!!!Mit der Kirchenreform steht es „unentschieden“

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Von

__Heribert Franz Köck__

Aus: ''Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 287/2019''

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Christian B. Schäffler versorgt über seine Plattform CBS Kultur Info in Basel seit langem an
Christentum und Kirche Interessierte mit aktuellen Nachrichten zu diesen Themen. Da ich gerade
erst seine jüngsten Aussendungen aufgearbeitet habe, sind mir dabei verschiedene Zitate deutscher
Bischöfe zum Thema „Kirchenreform“ untergekommen – von Befürwortern derselben,
von Gegnern und von solchen, welche sich in der Auseinandersetzung mit der Rolle von Beobachtern
begnügen und allenfalls gelegentlich „fromme“ Kommentare abgeben. Ich gebe hier
ein paar Beispiele wieder und überlasse es fürs Erste dem freundlichen Leser, sich selbst ein Urteil
darüber zu bilden, wo der betreffende Bischof mit seiner Aussage einzuordnen wäre.


Ich beginne mit dem Journalisten und Buchautor Volker Resing (geb. 1970), seit 1. Oktober 2014
Chefredakteur der „Herder Korrespondenz“ mit Sitz in Freiburg und Berlin. Er ist zwar selbst kein Bischof, zitiert (oder paraphrasiert) aber im Vorspann zu seinem Leitartikel „Nur Aufbruch ist zu wenig“ in HK 2/2019 zwei Bischöfe zur Sache:

%%small
Missbrauchskrise, Strukturkrise, Mitgliederschwund – die Lage der Kirche ist dramatisch. Bischof Franz-Josef Bode ~[Osnabrück] spricht von einem mannigfaltig „irritierten
System“. Bischof Heiner Wilmer ~[Hildesheim] fühlt sich an die großen Wendepunkte
der Geschichte erinnert. Doch die Reden von Reform und Neuaufbruch
kranken noch an zu viel Nabelschau. Veränderungen sind nötig, doch es muss das
Ziel bestimmt werden. Wohin soll es eigentlich gehen?
%%

Damit spricht Resing auch schon die gegenwärtige Ziellosigkeit in der Kirche an. Aber ich nehme
diese Formulierung auch schon wieder zurück. Eigentlich ist es ganz falsch, von einer Ziellosigkeit
in der Kirche zu reden. Das Ganze erinnert mich ein bisschen an das Seilziehen, das wir
im schulischen Turnunterricht gelegentlich machen mussten/durften. Zwei den ersten Anschein
nach gleich starke Gruppen zogen am Seil in entgegengesetzten Richtungen. Siegreich war jene
Gruppe, welche das Seil schließlich in ihre Richtung ziehen konnte, was meist dazu führte, dass
die Mitglieder der anderen Gruppe umpurzelten. Aber solange es noch keiner Gruppe gelungen
war, das Seil in ihre Richtung zu ziehen, hätte man auch vermuten können, dass sich keine der
beiden so richtig anstrengte. Dasselbe gilt auch für die Befürworter und Gegner einer Kirchenreform.
Es wäre nicht richtig, ihnen zu unterstellen, dass sie nicht kräftig in ihre Richtung ziehen
würden. Aber bisher, so scheint es, neutralisieren sie sich. Oder „höhere Kräfte“ (und damit meine
ich weder den lieben Gott noch sonstige himmlische „Mächte und Gewalten“) haben das Seil
irgendwo und irgendwie festgenagelt, sodass es sich in keine Richtung ziehen lässt.


Ich komme jetzt zu den weiteren, von mir angekündigten bischöflichen Zitaten. Ich beginne mit
Bischof Georg Bätzing von Limburg:

%%small
„In gewisser Weise müssen wir uns neu erfinden. Wenn wir es einfach so lassen wie
bisher, wird sich die Kirche in vielen Punkten in kurzer Zeit erübrigt haben.“
%%

Als nächster ist Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg am Wort. Das ist zwar keine alphabetische
Reihenfolge, aber hier gebe ich dem thematischen „Nahebezug“ den Vorzug:


%%small
„Nein, die Kirche muss sich nicht neu erfinden, die Kirche kann sich gar nicht neu
erfinden … Die Kirche ist keine Erfindung der Menschen, sondern das Projekt Gottes.“
%%

Und jetzt gleich zu Erzbischof Rudolf Schick von Bamberg:

%%small
„Kirche besteht und formt sich immer neu aus Menschen, die sich Christus geweiht
haben.“
%%

Als nächsten zitiere ich Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen und Militärbischof für die
Deutsche Bundeswehr, weil er die Diskussion wieder aus den luftigen Höhen der Theorie in den
„erdigen“ Bereich der Praxis zurückführt:

%%small
Vorurteile überwinden! ''Die katholische Kirche muss ihre Sicht auf Homosexualität verändern.''

Die Humanisierung von Sexualität – in welcher Hinsicht auch immer – bedeutet
heute gleichermaßen ihre Personalisierung. Vor diesem Hintergrund droht umso
mehr eine intellektuelle Marginalisierung der katholischen Morallehre, sollte in dieser
Frage das Gespräch mit den Erfahrungen der Menschen und den sie reflektierenden Humanwissenschaften vermieden werden. Auch der Dialog mit den exegetischen
und moraltheologischen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte muss so geführt werden,
dass ein Lern- und Erkenntnisfortschritt nicht von vornherein ausgeschlossen
ist. Nur so bleibt, wie seit den Anfängen des Christentums, Tradition ein lebendiges
Geschehen.
%%

Und Joachim Wanke, emeritierter Bischof von Erfurt, meint offenbar in Richtung jener, welche
gerne das Jesus-Wort “Fürchte Dich nicht, Du kleine Herde“ bemühen oder gar sich für den
„heiligen Rest“ halten:

%%small
Dass eine Kirche nicht wächst, mag auszuhalten sein, dass sie aber nicht wachsen
will, ist schlechthin unakzeptabel.
%%

Abschließen möchte ich diese bischöfliche „Heerschau“ mit einem, der zwar nicht Deutschland
seinen Sitz hat, aber auch für die deutschen Katholiken nicht völlig unbeachtlich sein dürfte,
nämlich mit dem Bischof von Rom. In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (Die
Freude des Evangeliums) über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute aus 2013
sagt Franziskus:

%%small
Ich hoffe, dass mehr als die Furcht, einen Fehler zu machen, unser Beweggrund die
Furcht sei, uns einzuschließen in die Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben,
in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten,
in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet
und Jesus uns pausenlos wiederholt: "Gebt ihr ihnen zu essen!" (Mk 6,37).
%%



~* * *



Haben Sie sich aus den verschiedenen Bischofsstimmen einen Reim machen können?
Leider können Sie mir dazu jetzt keine unmittelbare Antwort geben. Dafür verrate ich Ihnen
aber, wie die Stimmen auf mich gewirkt haben. Ich hoffe, ich bereite nicht allzu vielen von Ihnen
eine Enttäuschung, falls ich mit meiner Analyse anders als Sie liege sollte.

Meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht hat das Problem der Limburger Bischof Bätzing.
Seine Aussage hat mich an weiland Hans Weigel erinnert, der vor vielen Jahren periodisch im
österreichischen Rundfunk eine Glosse unter dem Titel „In den Wind gesprochen“ las. Diese
schloss er immer mit den Worten: „Es muss etwas geschehen. Denn wenn nichts geschieht, dann
passiert etwas.“ Dieser Schluss drängt sich auch als Ab- zw. Anschluss zu Bischof Bätzings Aussage
auf…

Dazu hat der Regensburger Bischof Voderholzer den Kontrapunkt gesetzt. Seine Aussage ist,
dass sich die Kirche gar nicht ändern könne, weil sie keine Erfindung der Menschen, sondern das
Projekt Gottes sei. Damit wird insinuiert, dass für die Kirche nicht die Menschen in i, sondern
(nur) Gott selbst zuständig sei. Eine solche Aussage erinnert mich an den früheren Wiener Weihbischof
und nachmaligen Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn. Er schloss jeden Reformbedarf der
Kirche von vornherein aus, weil diese ja unter der Führung Gottes stehe und daher gar nicht
reformbedürftig sein könne: „So wie die Kirche ~[gerade] ist, ist sie gut.“ Für sich nahm er die
Wahrheit derart in Anspruch, dass er behauptete, alles, was er sage, sei nichts anderes als die getreue
Weitergabe der Weisungen Jesu; und da ja Jesus nicht geirrt haben könne, könne auch er
(Krenn) nicht irren.


Bedauerlicher Weise haben ihn Rundfunk und Fernsehen in Österreich immer wieder „auftreten“
lassen, sozusagen als „die dumme Stimme“ der Katholischen Kirche. Als ich dafür kein Verständnis
zeigte und meinte, Krenn repräsentiere außer sich allenfalls noch den Wiener Erzbischof
unseligen Angedenkens, Kardinal Hermann Groër, wurde mir von einem Freund und führenden
katholischen Journalisten Österreichs ein Blick hinter die Kulissen des ORF gewährt: Krenn
werde nur als „Medienkrokodil“ eingeladen, auf das sich (wie es der Kasperl in der Puppenbühne
tut) gut eindreschen ließe.

Voderholzers Kontrapunkt ist aber auch noch aus einem anderen Grund gefährlich. Er nimmt
den Menschen in der Kirche die Verantwortung für dieselbe ab und schiebt sich sie dem lieben
Gott zu; nicht ganz unähnlich einer vor Jahren vom derzeitigen (Noch-) Erzbischof von Wien,
Kardinal Christoph Schönborn, eingenommenen Position, der auf die Frage nach seinem Pastoralplan
für das Erzbistum dahingehend geantwortete haben soll, er hätte zwar noch keinen, aber
er vertraue darauf, dass die (von ihm verehrte) Madonna von Medjugorje schon für einen solchen
sorgen werde. Papst Franziskus hat zwar mittlerweile seine Zweifel an den dortigen Erscheinungen
geäußert – Maria sei keine „Oberpostbeamtin“ zur Überbringung von Nachrichten ihres
Sohnes (womit man auch andere, „klassische“, Marienerscheinungen der letzten zweihundert
Jahre hinterfragen könnte) –; aber da Kardinal Schönborn mittlerweile einen Pastoralplan nicht
nur hat, sondern auch hartnäckig umzusetzen versucht, dürfte er doch nicht auf die Eingebungen
aus Medjugorje gewartet haben.

Überdies stößt dieser Pastoralplan überwiegend auf Ablehnung, weil er nach dem Prinzip vorgeht:
„Wir haben keinen Priestermangel, wir müssen nur die Pfarren zusammenlegen“. Sollte
dieser Pastoralplan aber tatsächlich der Madonna von Medjugorje in die Schuhe geschoben werden
können, dann müsste man dies als Bestätigung dafür ansehen, dass die dortigen Marienerscheinungen
nicht echt sein können; denn einen solchen Pastoralplan würden wir den himmlischen
Pläneschmieden nicht unterstellen wollen.

Im Übrigen lässt sich auf eine derartige „Schrumpf-Pastoral“ gleich mit dem Wort von Alt-
Bischof Wanke antworten, das ich hier entsprechend abwandeln darf: Dass eine Kirche nicht
genug Seelsorger hat, mag auszuhalten sein, dass sie aber gar nicht mehr Seelsorger haben will,
ist schlechthin unakzeptabel. Dabei stünden eine Menge geweihter Seelsorger zur Verfügung,
ließe man endlich die unsinnigen Schranken wie Pflichtzölibat und Ausschluss der Frauen von
den Weiheämtern fallen.

Keinen Beitrag zum Ringen um die Kirchenreform stellt die Aussage des Bambergers Erzbischof
Schick dar, denn der Hinweis: „Kirche besteht und formt sich immer neu aus Menschen, die sich
Christus geweiht haben“, ist bestenfalls eine Binsenweisheit. Wenn er aber mit „Menschen, die
sich Christus geweiht haben“ nicht alle Gläubige gemeint haben sollte, sondern nur die Mitglieder
von kleinen innerkirchliche (oft auch Jugend-) Gruppen, die für sich in Anspruch nehmen,
einen ganz neuen, besseren Weg zu Christus gefunden zu haben, dann würde der Erzbischof nur
selbstgestylten kirchlichen „Elite“grüppchen Vorschub leisten, die früher oder später sektenähnlichen
Charakter annehmen.

Die Kirche wird nicht dadurch verbessert, dass einige „Eingeweihte“ rund um einen Tisch sitzen,
auf dem eine Kerze brennt, und dazu singen und beten. (Wolfang Oberndorfer hat uns in der
vorwöchigen Ausgabe der > gedanken zu Gaube und Zeit < ~[Nr. 286] einen Einblick in derartige
Gruppierungen – auch und gerade unter der Jugend – gewährt.) Der Pfarrer eine Wiener Großpfarre
in einem Arbeiterbezirk, dessen Ausdrucksweise manchen als anstößig erschien, hat schon
vor Jahrzehnten auf derartige Vorhaltung immer mit einem Vergleich aus der Theaterwelt geantwortet:
„Mir ist es lieber, ich bringe hundert auf einem Stehplatz in den Himmel, als zehn auf
einem Sperrsitz.“


Zu solchen esoterischen Zirkeln und ihrem Treiben stellt die Forderung des Bischofs von Essen
und deutschen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck mit seiner Forderung nach einer Haltungsänderung
der offiziellen Kirche gegenüber Homosexuellen, mehr als einen Gegensatz des bloßen
Stils dar. Er verbindet sie mit einer Kritik an der noch immer fortdauernden Ablehnung der
„Welt von heute“ durch ein starres Beharren auf „Wahrheiten“, die mit der Wiklichkeit (aber
auch mit einem richtig verstandenen Naturrecht!) unvereinbar sind. Bischof Overbeck fordert die
offizielle Kirche zu einem Offenbarungseid auf: „Wie hältst du es mit dieser unserer Welt?“
Eine Antwort darauf wäre von großem Wert für die Standortbestimmung der Kirche. Und dafür,
ob sie den Menschen von heute Steine oder Brot geben will.

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