!!!Das Liebesgebot bedeutet alles!


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Von

__Herbert Kohlmaier__ 

Aus: ''Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 232/2017''

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In letzter Zeit brachte der ORF eine Reihe sehr gut gemachter Sendungen, die sich den Diktatoren der jüngeren Geschichte und dem Weltkrieg widmeten. Jedes Mal war ich nach dem Zusehen erschüttert und die Frage quälte mich, wie die geschilderten schrecklichen Untaten überhaupt möglich waren! Dabei wurde mir klar, wie sehr das Christentum seinem ganzen Wesen und Sinn nach die Alternative zur Gewaltausübung sein müsste, und wie wenig das den Menschen bewusst ist! Das regte mich zu den folgenden Gedanken an, welche sich auch damit befassen, ob und wie sehr es der Kirche gelingt, die Liebes- und Friedensbotschaft Jesu zu verkörpern.

!Ein erschütterndes Dokument

Ich hatte einen lieben Freund namens Dr. Karl Hahn, den ich vor vielen Jahren in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der Union Europäischer Christdemokraten[1] kennengelernt hatte. Ein Altösterreicher, in Karlsbad geboren und ein hochgebildeter Mann, durch und durch Humanist. Er beherrschte fünf Sprachen, alle nannten ihn scherzhaft „Henne“. Als die Nazizeit anbrach, war er mit einer Jüdin verheiratet und das Ehepaar rettete sich nach Holland.

Wir in dieser Vereinigung waren wie auch fast alle anderen politische Kräfte in der europäischen Zusammenarbeit ganz an den Wertvorstellungen der Menschenrechte orientiert und Hahn wohl aufgrund seines persönlichen Schicksals ein besonders leidenschaftlicher Gegner des Antisemitismus. Ich korrespondierte häufig mit ihm und im Zuge dessen schickte er mir ein berührendes Dokument. Es handelte sich um Worte des Juden Jossel Krackower, der im Warschauer Ghetto umkam.


Nun ist die Judenverfolgung eine schwärende Wunde in der deutschen Geschichte, die niemals
ganz heilen kann und – wie es so genannt wird – ein ständiges „Aufarbeiten“ erfordert. Ebenso
in Österreich, denn auch in diesem Land, das von Hitler annektiert wurde, gab es zahlreiche Mittäter,
und auch viele, die einfach wegschauen wollten. Was jedenfalls bleibt, ist eine unüberhörbare
und ewige Mahnung. Alles muss unternommen werden, um eine Wiederholung so barbarischen
Geschehens zu vermeiden. –


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!Nur „politische“ Verbrechen der Vergangenheit?

Tief bewegend ist, wie der Jude Jossel mit Gott hadert, aber seinen Glauben wie der biblische
Ijob nicht aufgeben will. Vor dieser Haltung kann man sich nur verneigen. Aber was ging in den
Tätern vor? Wenn man sich die furchtbaren Ereignisse, die im vorigen Jahrhundert und mitten in
Europa geschahen, vor Augen führt, ist ganz unbegreiflich, wozu Menschen fähig sind. Die SS-Schergen
als unmittelbare Täter zuerst, aber noch viel mehr jene, die als „Schreibtischtäter“ grausame
Befehle von unendlicher Brutalität erteilten.

Da geht es keineswegs nur um Missbrauch politischer Macht, sondern um ganz prinzipielle Fragen der ganzen Menschheit und ihrer Geschichte. Die Verbrechen des Nationalsozialismus stehen ja keinesfalls allein da. Die Diktatoren Stalin, Idi Amin, Pol Pot und wie immer sie heißen mögen, haben Millionen von Menschenleben vernichtet. Sie fanden auch immer ihre Schergen, solche, die sich dann selbst zu weiteren Urhebern grausamer Gewalt machten, wie etwa im zweiten Weltkrieg der japanische General Tojo Hideki.

Kaltblütige Schreibtischtäter eben waren am Werk, deren Seele vom Wahn zerstört war, denn sie kannten kein Mitgefühl. Stalin ignorierte sie einfach, jene Kulaken, die er massenhaft in den Hungertod schickte. Hitler vermied es, einem jener unter entsetzlicher Kälte und Erschöpfung leidenden Soldaten gegenüberzutreten, die in Stalingrad eingekesselt waren und auf den Ausbruch hofften. Es wurde ihnen stur verweigert, sie gingen elend zugrunde, denn der deutsche Soldat darf unter keinen Umständen zurückweichen! Himmler sah wohl niemals einem Kind in die flehenden Augen, das in die Gaskammer geschickt wurde.

Wahre Abgründe tun sich auf. Wie gehen die davon betroffenen mit ihrem Schicksal um? Gibt es Grenzen der Leidensfähigkeit? Es liegt in der Natur des Menschen, immer Wege zu suchen, um das Schreckliche zu bewältigen, etwa durch den Glauben, wie der Jossel Krackower. Auch wenn es nicht hierher passen mag, soll nicht unerwähnt bleiben, dass sogar bitterer Humor helfen kann, das Schreckliche erträglicher zu machen. Bezeichnend dafür ist ein Witz aus der Nazizeit, der mit unüberbietbarer Treffsicherheit das Übel der Mitleidlosigkeit bloßlegt. – Ein SS-Offizier, der sein eingesetztes Glasauge hervorragend findet, sagt zu einem Häftling. „Na, Jude, kannst du mir sagen, wenn Du mich ansiehst, welches meiner Augen das künstliche ist?“ Der antwortet ohne Zögern: „Das linke!“. „Richtig, aber woran konntest du das erkennen?“ Der Mann sagt die Begründung: „Es hat mich so gitig[2] angeblickt...“

Aber ist das alles nur Geschichte und Vergangenheit? Vom Diktator Nordkoreas Kim Jongun mussten wir uns erst vor kurzem anhören, er könnte Japan mit nuklearen Raketen einfach auslöschen und US-Präsident Trump zahlte prompt mit gleicher Münze zurück. Es ist unfassbar! Das mag man als Exzess von absonderlichen Persönlichkeiten ansehen, doch ebenso ist es im höchsten Maß beunruhigend, dass auch in Ländern des uns nahen Kulturkreises nicht wenige Leute am Ruder sind, die nicht begreifen, dass die absolut bedingungslose Achtung der Unversehrtheit des Lebens, der Freiheit und der Würde jeder Person unverzichtbar ist. Es bedarf nicht der Nennung jener der Autokratie zuneigenden politischen Führungspersönlichkeiten unserer Gegenwart, die das offenbar nicht verstehen (wollen).

Auch wenn sie nicht mit den erwähnten großen Missetätern der Menschheitsgeschichte vergleichbar sind – hier gilt das Wort, dass den Anfängen zu wehren ist! Wer gibt uns die Garantie, dass die Untaten auch dieser, gern als „Populisten“ bezeichneten Leute nicht ausufern könnten? Alle, die ihre Macht damit zu rechtfertigen versuchen, dass innen und außen zu bekämpfende Feinde lauern, neigen zu Bedenken- und Rücksichtslosigkeit und diese sind allzu oft Vorstufe der Gewaltanwendung.

!Der brüchige Fortschritt der Menschheit

Aber sind nicht längst Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat errungen? Als die wahren und wirksamen Gegenmittel zur Abwehr jener Erniedrigung der menschlichen Person, die so unendlich oft geschah und geschieht? Doch das errichtete Gerüst der Humanität ist oft schwach und schwankend, abgesehen davon, dass es in sehr vielen Ländern außerhalb Europas sowie des angloamerikanischen Raums noch gar nicht wirklich aufgebaut wurde.

Die Repräsentanten der demokratischen Rechtsstaatlichkeit sind allzu oft hilflos. Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates nützen ebenso wenig wie zahllose andere Appelle und Mahnungen.

Militärisches Eingreifen zur Beseitigung von Diktaturen kann allzu leicht scheitern, man denke nur n den Irak-Krieg der USA. Das Wüten von Gewalt und Bürgerkrieg in einzelnen Regionen gleicht der Hydra in der griechischen Mythologie. Jenem Ungeheuer, dem, wenn man ihm den Kopf abschlägt, neue wachsen.

Ein gar merkwürdiges Phänomen zeigt sich. Die Menschheit erzielt heute viele und früher unvorstellbare Fortschritte auf den Gebieten der Wissenschaft, der Biologie und der Technik. Ein rasanter Fortschritt beschleunigt sich noch immer mehr. Wir sind angeblich bald in der Lage, Roboter mit einer der menschlichen Intelligenz ähnlichen Fähigkeit herzustellen. Winkt uns damit bald das Paradies? Mitnichten! Die Hölle der Gewalt ist auf unserem Globus allgegenwärtig, in der Form kriegerischer Auseinandersetzungen, der Vertreibung, der Unterdrückung, des physischen und seelischen Tötens. Den Tätern werden mit Duldung von Politikern modernste Kampfmitteln geliefert, und die, die das tun, werden damit selbst zu Mittätern, ja zu Mördern.

Doch nicht nur physische Gewalt ist das schreckliche Übel einer Menschheit, deren zivilisatorischer Fortschritt von keinem auch nur im entferntesten vergleichbaren Fortschritt von Moral und Ethik begleitet ist! Sind da nicht sogar Einbußen zu verzeichnen? Auch in den Häusern der entwickelten Zivilisationen herrscht Gewalt. Korruption vergewaltigt Gerechtigkeit, Manipulation der öffentlichen Meinung vergewaltigt die Wahrheit, noch immer vorhandene und keineswegs unvermeidliche Armut die Menschenwürde. Egoismus, der oft zur Egozentrik ausartet, zerstört den menschlichen Umgang miteinander. Die zum Ideal erhobene Spaßgesellschaft ist die eines von kommerzieller Werbung hochgepushten Materialismus.

!Ist es die „Ursünde“?

Natürlich liegt da die Frage nach der Sünde ganz nahe, nach dem, was die Religionen so bezeichnet. Versagen sie bei ihrer Abwehr des Bösen nur oder sind sie gar selbst Urheber oder zumindest Förderer der Gewalt? In letzter Zeit wurde dieser Vorwurf gegenüber den monotheistischen Glaubensgemeinschaften erhoben. Dem wird entgegengehalten, dass bei allen Hochreligionen der Friede, dessen Erlangung und Verteidigung im Mittelpunkt stehen. Zu recht wird darauf hingewiesen, dass es Friedenswerke der Glaubensgemeinschaften gibt und dass diese unendlich viele Menschen motiviert haben, sich für edle Ziele einzusetzen.

Aber warum bleibt das letztlich nur ein schwacher und unzulänglicher Versuch, der Fehlerhaftigkeit und Gebrechlichkeit der Menschennatur entgegenzuwirken? Oder anders gefragt: Warum gelingt es dem Glauben viel zu wenig, seine Ideale wirksam zu machen? Wo liegen die Hindernisse? Ist es ein Unverständnis des Wesentlichen, ein Abweichen vom vorgegebenen Weg? Dem sollte man doch wirklich nachgehen! Denn gerade für den christlichen Glauben müsste ja gelten, das er alle Kraft dafür einsetzt, den Worten des Gottessohnes bedingungslos zu folgen.

Die Lehre Jesu ist an Eindeutigkeit nicht zu übertreffen. Sehr anschaulich findet sie sich in seiner als Bergpredigt zusammengefassten Rede. Es geht ihm hier unübersehbar um den eigentlichen Kern seiner Botschaft, nämlich um Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit, um Verzeihen und Versöhnung. Stets sollen uns Geduld, Verständnis und Langmut leiten. Wir müssen uns davor hüten, über andere zu richten, zuerst müssen wir unsere eigenen Verfehlungen erkennen! Wenn wir die Liebe walten lassen, dürfen wir niemanden davon ausnehmen, nicht einmal unsere Feinde!

Eine der wichtigsten Mahnungen Jesu bezieht sich auf die Ausübung von Befehlsgewalt, welcher Art auch immer. Er weist darauf hin, wie sehr Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit das Handeln der Herrschenden begleiten und erhebt energischen Widerspruch gegen jede Form von Unterdrückung. „Bei euch soll es nicht so sein!“ Wer Macht ausübt, darf sich nicht über die anderen erheben sondern muss sich ganz auf die Aufgabe des Dienens besinnen.[3] (So sollen sich seine Jünger auch nicht Rabbi oder Vater nennen lassen, „denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“.)

Damit hat Jesus einen Befund für die Ursache menschlichen Elends erstellt, der nicht nur vollkommen zutreffend sondern auch absolut zeitlos ist! Würden sich alle, und vor allem jene, die heutzutage Macht ausüben, an die Worte Jesu halten, könnte das den wahren Fortschritt der Menschheit bedeuten, ja mehr noch als das. Wir wären damit auf dem Weg zum Reich Gottes, das uns Jesus immer wieder als das eigentliche Ziel allen menschlichen Tuns vor Augen führt, eindringlich und in vielen beeindruckenden Gleichnissen.

Das Liebesgebot ist nach Jesu Worten das oberste und sogar das alleinige, weil es alle anderen umschließt und begründet. Wir sollen den Nächsten lieben „wie uns selbst“. Das bedeutet nicht, Eigenliebe auf den Mitmenschen gleichsam auszudehnen, sondern sich selbst ganz in dessen Situation zu versetzen! Das darf nicht nur im einzelnen und besonderen Anlassfall erfolgen, sondern erfordert, jedes Tun – auf welcher Ebene es auch stattfinden mag – darauf zu prüfen, wie es von denen empfunden wird, die davon betroffen sind. In deren Lage müssen wir uns ganz hineindenken! Wahrlich ist das der einzig mögliche Weg zu einer besseren Welt!

!Die Versuchungen der Institution des Glaubens

Wie können die Religionen, wie kann die Kirche das Liebesgebot zu einer allumfassenden Geltung bringen? Führen wir es uns immer vor Augen: Ganz offensichtlich breitete sich das entstehende Christentum unaufhaltsam aus, weil sich seine Anhänger in der Nachfolge Jesu in einer grausamen und von Gewalt gekennzeichneten Welt anders verhielten. Was lag da näher, als diesem Erfolg Rechnung zu tragen und aus der rettenden Gesinnung eine Religion zu machen? Eine vorgeschriebene Staatsreligion sogar, durchorganisiert und mit einem Reichsgott Christus!

Doch das Unterfangen konnte und kann nicht wirklich gelingen. Denn: Ist es überhaupt möglich, eine heilbringende innere Haltung in ein System von Regeln und Vorschriften zu gießen? Da muss man ja Autoritäten einsetzen, die den anderen auferlegen, was sie zu tun haben und ihnen dazu die Macht geben, abweichendes Verhalten zu ahnden. Das erfordert einen Ämterapparat und einen mit Straftatbeständen durchsetzbaren Normenkomplex. Unvermeidlich kommt die Kirche dann zu dem, was nach Jesu Wort „bei euch nicht so sein soll“!

Aber bedarf eine Religion nicht doch gesicherter Gemeinsamkeit des Glaubens und regelhafter Ausstattung? Wozu ja kommt, dass dem im Menschen verankerten Kultbedürfnis entsprochen werden soll. Wollte Jesus das tatsächlich? Eine schwierige und überaus heikle Aufgabe entsteht so für jede christliche Konfession. Ein Weg muss beschritten werden, der an den zahlreich drohenden Tücken des Abirrens vorbeiführt. Da können nur Lichtgestalten vorangehen, die sich selbst ganz den Wegweisungen Jesu unterstellen. Keinesfalls dürfte es das Verfallen in das Übel aller Institutionen geben! Nämlich sich ganz mit sich selbst, also der eigenen Bedeutung zu beschäftigen und spitzfindigen Überlegungen über angebliche „Wahrheiten“ und deren regelhafte Durchsetzung anzustellen.

Das einzige, was da wohl möglich ist, bezeichnet das Wort Gesinnungsgemeinschaft. Natürlich ist undenkbar, dass wirklich alle die gleichen Ziele mit den gleichen Mitteln anstreben, aber im Kerngehalt sollte doch Übereinstimmung bestehen! Eine Kirche Jesu Christi kann demnach nichts anderes und besseres unternehmen, als mit einem wohl abgewogenen Maß an innerer Ordnung das den Menschen nahezubringen und – nota bene! – vorzuleben, was wir Frohbotschaft nennen. Leider muss es festgestellt werden: Das Misslingen dessen ist Ursache der Kirchenkrise.

Ein aktuelles Geschehen soll das deutlich machen. In der von Rom gelenkten Hierarchie beschäftigt man sich derzeit mit der Frage, ob wiederverheirateten Geschiedenen die Begegnung mit Jesus im Sakrament untersagt werden soll. Böser Streit entstand. Denken jene Hardliner, die sich vom Weg der Barmherzigkeit abwenden, den Papst Franziskus mit „Amoris laetitia“ vorzugeben versucht, an das Leid, das Menschen mit einer gescheiterten Ehe erfahren? Das Missverstehen des Liebesgebotes dieser vom Klerikalismus Besessenen ist offenkundig. Sie weichen den Herausforderungen der Ehe von Mann und Frau selbst geflissentlich aus, aber maßen sich an, zu verurteilen und zu verbieten. Sie verdienen damit nicht mehr, als Christen bezeichnet zu werden, so hart das klingen mag!

Man sollte einmal eine groß angelegte Umfrage in der Form durchführen, dass man erkundet, was den Menschen spontan zum Begriff Kirche einfällt. Jeder kann sich ausmalen, welche Antworten da kämen, wahrscheinlich würde sehr oft eine verkorkste Sexualmoral genannt. Ist das nicht schrecklich und zeigt es nicht ein Versagen auf allen Linien? Sollte nicht jeder Befragte sagen: Das sind die Menschen, die sich ganz für Frieden und Versöhnung einsetzen, für Menschlichkeit in jeder Hinsicht, immer und überall?

Doch diese Attribute wandern allmählich weg von der Institution Kirche und werden heute anderswo wahrgenommen. Natürlich bewundert man noch immer herausragende katholische Frauen und Männer, die sich an die Orte des Elends begeben und dort helfen. Aber im Bewusstsein der Menschen lösen sich die nach wie vor geschätzten karitativen Organisationen der Kirche von dieser immer mehr und werden mit NGOs und anderen idealistischen Vereinigungen in eine Reihe außerhalb der Religion gestellt. –

In der Schule kann es passieren, dass eine geschriebene Arbeit vom Lehrer ein „Nicht genügend“ erhält, weil sie mit „Thema verfehlt“ beurteilt wird. Leider verdient der hierarchische Betrieb diese Bewertung, und zwar umso mehr, je höher die Ebenen sind, auf denen er stattfindet. Dort müsste die Metanoia stattfinden, der Sinneswandel, das totale Umdenken! Jedes Tun der Amtsträger sollte in allen seinen Schritten darauf geprüft werden, ob es ganz dem Liebesgebot Jesu entspricht. Dessen fortlebender mystischer Leib zu sein nimmt die Kirche ja in Anspruch. Da fällt einem ein wahrhaft weises Wort ein, das der Dichter Erich Kästner geprägt hat. Es gibt nichts Gutes außer: man tut es.

Wie soll die Kirche Licht einer aus vielen Wunden blutenden Welt sein, wenn sie das Wesentliche eben nicht (immer) „tut“? Die Menschen sollten von ihr nichts anderes erfahren, als wie es gelingen kann, im Geist der Frohbotschaft zu leben. Und das bedeutet vor allem anderen, sich trotz aller Notwendigkeit des Wehrens gegen das Unrecht immer in die Situation aller zu versetzen, mit denen man zu tun hat. Mehr braucht die Kirche nicht machen, um wieder Beachtung sowie Respekt zu finden. Und vor allem die Bereitschaft, ihr im Namen der Menschlichkeit zuzuhören.

Wann wird das endlich verstanden? Diese Ausführungen sollen nicht als bloße Kritik verstanden werden, sondern als ernsthafte Mahnung, wie sie uns Christenmenschen zusteht. Ecclesia, das wahre Wesen der Kirche bedeutet Gemeinschaft als bestimmendes Element des Glaubens. Aber sie ist nur eine solche, wenn sie eine hörende und immer zur Gewissenserforschung bereite ist.

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!Fußnoten
[1|#1] Die Vorgängervereinigung der Europäischen Volkspartei\\
[2|#2] In jjiddischer Rede: gütig\\
[3|#3] Mk 10,42 ff
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