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Fund neuer Maya-Städte?#


Von

Hasso Hohmann

Alle Fotos stammen vom Autor und unterliegen seinem Copyright.


Xpujil ist heute eine relativ stark wachsende mexikanische Stadt im Zentrum der Halbinsel Yukatan nahe der Grenze zwischen den Bundesstaaten Campeche und Quintana-Roo. 1977 zelteten wir, Annegrete Vogrin und ich, in der Nähe der Ruinen von Xpuhil neben einer der wenigen Tankstellen entlang der meist geradlinig durch den Wald geschlagenen Verbindungsstraße zwischen Escárzega und Chetumal. Damals gab es bei den Ruinen von Xpuhil noch keine Siedlung. Nur für die Archäologen war hier ein Campamento auf der anderen Seite der Straße errichtet worden. Wir wollten uns in der Nähe des heutigen Xpujil einige der verstreut gelegenen Ruinen einstiger Mayastädte ansehen. Neben der Tankstelle gab es damals das kleine Restaurant Oasis, wo vor für Tankgäste neben Cervezas und harten auch alkoholfreie Getränke sowie Kekse, haltbar gemachte Donats und Patatochips erhältlich waren. Waschen konnten wir uns und unsere Wäsche in einer Aquada, einem Teich, der sein Wasser aus der Regenzeit bezog und hinter Bäumen auf der anderen Seite der Straße beim Archäologen-Camp lag. Dieses war damals unbewohnt und am Wasser gab es unzählige Mosquitos.

Wir wollten unter anderem zu den relativ nahen Ruinen von Channa, Chicanna und Becan, die wir auch besuchten. Mein großes Ziel in dieser Region aber war schon damals La Muñeca, eine große Maya Stadt aus der spätklassischen Periode um etwa 800 n. Chr. südwestlich von Xpuhil mitten in einem damals noch riesigen Waldgebiet, das weit über die Grenze nach Guatemala reicht. La Muñeca war von Ruppert und Denison in den 1940er Jahren untersucht, vermessen, fotografiert und publiziert worden. Hier finden sich die Überreste des damals noch einzigen bekannten Schlusssteingewölbes in der Maya Architektur. Leider fand ich 1977 niemanden, der mich dort hätte hinführen können.

Als ich mich 1985 wieder im Raum um die Ruinen von Xpuhil aufhielt, gab es bereits ein kleines Hotel, in dem man bequemer übernachten konnte und eine stattliche Zahl von Häusern in der fast gleichnamigen Siedlung Xpujil. Dem für die Überwachung der Ruinen in der Region zuständigen Juan de la Cruz Briseño schlug ich vor, dass wir so weit wie möglich mit zwei Fahrrädern fahren und nur den Rest zu Fuß zu gehen. Briseño war leider mit mehreren Aufträgen befasst und konnte mich nicht zu den Ruinen führen. Auch 1987 ging es nicht und ich war mir zu dieser Zeit auch bereits nicht mehr sicher, ob es überhaupt noch einen Weg nach La Muñeca gab. Danach hörte ich von dieser entlegenen Mayastadt längere Zeit nichts mehr.

Das Hauptbauwerk von Xpuhil mit drei Scheintreppen und Resten von aufgesetzten Scheintempeln.
Das Hauptbauwerk von Xpuhil mit drei Scheintreppen und Resten von aufgesetzten Scheintempeln., unter CC BY-SA 4.0
Man sieht in diesem Bild, wie steil die mittlere der Scheintreppen ist. Es handelt sich um eine Art Kulissenarchitektur, bei der wohl der Ritus davor wichtiger war, als das Bauwerk.
Man sieht in diesem Bild, wie steil die mittlere der Scheintreppen ist. Es handelt sich um eine Art Kulissenarchitektur, bei der wohl der Ritus davor wichtiger war, als das Bauwerk., unter CC BY-SA 4.0

2003 hörte ich dann, dass zwei Jäger bei einem Jagdausflug mit Macheten im Wald südlich von Xpujil auf zwei nebeneinander liegende große Mayaruinen gestoßen seien, denen sie bereits zwei Namen gegeben hatten – der westlichen Maya-Stadt “El Mirador“, der östlichen “La Gran Parada“ oder “La Gran Parador“.

Als dies der Nordamerikaner Jack Sulak erfuhr, der sich gerade zu dieser Zeit mit einem gemieteten Jeep in Xpujil aufhielt, engagierte er einen der zwei Jäger, um sich zu den neu entdeckten Ruinen führen zu lassen. Er brach allerdings wohl zu einer etwas zu fortgeschrittenen Tageszeit erst auf und nahm auch für den langen Weg deutlich zu wenig Wasser mit. Als er die Ruinen erreichte, hatte er schon fast kein Wasser mehr für den Rückweg. Sein Führer fand dann die interessanteren Stelen, die er zeigen wollte, nicht und so sah Sulak nur riesige, überwaldete, steile Hügel, die offensichtlich künstlichen Ursprungs waren, wenige völlig glatte, teilweise bereits umgestürzte Steinstelen und einen Altar.

Ein Teil der Familie Martinez.
Ein Teil der Familie Martinez., unter CC BY-SA 4.0

Glücklicherweise unternahm er eine GPS-Messung und schaffte dann den Rückweg durch den Wald nur mit massiver Unterstützung des begleitenden Führers. Später gestand Jack, dass er auf diesem Rückweg bereits so stark dehydriert war, dass er erstmals in seinem Leben wirklich Angst um sein Leben hatte, Angst, es nicht mehr aus dem Wald heraus zu schaffen. Er und sein Begleiter brauchten bis tief in die Nacht. Jack benötigte noch mehrere Wochen um sich von dieser extremen Überanstrengung zu erholen. Selbst als er bereits längst in den Staaten zurück war spürte er noch die Folgen.

Seine GPS Messung aber war sehr nützlich. Karl-Herbert Mayer bat mich sofort die GPS-Daten mit den Koordinaten der Standortbestimmung von Ruppert und Denison zu vergleichen. Ganz offensichtlich handelte es sich bei den zwei “neu entdeckten“ Maya-Städten um die zwei Hauptgruppen des inzwischen im Wald verschollene La Muñeca. Es handelte sich also um eine bereits längst bekannte verschollene Maya-Stadt.

2004 war ich dann selbst nochmals in Xpujil. Schon im Vorfeld hatte ich mit Jack Sulak ausgemacht, dass wir diesmal gemeinsam nach La Muñeca gehen werden – auch um sein negatives in ein positives Erlebnis zu verwandeln. Diesmal sollte auch der Journalist und Mayaforscher Stephan Merk mit dabei sein. Ich kaufte am Tag vor dem geplanten Marsch in einem Markt in Xpujil 21 Halbliterflaschen Trinkwasser und Proviant für die geplante Tour, bereitete mehrere Brote mit Aufstrich vor und verpackte alles ess- und trinkbereit in meinem kleinen Rucksack für den nächsten Tag.

Um 4.00 Uhr morgens trafen wir uns in völliger Dunkelheit beim Hotel Mirador in Xpujil. Jack Sulak kam mit Jeep und Fahrer; außerdem kam Stephan Merk mit einem zweiten geländegängigen Fahrzeug. Wir hatten alle ausreichend Proviant und Wasser in unseren Rucksäcken und fuhren zunächst nur etwa einen Kilometer nach Osten bis zur Kreuzung in Xpujil und dann nach Süden zur Siedlung Narcisco-Mendoza, wo zwei weitere Personen aus der Familie Martinez zustiegen, von denen einer den Weg kannte und uns führen sollte. Der andere wollte den Weg kennenlernen und ging deshalb mit. Beide waren mit Macheten und Kettensägen ausgerüstet.

Von dort ging es etwa 20 km wieder nach Norden zurück zu einer Abzweigung nach Westen. Von hier fuhren wir auf einer zum Teil sehr felsigen, zum Teil auch aufgeweichten lehmigen Piste mit tiefen Spurrillen. Nach 6,8 km erreichten wir eine Abzweigung, von der aus wir nochmals weitere 7,6 km, diesmal nach Nordwesten fuhren, bis die Spur nach links im nahezu rechten Winkel abbog. Auf der Strecke mussten mehrere querliegende umgestürzte Bäume zersägt und aus dem Weg geräumt werden. An der markanten Abbiegung der Fahrspur nach links fand sich neben dem Weg zwischen Bäumen gerade ausreichend Platz zum Abstellen der zwei Fahrzeuge.

Die Gebrüder Martinez bei der Arbeit mit Machete, Beil und Kettensäge, um zwei quer liegende Bäume aus der Fahrbahn zu entfernen.
Die Gebrüder Martinez bei der Arbeit mit Machete, Beil und Kettensäge, um zwei quer liegende Bäume aus der Fahrbahn zu entfernen., unter CC BY-SA 4.0
Bald darauf musste wieder ein umgestürzter Baum zur Seite gelegt werden.
Bald darauf musste wieder ein umgestürzter Baum zur Seite gelegt werden., unter CC BY-SA 4.0

Bis hierher war der Wald relativ niedrig und dicht. Von hier wurden die Bäume höher und erreichten bald das Format echter Regenwaldbäume. Nach sieben Minuten Fußmarsch querten wir ein trockenes eingeschnittenes Bachbett. Über weite Strecken war der Weg kaum zu erkennen. Lianen und schlanke Bäumchen wurden bereits bei früheren Begehungen des Jägerweges mit der Machete einfach von oben schräg nach unten schlagend abgeschnitten, sodass jeweils eine scharfe Spitze nach oben zeigte. Stolpern sollte man an all solchen Stellen besser nicht. Zum Stolpern laden aber viele Wurzeln und auf dem Boden weiterwachsende Lianen ein, bei denen man leicht mit dem Schuh einfädeln und hängen bleiben kann.

Es mussten immer wieder auch querliegende umgestürzte Bäume über- oder unterklettert werden. In etwas offeneren Zonen erkannten wir geometrisierte Hügel im Wald, die auf Siedlungstätigkeit in vorkolumbischer Zeit schließen lassen. In einem Fall konnte ich sogar ein seitlich offenes Scheingewölbe eines Mayabaues erkennen.

Nach etwa eineinhalb Stunden machten wir eine Pause von 15 Minuten, um dann nochmals eine knappe Stunde schnell weiter zu gehen. Auf dem gesamten Weg trank ich immer wieder eine der Halbliter-Wasserflaschen und stellte zugleich jeweils eine weitere volle Flasche für den Marsch zurück auf den Weg, damit ich diese nicht weiter mittragen musste – davon ausgehend, dass an diesem Tag sicher kein weiterer Mensch diesen schwer begehbaren Weg gehen würde.

Endlich erreichten wir um etwas nach 12.00 Uhr die ersten hohen Hügel. Der von mir in Graz bereits kopierte Plan von La Muñeca, den die zwei Mayaforscher Karl Ruppert und John Denison Jr. bereits 1943 publiziert hatten, leistete große Dienste. Ich sah gleich, dass wir an Bauwerk I im Westteil der Ruinen angekommen waren, wusste also, wo wir uns im Plan befanden. Es gibt riesige, extrem steile Hügel im gesamten Zentrum der einstigen Maya Stadt, aber nur zwei dieser Hügel tragen noch erkennbare Reste stehender Architektur an der Spitze des Unterbaus. Das sind die Bauten XII und XVIII. Wir konnten uns daher gezielt auf den Weg zu meinem eigentlichen Ziel, zu Bauwerk XII machen. Bei Bauwerk XIII machten wir eine neuerliche GPS-Messung (N 18°13.167‘/W -89°36.703‘).

Bauwerk XII, zu dem ich schon seit fast 30 Jahren wollte, stand bald vor uns. Der Unterbau ist besonders von Norden gesehen extrem steil und hoch. Aber selbst auf der flacheren Südseite muss man sich an Bäumen und Lianen hinaufziehen. Alle kamen mit und halfen, den Bau auf der obersten Plattform mit Hilfe von Maßband-Aufmaßen zu erfassen. Der Unterbau besteht aus einer kleinen 5 m hohen Plattform, die wieder auf einer größeren Plattform steht, deren Höhe vielleicht etwa 7 m ausmacht. Diese steht auf der ausgedehnten Plattform, auf der alle Bauten der mittleren Plaza stehen. Diese hat im Bereich von Bauwerk XII noch einmal etwa 4 m Höhe. So kommen an der nördlichen Rückseite des Bauwerks etwa 16 m Höhendistanz zusammen, die hier extrem steil nach Norden abfallen. Das Bauwerk selbst weist drei Räume auf, deren zentraler Raum sich zu einem kleinen Vorplatz auf der Südseite öffnet.

Das Erste, was uns am Unterbau auffiel, war ein von Plünderern von der steilen Nordseite aus getriebenes Stollensystem, das in mehreren Etagen diesen Sockel wie einen durchlöcherten Emmentaler aussehen lässt. In die Bodenplatte von Bauwerk XII sind an zwei Stellen Öffnungen gestemmt worden, die über senkrechte Schächte mit dem Stollensystem verbunden sind. Von diesen Bodenöffnungen kann man vertikal bis auf das natürliche Geländeniveau abstürzen, wenn man im Bauwerk XII auf der Plattform nicht vorsichtig ist. Die Messdaten wurden noch durch Fotos ergänzt, sodass eine detaillierte Dokumentation des Bauwerks in Graz kein Problem machen sollte.

Um das Jahr 2000 wurden in Calakmul zwei weitere echte Schlussstein-Tonnengewölbe aus der Zeit um das 1. Jh. n. Chr. gefunden. Calakmul liegt Luftlinie nur 30 km von La Muñeca entfernt. Das Schlusssteingewölbe in La Muñeca ist allerdings wesentlich jünger. Es stammt aus der Zeit des 8. Jh. n. Chr. Es knüpft sich an die Funde in dieser Region die Frage, warum die Maya das Prinzip des echten Gewölbes schon relativ früh entwickelten und auch verwendeten, es aber nicht öfter zum Einsatz brachten. In der Regel verwendeten sie Vorkraggewölbe und ähnliche Konstruktionen. Eine weitere Frage ist, ob noch mehr Schlusssteingewölbe in der Region gibt oder gab und ob einige davon auch aus der Zwischenzeit stammen. Es liegen immerhin rund 700 Jahre zwischen den Schusssteingewölben in Calakmul und dem in La Muñeca.

Oben im Bild wird die Rückwand des Tempels XII mit Traufgesims und Dach
Oben im Bild wird die Rückwand des Tempels XII mit Traufgesims und Dach sichtbar. Auf der Suche nach Gräbern mit wertvollen Beigaben wie polychromer Keramiken wurde der Unterbau in alle Richtungen untertunnelt und so völlig destabilisiert., unter CC BY-SA 4.0
Labyrinth von Stollen und Schächten
Man sieht hier senkrecht nach ober unter das Fundament der Rückwand des einzigartigen Bauwerks XII aus einem ganzen Labyrinth von Stollen und Schächten, die von Plünderern auf der Suche nach Gräbern angelegt wurden. Rechts daneben folgen zwei Öffnungen im Boden des Hauptraumes. Aus der rechten hängt immer noch ein Seil der Plünderer herab., unter CC BY-SA 4.0
Hier sieht man die Reste des Schlusssteingewölbes im Bauwerk XII.
Hier sieht man die Reste des Schlusssteingewölbes im Bauwerk XII., unter CC BY-SA 4.0
Ramon Martinez aus der Nähe von Xpujil, Jack Sulak aus den USA, Stephan Merk aus Deutschland, der Fahrer von Jack und der Autor (v.l.n.r.)vor einer der vielen Stelen in La Muñeca.
Ramon Martinez aus der Nähe von Xpujil, Jack Sulak aus den USA, Stephan Merk aus Deutschland, der Fahrer von Jack und der Autor (v.l.n.r.)vor einer der vielen Stelen in La Muñeca., unter CC BY-SA 4.0

Wir machten danach gemeinsam eine Runde durch die Ruinen und besuchten unter anderem etliche der Stelen und Altäre, insbesondere die drei noch nicht gestohlenen Stelen 1, 5 und 13 mit ihren Inschriften und Reliefs. Nach einigen Gruppenfotos beeilten wir uns, den Rückweg anzutreten, um ausreichend Zeitreserven zu haben.

So ging es um 13.30 Uhr gestärkt und mit weniger Gewicht in den Rucksäcken wieder zurück. Jack Sulak merkte man auch auf diesem Weg an, dass er nicht mehr die Kondition eines jungen Burschen hat. Im Verhältnis zu seinem Alten mit damals bereits über 70 Jahren war er aber immer noch recht gut unterwegs und mit ausreichend Zeit und Wasser kann er immer noch eine solche Tour in Angriff nehmen. Zurück kamen wir relativ schnell. Gewöhnlich war ich vorne, traf so meist als Erster auf meine zurückgelassenen Wasserflaschen, die ich jeweils sogleich austrank. Am Ende des Marsches hatte ich genau 10 Liter Wasser getrunken – eine Flasche blieb gefüllt übrig. Dabei hatten meine Nieren kaum etwas zu verarbeiten. Fast alles ging auf kurzem Wege wieder durch die Haut nach außen, sodass die Kleidung vom Kragen bis zu den Socken vollständig zum Auswringen nass war. Bei der feuchten Hitze im Wald ergab das allerdings durch den Verdunstungswärmeverlust eine durchaus erwünschte Kühlung. Auf der Fahrpiste lagen auf dem Rückweg keine Bäume mehr im Weg. Wir brachten die zwei Begleiter zunächst noch zu ihrem Domizil in Narcisco-Mendoza. Dann ging es nach Xpujil, wo wir bereits um etwa 18.30 ankamen. Dort gab es noch ein großes Abendessen mit guten Wünschen und Versprechungen, da wir am nächsten Tag wieder in unterschiedliche Richtungen weiterreisen wollten.