!!!Männlich und weiblich erschuf er sie (Gen 1,27)


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Von

__Herbert Kohlmaier__

Aus: ''Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 290/2019''

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In der über unzählige Jahrtausende zurückreichenden Geschichte der Evolution des Homo Sapiens
war es zweifellos so, dass die jeweiligen Lebensumstände seine Eigenschaften prägten. Dabei
spielte auch die Rollenverteilung der Geschlechter eine wesentliche Rolle. Im weitaus überwiegenden
Teil dieses Entwicklungsgeschehens war es Aufgabe der Männer, das Bestehen in einer
Umwelt mit vielfachen Bedrohungen zu sichern. Lebensraum war neu zu erkunden oder zu erobern.
Gemeinsam war die Jagd zu organisieren oder der Kampf gegen feindliche Gruppen zu
führen. Die Frauen hatten die Pflege des Nachwuchses und die Versorgung der Familie oder
anderer Gemeinschaften des Zusammenlebens durch Verwertung und Bewahrung der Lebensgrundlagen
zu bewältigen.

Diese Aufgabenverteilung hat bis heute eine unterschiedliche Ausstattung der Natur von Mann
und Frau bewirkt. Als biologische Komponente wirkt das männliche Geschlechtshormon Testosteron.
Der Körper des Mannes ist in der Aktion leitungsstärker, welchem Umstand ja durch getrennte
sportliche Wettbewerbe Rechnung getragen wird. Prinzipiell verfügen Männer und Frauen
aber über die gleiche Intelligenz und gleiche Fähigkeiten; doch nach wie vor liegen ihre Stärken
und Neigungen auf etwas anders gearteten Gebieten. In der insgesamt gesehen noch sehr
kurzen Phase der Entwicklung zu hochzivilisierten Gesellschaften hat sich daran nichts geändert.


Diese unterschiedlichen Begabungsstrukturen dürfen aber keinesfalls einer Qualifikation im Sinne
einer „Wichtigkeit“ unterzogen werden, denn sie haben ihren gleichen Wert!

In unserer heutigen Gesellschaft ist die frühere, so lange Zeit bestandene und damals überlebensnotwendige
Rollenverteilung der Geschlechter nicht mehr erforderlich. Der zivilisatorische
Fortschritt hat ganz neue und geradezu unendlich vielfältige Aufgaben und Betätigungsfelder
hervorgebracht, die von Männern und Frauen in gleicher Weise erfüllt werden können. Es gibt
nur wenige Ausnahmen, etwa körperlich schwer belastende Arbeiten an Baustellen.

Die Frauen mussten allerdings darum kämpfen, wirklich gleichberechtigt zu werden und die dominierende
Rolle ihrer männlichen Artgenossen zu überwinden. Das Ziel ist trotz großer Fortschritte
noch nicht erreicht. Während Frauen im öffentlichen und politischen Leben sowie in
vielen Berufen bereits ihren Platz errungen haben, verfügen Männer in den Chefetagen großer
Unternehmen noch immer über die Vorherrschaft. Offenbar sind sie durchsetzungsfähiger und
noch von den Jagd- und Kampfgruppen der Vorfahren auch im Sinne männlicher Exklusivität
geprägt. Wie dem immer auch sein mag: jedenfalls darf niemandem – keinem Mann und keiner
Frau – der Zugang zu einer Tätigkeit, zu einem „Beruf“ verwehrt werden, zu dem er oder sie eine
Berufung hat. Und ob eine solche Berufung vorliegt, muss zuletzt der/die Betreffende selbst entscheiden.

!Das gleichberechtigte Mitwirken der Frauen schafft unübersehbare Vorteile

Soweit Frauen in bisherige Männerberufe vorgedrungen sind oder dort gar inzwischen dominieren,
ist eine absolut positive Entwicklung eingetreten. Weibliche Fähigkeiten werden in das Berufsleben
eingebracht und können eine vorteilhafte Ergänzung bzw. Korrektur typisch männlichen
Verhaltens bewirken. Das Spektrum der Fähigkeiten und Tugenden wird durch das Zusammenwirken
der Geschlechter erweitert, an die Seite des Kampfpotentials samt nicht selten
fehlender Bedacht- und Rücksichtnahme tritt mehr „Gefühl“ und Entgegenkommen.

Man kann also sagen, dass die zivilisatorische Entwicklung durch die Überwindung der Rollenfixierung
der Geschlechter nicht nur neue Chancen für die Frauen herbeigeführt, sondern einen
qualitativen Fortschritt des Gemeinschaftslebens hervorgerufen hat! Dieser ist allerdings heute in
den verschiedenen Kulturkreisen noch unterschiedlich erreicht. Zu Recht werden Gesellschaften,
wo die Frauen noch immer in eine untergeordnete Rolle verwiesen werden, als rückschrittlich
und noch entwicklungsbedürftig angesehen. Der Trend zur Gleichberechtigung ist aber überall
spürbar. Seltsames ist da allerdings immer noch zu registrieren, etwa dass Frauen in Saudi-
Arabien nun doch ein Auto lenken dürfen, aber daheim weiter gezüchtigt werden können. Aber
auch in unseren Breiten gab es manche Verzögerung. Das Frauenstimmrecht wurde in der
Schweiz erst 1971 eingeführt.

Und da gibt es natürlich einen totalen „Ausreißer“, nämlich die römisch-katholische Kirche. Es
soll nun nicht zu einem neuerlichen Plädoyer für volle weibliche Gleichstellung in dieser Glaubensgemeinschaft
angesetzt werden, die Argumente dafür und die oft absurden Einwände dagegen
sind ja bekannt. Es geht vielmehr darum, sich endlich vor Augen zu führen, wie sehr sich die
Kirche mit ihrer Haltung selbst schadet! Schon deswegen, weil die Zurücksetzung der Frauen
Rückständigkeit bedeutet, die in unserer heutigen Gesellschaft Ablehnung hervorruft. An sich
beharrt ja das Kirchensystem überhaupt auf dem, was man sich in Altertum und Mittelalter zurechtgelegt
hat und nimmt damit immer mehr musealen Charakter abseits der Lebenswirklichkeiten
an.

Überdies ist der Ausschluss der Frauen von den wichtigen Aufgaben umso mehr unbegreiflich,
weil sie im praktischen Kirchenbetrieb längst unentbehrlich geworden sind. Und es fehlt das beschriebene und sehr vorteilhafte Zusammenwirken der Geschlechter mit ihren unterschiedlichen
Begabungen. Auf die Stärken der Frauen wird verzichtet und man bleibt beim Zustand einer
Männergesellschaft, wie sie in vergangenen Zeiten gang und gäbe war. Die Nachteile zeigen sich
deutlich vor allem in den Leitungsstrukturen. Die hier Tätigen verrennen sich in eine Verkopfung
ihres Tuns. Sie konzentrieren sich auf theoretische und theologische Fragen, was in der Produktion
einer Unmenge von oft spitzfindigen und meist überflüssigen Regeln und Vorschriften zum
Ausdruck kommt, zu deren Durchsetzung man sich ermächtig dünkt.

Damit zeigt sich eine verwerfliche Missachtung des erkennbaren Willens Jesu, der jede religiöse
Machtausübung ablehnte und in Bezug auf Frauen keine Vorbehalte oder Vorurteile erkennen
ließ, sondern sich auch ihnen ganz zuwandte. Die Kirche verharrt dagegen im Zustand einer
gänzlich überholten und zweifachen Zweiklassengesellschaft; es gibt die Überordnung des Klerus
im Verhältnis zu den Laien und die der Männer gegenüber den Frauen. Es ist sicher nicht falsch,
wenn man annimmt, die grauenvollen Missbrauchsskandale hätte es nicht oder nicht in diesem
Ausmaß gegeben, bestünde in der Kirche eine normale Einstellung zu den Frauen und zum Zusammenwirken
der Geschlechter.

Das alles tut der Kirche, ihrem Ansehen und ihrer Beurteilung gar nicht gut. Um die Menschen
wieder zu gewinnen und zu motivieren, bedarf es eines totalen Umdenkens im System. Der
Glaube erfordert Zuwendung, Verständnis und auch Wärme! Frauen könnten nicht nur arge Lücken
in der Seelsorge ausfüllen sondern auch sehr viel zu dem beitragen, was eine gute Seelsorge
erfordert. Ihr Wirken in diesem Bereich wird trotz der bestehenden Einschränkungen, die man
gottlob da und dort auch ignoriert, von den Menschen sehr geschätzt.

Das soll keineswegs bedeuten, dass es nicht auch gute Seelsorger männlichen Geschlechts gibt,
darunter wohl nicht wenige, die nicht auf die Beziehung zu einer Frau verzichten wollen. Gefragt
ist Offenheit, Ideenreichtum und pastorale Kreativität. Gespür, worauf die Menschen warten und
womit man sie erreichen kann, nicht altertümliches Regelwerk! Der Wiener Dompfarrer lädt immer
anlässlich des Valentinstags zu einer Segensmesse für Verliebte ein, die ein sehr gutes Echo
findet. Dabei gibt es keine Unterscheidung, wie deren Beziehung geartet ist – ein Horror für klerikale
Hardliner!

Aber es gibt trotz solcher positiver Erscheinungen ein unübersehbares und schwer belastendes
Defizit im Wirken der Kirche. Entweder erkennt man es nicht aus Dummheit oder ignoriert die
unverzeihlichen Einschränkungen der Nachfolge Jesu aus sturer Überheblichkeit. Kirche muss
unbedingt mit Herz zu tun haben, nur dann ist sie jene Liebesgemeinschaft, die Jesus wollte. Das
müssen die Menschen auch spüren.

Das heutige Ämtergebilde einer exklusiven Männerkirche ist herzlos. Daran kann auch Papst
Franziskus trotz guten Willens nichts ändern, solange er nicht dieses System aus seiner totalen
Rückständigkeit herausholt und den Frauen jene Rechte zubilligt, die sie im weltlichen Bereich
schon erreicht haben oder – oft erst nach Kampf um des Fortschritts willen – noch erreichen
werden.






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