!!!Ende der Unnahbarkeit - Ende der kirchlichen Not?


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Von

__Herbert Kohlmaier__

''Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 86/2013''

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Unter Papst Benedikt hat die Entfernung der Kirchenzentrale von Jesus ihre größte Distanz
erreicht. Eine Paradoxie war entstanden. Ratzinger schrieb Bücher inniger Zuwendung über
Christus. Er berief sich auf den Heiligen Pfarrer von Ars, der die Macht des Priesters pries,
Gott in die Hostie zu befehlen und gegenwärtig zu machen. Doch auf der anderen Seite bewirkte
er mit seinem rätselhaften Prinzip "Entweltlichung" nicht nur eine Entfremdung von der
Lebenssphäre der Menschen und ihrer Zeit, sondern auch von Jesus. Dessen Menschwerdung
bedeutete ja ein Kommen in diese erlösungsbedürftige Welt - ganz in deren Mitte und
Wesen!

Der Rabbi Jehoschua ging den Menschen nach. Keiner und keine war ihm da zu gering, das
Gegenteil jeder Unnahbarkeit tritt uns entgegen. Er lehrte nicht nur sondern er hörte auch
voll Aufmerksamkeit zu. An einem ganz entscheidenden Wendepunkt seines messianischen
Selbstverständnisses überzeugt ihn eine heidnische Frau, dass er nicht nur berufen sei, die
verlorenen Schafe Israels heimzuholen (Mt 15,21-28). Jesus machte die Not der Menschen
zu seiner eigenen. In letzter und unüberbietbarer Konsequenz solidarisiert er sich mit denen,
die Unrecht erleiden, am Kreuz.

Im krassen Gegensatz dazu geriet das Ämtersystem der Kirche in ein Handlungsprinzip nach
dem hoch und niedrig, nach würdig und unwürdig. Rang und Heiligkeit, Macht und Befugnisse
wurden strikt festgelegt. Im krassen Gegensatz zum Willen des Herrn wurde das gebotene
Dienen nur den Seelsorgern und denen überlassen, die draußen in der "Welt" Jesus
nachfolgen. Je höher aber die hierarchische Funktion umso mehr wurden die Institution und
deren Regelwerk zum eigentlichen Gegenstand des Dienstes. Mit Jesus hat das alles so gut
wie nichts mehr zu tun.

Und nun tritt ein neuer Papst auf, der sich "nur" mehr Bischof von Rom nennt. Er setzt starke
Signale, mit der Selbsterhöhung der Zentrale in Rom Schluss zu machen. Mehr als um Stil
und Äußerliches geht es da, wenn er prächtige Attribute der Abgehobenheit und damit auch
der Unnahbarkeit zurückweist. Man erfährt auch, dass er nicht weitab von den Menschen
wohnen und leben will, sondern dass er den Kontakt mit ihnen sucht. Um sie zu gewinnen
und zu überzeugen, oder auch, um auf sie zu hören? Gerade das ist jetzt ganz entscheidend!
Seit langen stehen die Erneuerungswilligen vor verschlossenen Türen. Die Vertreter der
Pfarrerinitiative haben sich vergeblich bemüht, bei Benedikt Gehör zu finden. Dies, obwohl
der Papst ihnen am Rande einer Feierrede zubilligte, sie würden aus Sorge um die Kirche
handeln. Doch sie dürften nicht "ungehorsam" sein. Hier muss man um Jesu Willen ausrufen:
Muss man Besorgte nicht immer ernst nehmen und daher anhören? Noch dazu wenn es
Menschen sind, die im unermüdlichen Einsatz für den Glauben stehen!



Ich bin mir sicher: Das Motiv der Gesprächsverweigerung war Ängstlichkeit, ein Wesenszug,
der bei Benedikt immer wieder sichtbar wurde. Er wusste, dass der in seine Betrachtungen
versponnene Professor der Theologie den Arbeitern im Weinberg des Herrn nichts Überzeugendes
hätte entgegenhalten können.

Jesus nahm sich der Not der Menschen an. Doch nicht nur Krankheit und Armut bedeuten
Not, sondern sie besteht auch darin, dass man Missachtung und Zurückweisung erfährt.
Darunter leiden heute unzählige Katholiken und Katholikinnen. Geistliche, denen ihre Aufgabe
entzogen wurde, weil sie in den von Jesus geheiligten Stand der Ehe traten. Frauen, die
zur Seelsorge berufen wären, aber für ein so genanntes "Kirchenrecht" minderen Rang haben.
Menschen, deren Ehe gescheitert ist und die deswegen unbarmherzig von den Sakramenten
ferngehalten werden.

Glücklich über den neuen Papst können wir nur sein, wenn er jene kalte Unnahbarkeit aufgibt,
die man bisher allen denen gegenüber an den Tag legte, die sich für Änderungen im
Sinne einer zukunftsfähigen Kirche einsetzen. Ja, diese Glaubensgemeinschaft könnte durch
Franziskus wieder ein Gesicht der Menschlichkeit bekommen. Das müsste aber auch bedeuten,
die Unmenschlichkeit zu beseitigen, die in einer systematischen Dialogverweigerung
liegt. Wird das geschehen?

Die Laieninitiative, in der ich mitarbeite, hat in einer Situation, wo alle gespannt auf die
nächsten Schritte des Bischofs von Rom warten, diese Frage an die Ortsbischöfe gerichtet,
die ja für das Kirchenvolk die Autorität der "Weltkirche" repräsentieren. Sie schreibt dabei:
"Es würde das nicht nur ganz neue Perspektiven eröffnen, sondern die Reformkräfte erhielten
die Chance, ihre Argumente in einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Hierarchie
eingehend darzulegen und zu begründen."

Weiters: "Die im internationalen Bereich zahlreich auftretenden Reformkräfte würden dann
ihre Bemühungen darauf konzentrieren, endlich auch jene von ihrem guten Willen und von
der Qualität ihrer Anliegen zu überzeugen, die entscheidungsbefugt sind." - Kann das wirklich
erwartet werden? Natürlich wissen wir alle, dass auch ein noch so gutwilliger und menschenfreundlicher
Papst das Steuer nicht einfach herumreißen kann. Aber er könnte den Kurs mutig korrigieren. Er müsste es sogar, sollten wir nicht alle Hoffnung aufgeben und nur zusehen müssen, wie ein längst überholter Klerikalismus das Schiff der Kirche in verhängnisvolle Untiefen steuert!

Die jeder Vernunft und vor allem Jesus widersprechende Kirchenverfassung gibt dem "Heiligen
Vater" eine ganz unbegrenzte sowie alleinige Entscheidungsmacht. Ebenso uneingeschränkt
ist daher seine Verantwortung. Für Franziskus gilt wie für seinen Vorgänger Jesu
Wort, dass man den Menschen an seinen Früchten erkenne. Es wird auch für ihn der Tag
kommen, wo sich zeigen wird, wie die seinen geartet sind. Er kennt jetzt schon die Gegner
sehr gut. Wird er nun auch auf jene zugehen, die ihm zur Seite stehen könnten? Das würde
wahrlich viel ändern!





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