!!!Warum „private Messen“ die Bischöfe so sehr irritieren

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Von

__Herbert Kohlmaier__

''Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 14/2011''

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Vor allem durch den Priestermangel bedingt, verselbständigen sich Gemeinden bei ihren
Gottesdiensten immer mehr. Sie entwickeln dabei neue Formen mit dem Einsatz von
Laien oder Angestellten im pastoralen Dienst. Die Grenzen zur „Sonntagsmesse“ werden
unscharf, insbesondere wenn konsekrierte Hostien verteilt und Ansprachen gehalten
werden, die der Predigt ähneln. Die Bischöfe tolerieren das nolens volens. Allerdings ist
die Feier der Eucharistie mit der „Wandlung“ ebenso wie die Homilie geweihten Personen
strikt vorbehalten.

Dass im Fernsehen über „private“ häusliche Eucharistiefeiern in Tirol einschließlich des
Sprechens der sakramentalen Einsetzungsworte (Anamnese) und der Herabrufung des
Heiligen Geistes (Periklese) berichtet wurde, löste Empörung und den Hinweis des Ortsbischofs
auf drohende Kirchenstrafen aus. Hier sieht sich die Hierarchie gleichsam ins
Mark getroffen. Es wird an der alleinigen Befugnis des Klerus gerüttelt, das Wichtigste
des Glaubensvollzugs vorzunehmen. Ein sehr grundsätzliches Problem tritt auf.
Jesus stand dem Priestertum „prophetisch-kultkritisch“ gegenüber. Er berief (bzw.
„weihte“) selbst keine Priester, da er ja nicht beabsichtigte, eine neue Religion zu organisieren.
Die jungen Christengemeinden hatten daher keine Priester. Ihr Gottesdienst war
das Herrenmahl zum Gedächtnis an das Gemeinschaft stiftende und seiner künftigen
Erinnerung dienende Handeln Jesu vor seiner Kreuzigung. Paulus als Gemeindegründer
schildert es im Wesentlichen so, wie es uns aus den Evangelien (nicht bei Johannes) bekannt
ist.

Nichts deutet darauf hin, dass diese Feiern die Mitwirkung eines Priesters vorausgesetzt
hätten. Solche gab es ja noch recht lang nicht. Die Zusammenkunft der Jesusgläubigen
wurde von Männern und Frauen meist in ihren Häusern veranstaltet und geleitet.
Die bald entstandenen Aufgaben der Presbyter („Ältesten“) und Episkopen (später Bischöfe)
betrafen den Dienst im Allgemeinen, insbesondere an den Bedürftigen, sowie die
Verkündigung. Kultische Handlungen, die Priestern vorbehalten wären, gab es noch
nicht.

Erst viele Jahrzehnte später und dann im Zusammenhang mit der staatlichen Etablierung
des Christentums entwickelte sich dessen Priesteramt sowie die Bestellung dazu.
Es besteht dabei ein Zusammenhang mit der Deutung des Todes Christi als Opfer. Wesentliche
Neuerung war dabei, dass der Priester in die Rolle eines Repräsentanten
Christi befördert wurde. Er selbst vertritt also Jesus bei der Eucharistiefeier. Nur er
handelt – wie die Lehre heute sagt – „in persona Christi“. Die von Jesus zugesagte Anwesenheit
in der Gemeinschaft der Gläubigen kann also ohne Geistlichen nicht herbeigeführt
werden.


Es liegt auf der Hand, dass damit die Kirche ihre ausschließliche Berufung zur Heilsvermittlung
und damit ihre einmalige Position herstellen und absichern wollte. Jede
„Eigenmächtigkeit“ rüttelt an den klerikalen Fundamenten, sie bringt diese Alleinbefugnis
in Gefahr! Deren theologische Begründung ist allerdings höchst brüchig. Sie findet
ihre Entsprechung im Standpunkt des Papstes, durch die Nachfolge des Petrus
Stellvertreter des Herrn zu sein. Doch dagegen sprechen die Worte und das Handeln
Jesu ganz eindeutig. Er betont die Unmittelbarkeit der Beziehung jedes Menschen zu
Gott und verwirft die Anmaßung, sich als besonders befugt oder gelehrt über andere zu
erheben.

Streng genommen ist die Behauptung einzelner Menschen, in Vertretung und Vollmacht
Gottes oder Jesu zu handeln, eine Anmaßung, die in den Bereich der Blasphemie gerät.
Sie unterstellt ja Gott, seine Autorität und Heiligkeit fehlerhaften Geschöpfen überantwortet
zu haben, auch (zumindest teilweise) seine Macht und damit letztlich sich selbst!
Ein diametraler Gegensatz zur Auffassung Jesu zeigt sich. Es ist verwunderlich, dass
dieses Kernelement kirchlichen Selbstverständnisses über Jahrhunderte von den Katholiken
fromm akzeptiert wurde – nicht freilich vom Protestantismus.

Die ausschließliche Befugnis des geweihten Priesters, durch sich selbst Jesu Anwesenheit
in der feiernden Gemeinde herzustellen, kann von im Glauben gebildeten Christen
heute nicht mehr verstanden und einfach hingenommen werden. Das ändert oder mindert
aber keineswegs die seelsorgerischen Aufgabe der Geistlichen und ihren unverzichtbaren
Wert! Natürlich sind sie dazu berufen, die Eucharistiefeier zu leiten und für
deren korrekten und würdigen Ablauf zu sorgen. Sie haben durch ihre Ausbildung und
kraft ihrer Hingabe an den Heilsdienst die umfassende Aufgabe, die Gläubigen anzuleiten
und ihnen das Wissen über den Glauben und das Leben in ihm zu vermitteln.

Doch die Kirche ist heute nicht mehr in der Lage, ausreichend geeignete Priester für die
Feier der Messe zur Verfügung zu stellen. Sie behindert durch längst überholte und
theologisch nicht begründbare Berufsvoraussetzungen den nötigen Nachwuchs systematisch.
Sie verjagt Seelsorger, die ihre Liebe zu einer Frau nicht verbergen wollen. Damit
hat sie die moralische Berechtigung verloren, Selbsthilfe zu unterbinden. Eucharistiefeiern
ohne einen zum Anlass verfügbaren Priester entspringen dem Urbedürfnis des
Christentums nach der Vereinigung mit Jesus. Das wäre zu achten, nicht aber zu ahnden!
Was ursprünglich als Herrenmahl erlaubt und „gültig“ war, ist kein magischer Vorgang,
den ein dazu Befugter in Szene setzt, sondern ein spirituelles Geschehen. Es findet in
den Herzen der Gläubigen statt und ist nicht abhängig von bestimmten liturgischen
Konstruktionen. Jesus ist nicht deswegen da, weil ihn jemand in die Hostie „befohlen“
hat, wie Papst Benedikt tatsächlich verlauten ließ! Er ist bei denen, die ihn suchen und
nach ihm sowie dem verlangen, was seine Gegenwart erlebbar macht, nämlich Brot und
Wein.

So wird die Kirchenleitung neu Entstehendes akzeptieren müssen, das eigentlich Rückkehr
zum Ursprung ist. Vorausgesetzt, es geschieht mit gebotener Ernsthaftigkeit und
Verantwortung im Auftrag der Gemeinde. Der Glaube hat nicht durch Ämtermacht,
sondern nur durch seine Lebendigkeit eine Zukunft. Das Beharren auf Formalismen
kann dem nur schaden, und das kann wohl in niemandes Absicht liegen!




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