!!!Das (notwendige) Ende des „Dialogs“

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Von

__Herbert Kohlmaier__

''Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 21/2011''

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Wie seit einiger Zeit bekannt, hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert
Zollitsch einen mehrjährigen Dialogprozess angekündigt. Dabei sollen wichtige
Fragen, vor denen die Römisch-katholische Kirche heute steht, in allen Diözesen und
einer möglichst offenen Form („ohne Denkverbote“) beraten werden. Einige als konservativ
geltende Bischöfe haben aber bereits ihre Distanz erkennen lassen.

Im Vorfeld hat nun das angesehene Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf seiner
Herbstvollversammlung mit großer Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, in der
die Öffnung des Diakonats für Frauen gefordert wird. Seien sie doch angesichts ihrer
vielfältigen Leistungen für die Kirche längst unentbehrlich geworden, aber noch immer
zu wenig in verantwortliche Aufgaben eingebunden.

Daraufhin hat die Bischofskonferenz verlauten lassen, diese Forderung bedeute „eine
erhebliche Belastung“ für den innerkirchlichen Dialog. Ein solches Verlangen sei „mit
den weltkirchlich verbindlichen Überzeugungen und Festlegungen nicht vereinbar“.

!Ein berechtigtes Anliegen

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Frauen zu den Diensten der jungen Kirche
herangezogen wurden. Es geschah das mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, die
wohl auf die überlieferte Haltung Jesu zurückzuführen ist. Dies gilt insbesondere für
Paulus, was die Grußlisten seiner Briefe deutlich erkennen lassen. Er erwähnt hier
(Röm 16,1 u.7) nicht nur die Phöbe als „diakonon“, sonder auch Junia, die er zu den angesehenen
„apostolois“ zählt. Frauen im Diakonenamt würden also eindeutig der christlichen
Tradition entsprechen.

Diese hat die Kirche nach dem Konzil von Trient im Gegensatz zur Reformation als eine
der beiden Quellen göttlicher Offenbarung bezeichnet. Es blieb das zwar nicht unumstritten,
aber auch das Vatikanum hat diese Auffassung nicht beseitigt. Der junge Theologe
Ratzinger bedauerte das noch 1967, schwenkte aber dann ganz auf die große Wertschätzung
der Tradition ein. So sagte er am 29. Juni 2010 bei der Messe zum Hochfest
Peter und Paul (!), sein Amt garantiere die „Übereinstimmung mit der Wahrheit und der
authentischen Tradition“. So würden die Gläubigen vor Irrtümern geschützt!
Wieder einmal zeigt sich die Unaufrichtigkeit und mangelnde Wahrhaftigkeit dieses
Papstes und seiner ihm ergebenen Kirchenleitung. Tradition ist für ihn offenbar das,
was die Piusbruderschaft will, nicht aber, was sich im Glaubensleben entwickelte und
bewährte. Dazu würde auch die Berufung aller Bischöfe unter Einbeziehung von Kirchenvolk und Klerus gehören, was Rom aber bedenkenlos missachtet. Überhaupt hat man den Eindruck, alle Heiligen von Jesus abwärts würden verehrt, ja geradezu in Besitz genommen, aber es gilt nur wenig, was sie lehrten und wie sie handelten.

!Eine halb geöffnete Tür wird wieder zugeschlagen

Wenn das Aufwerfen der Frage von Frauen im Amt des Diakons – was ja dem tatsächlichen
Verhältnissen der Seelsorge entspräche! – eine „Belastung“ für Gespräche mit den
Bischöfen bedeuten soll, ergibt sich absolut Untragbares. Das Ausschließen eines so
wichtigen Themas beweist, dass der groß angekündigte Dialogprozess wertlos ist. Seinen
Ergebnissen werden von vornherein strikte Grenzen gezogen. Es darf offenbar nur herauskommen,
was dem Vatikan genehm ist.

So vorzugehen, nennt man sonst überall „Beschäftigungstherapie“, oder auch „Dampf
ablassen“. Es zeigt nicht nur die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Hierarchie, mit dem
Kirchenvolk in einen echten Dialog zu treten, sondern bedeutet eine Degradierung der
angeblichen Gesprächspartner zur Rolle in einer Inszenierung bloßer Beschwichtigung.
Ist es wirklich sinnvoll, dabei mitzuspielen? Was am Ende droht, ist nichts anderes als
die Verschärfung bestehender Gegensätze und Frustration.

Die Reformkräfte in der Kirche stehen heute vor der bitteren Erkenntnis, dass alle ihre
Bemühungen, die Kirchenleitung von der Notwendigkeit mutiger Erneuerungen zu
überzeugen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt waren. Es war unfair, dass man
ihnen das nicht gleich offen und ehrlich gesagt, sondern sie hingehalten und damit falsche
Hoffnungen genährt hat.

!Was unsere Verantwortung ist

Künftige Historiker werden einmal über die gegenwärtige Situation berichten. Eine Kirchenleitung
habe sich unnachgiebig und uneinsichtig gezeigt. Unfähig, die Zeichen der
Zeit zu erkennen, wie es ein bedeutendes Konzil des 20. Jahrhunderts wollte, um die
Kirche zukunftsfähig zu machen. Für die künftige Beschreibung des danach Folgenden
können zwei mögliche Varianten gedacht werden. Die eine: Die Kirche wäre daraufhin
immer mehr verlassen worden und zu einer fundamentalistischen Sekte geschrumpft.
Die andere: Das Kirchenvolk habe das nicht hingenommen und sich selbständig gemacht.
Nicht durch ein Weggehen oder die Gründung einer neuen Glaubensgemeinschaft,
sondern mit einer ebenso sanften wie selbstbewussten Machtergreifung in der
Kirche, der schließlich Rechnung zu tragen war. Die Hierarchie habe erkennen müssen,
dass sie sich nur noch auf eine Minderheit unterwerfungssüchtiger Gehorsamskatholiken
stützen konnte und wurde so veranlasst, wieder die Verbindung zu den Menschen
zu suchen, die Jesus nachfolgen wollten.

Welches der beiden Szenarien sich verwirklichen wird, liegt nicht in der Hand des Vatikans,
sondern in unserer. Die Zeit zum Handeln drängt, zu Vieles ist schon verloren gegangen
oder arg beschädigt worden. Wir dürfen uns nicht mitschuldig machen, wenn
unsere Kirche von einer nur auf sich selbst zentrierten Leitung in eine lebensbedrohliche
Gefahr dirigiert wird. Alles muss unterbleiben, was ein Billigen oder gar Mitmachen
bedeuten würde. Jetzt hingegen neue Wege zu beschreiten ist jene große Aufgabe und
Verantwortung, der wir uns stets bewusst sein müssen.


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