!!!„Der Menschensohn muss ausgeliefert und gekreuzigt werden“

!!Eine nachösterliche Betrachtung

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Von

__Herbert Kohlmaier__

''Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 297/2019''

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Lukas erzählt, dass den Frauen, die zu Jesu Grab gingen, zwei Engel erschienen, welche sie fragten,
warum sie den Lebenden bei den Toten suchten – sie sollten sich doch erinnern, was er
schon in Galiläa gesagt habe, nämlich dass er „gekreuzigt werden müsse“. (Lk 24,6-7.) Was veranlasste
den Evangelisten dazu, mit dem Wort „muss“ einen unvermeidbaren und eigentlich von
Gott gewollten gewaltsamen Tod des Christus zu beschreiben? Offenbar sieht er die Kreuzigung
als notwendigen Teil des Heilsgeschehens, wie es dann auch vielfach so betrachtet wurde. Zu
Recht? Überlegen wir also, was geschehen wäre, hätte man Jesus nicht hingerichtet. Etwa weil
Pontius Pilatus ihn statt des Barabbas freigelassen hätte!

Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um sich diese historische Variante vorzustellen. Jesus hätte
wahrscheinlich trotz der mit dem Gerichtsverfahren erhaltenen Warnung seine Predigertätigkeit
fortgesetzt. Vielleicht etwas zurückhaltender und auch seine Jünger wären wohl vorsichtiger
geworden. Aber es wäre dabei geblieben, dass er als Prophet mit wunderbarer Begabung die
Menschen in seinen Bann gezogen und zur Überprüfung ihres Lebens veranlasst hätte. Eine Bewegung
im Rahmen des Judentums hätte existiert, die das erhoffte Heil durch Befolgung der
Mahnungen des Rabbi Jehoschua aus Nazareth anstrebte. Aber dem wären auch Skeptiker gegenübergestanden,
vor allem seitens der geistlichen Obrigkeit, welche die Anmaßung eines Mannes
abgelehnt hätte, gar die Rolle des erwarteten Messias einnehmen zu wollen.

Diese Situation wäre eine gewisse Zeit lang so geblieben. Aber Jesus wäre allmählich älter und
schwächer geworden, wobei wir bedenken müssen, dass die allgemeine Lebenserwartung damals
kaum 40 Jahre überschritt. Wäre dann dieser in der Mitte seines Daseins von gewaltiger Energie
geleitete Mensch gestorben, womöglich an einer Krankheit, hätte man ihn betrauert und begraben.
Aber wäre seine Botschaft lebendig geblieben? Es gab ja damals viele Prediger, die durchs
Land zogen, sie sind vergessen. Und vor allem: Hätte sich seine Lehre so sehr ausgebreitet, angenommen
auch von Griechen, Römern und Heiden und schließlich weltweit wirksam?

Oder anders gesehen: Hätte die Erweckung eines alten und gebrechlich gewordenen Mannes
vom Tod, nämlich seine von den Anhängern glaubwürdig wahrgenommene spirituelle Fortexistenz,
solche Wirkung ausgelöst? Hätten seine Freunde und Angehörigen den Menschen erzählt,
der Verstorbene sei ihnen erschienen, wäre das wohl als Nichtbewältigung des schmerzlichen
Verlustes eines geliebten Menschen verstanden und eher belächelt worden.

Und damit kommt man dem „müssen“ bei Lukas schon ganz nahe. Gab es also tatsächlich so
etwas wie einen göttlichen Ratschluss, um ein überwältigendes Wirken des Tuns und dann des
Sterbens Jesu herbeizuführen? War also dessen Hinrichtung nicht sehr bedeutsam für die Wucht
der Auferstehungsbotschaft? Die Kreuzigung stellte eine schreckliche Strafe dar, sie sollte bis zur
Persönlichkeitsvernichtung demütigen und entehren, um auch die gewünschte abschreckende
Wirkung zu haben. Angesichts dessen erhält die Auferweckung Jesu ihre besondere Bedeutung,
nämlich als zutiefst aufrüttelnder Widerspruch Gottes gegen das Jesu widerfahrene Unrecht.


Die Rettung eines Menschen, der sich Gott bedingungslos und mit allen Konsequenzen anvertraut
hatte, bedeutet ein unübersehbares Signal an alle Menschen. Gott hat den erhöht, den man
tot und mundtot machen wollte. Er hat damit gezeigt, dass nicht Willkür und Gewalt siegen. Er
hat etwas gefügt, das zutiefst betroffen macht und auch angesichts unsagbaren Elends Hoffnung
und Zuversicht bewirkt. Denn wir dürfen glauben, dass die Rettung nicht nur dieses, sondern
aller Menschen guten Willens erwartet werden kann.

Sieht man die Auferstehung so, erscheint es geradezu absurd, Jesu Tod als Opferung zu betrachten,
und ihn als „Lamm Gottes“, dessen Schlachten Gott versöhnen und die Sünden der Welt
tilgen sollte. Durch die Erweckung Jesu zu neuem Leben bei und mit ihm hat sich Gott als der
des Lebens gezeigt. Als der Barmherzige und Liebende, nicht aber als einer, der dem Töten eine
mystische Bedeutung geben wollte.

Wir sollten darüber nachdenken, ob es richtig ist, dass überall an den Wänden der Kirchen und
Häuser Kruzifixe die schreckliche Folterung Jesu darstellen. So als wollten wir Gott korrigieren,
indem wir bei Darstellung des österlichen Geschehens den Schlussakt mit dem Happyend weglassen.
Zugegeben, die Erweckung Christi ist schwieriger abzubilden, manchmal geschieht das
und wirkt leider dann eher kitschig. Aber Kreuzverehrung als Akt des Glaubens? Ein Marterinstrument
als heilig zu betrachten, bedeutet eine sehr fragwürdige Fixierung auf jenes Leid, das im
Sinne des liebenden Vaters zu überwinden auch unsere Aufgabe ist. Und für deren Bewältigung
Gott uns mit der Erweckung Jesu vom Tod auf wunderbare Weise Mut gegeben hat.









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