern sie wünschen sich ein neues Wirtschaftssystem. 

Der Schweizer Arbeitspsychologe Theo Wehner plädiert etwa für eine Trennung von Beschäftigung und Existenzsicherung, Stichwort bedingungsloses Grundeinkommen. Schließlich sei noch nie eine 100prozentige Beschäftigung erreicht worden und neue, prekäre Arbeitsformen stellen staatliche soziale Absicherungssysteme enorm in Frage. „Wir müssen uns fragen, wie wir mit den kommenden Rationalisierungspotenzialen so umgehen, dass mehr Menschen sich wieder wertvoller und sinnerfüllter beschäftigen können.“ Unabhängig von einer Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit. Gefährdet seien vor allem Jobs, denen man nicht unbedingt nachtrauern müsse wie eben das Kassieren an der Supermarktkassa. „Heute mit den Strichcodes und den Scannern ist die Arbeit einer Kassiererin im Laden schon fast komplett automatisiert, selbst das Lächeln und die Abschiedsformel. Da ist der letzte Schritt doch nur konsequent.“ 



Nicht alle Menschen fühlen sich mit digitalen Plattformen, vollautomatisierten Produktionsstätten und Geschäften wohl. Im [Handel|Thema/Handel] etwa zeichnet sich ein gegenläufiger Trend ab. Vor allem in Ballungszentren boomen kleine Geschäfte mit persönlichem menschlichem Kontakt, regionalen und saisonalen Produkten. Auch manche große Unternehmen achten zunehmend darauf, dass ihre Mitarbeiter nicht immer verfügbar sein müssen und verpflichten sie, am Abend, am Wochenende und im Urlaub die Smartphones auszuschalten. 

Natürlich bedeutet die zunehmende Digitalisierung auch, dass wir immer abhängiger von Computern werden. „Man liefert sich ziemlich aus, aber es ist auch so, dass es jetzt keinen anderen Weg mehr gibt. Wir müssen schauen, wie wir mit all den Dingen, die auf uns zukommen, umgehen, nicht mehr, ob wir sie vermeiden können“, meint HTL-Direktor Hrdlicka. Die philosophische Frage angesichts von rasanter technischer Entwicklung ist auch, ob wir tun sollen was wir tun können. Technische Entwicklungen sollten immer eingebettet sein in ethischen sozialen Abwägungen, die eben Zeit brauchen. Sie ist kein Naturereignis, sondern kann von uns durch Grenzziehungen gestaltet und gesteuert werden. Letztlich sind es soziale Prozesse, die nicht vorherbestimmt und auch umkehrbar sind. 


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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Dienstag, 2. Mai 2017
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