!!!BLONDE, ROTE HAARE 1894: Schon damals war die Haarpracht der Damenwelt der Mode unterworfen. Wie aus Paris berichtet wird, zeichneten sich kokette Pariserinnen längere Zeit als Blondinen aus. Verfügte man über dieses Geschenk der Natur nicht, wurde eben künstlich nachgeholfen. Nun sind die hellblonden Haare allerdings wieder in Ungnade gefallen, dasselbe ereilte im vergangenen Jahr allen die mit roten Haarlocken auftrumpfen wollten. Inzwischen gilt das Färben der Haare als unfein und man begnügt sich damit, dem natürlichen Kopfschmuck mit Zuhilfenahme geheimnisvoller Mittel einen „Reflex“ zu verleihen, wie der technische Ausdruck in Friseurkreisen genannt wird. Selbst die Bezeichnung „Färben der Haare“ wird in Fachkreisen vermieden, stattdessen wird von Dekolorationen gesprochen. Unzufrieden sind jene Damen die mit kastanienbraunen Haar von Natur aus beschenkt wurden. Diese beeilen sich nun selbst den modernen Reflex herzustellen und ihrem Haar den rötlichen oder metallenen Stich zu verleihen. Auch die Semmelblonden wollen nicht zurückstehen und versuchen es mit einem Reflexes à la Tizian. Andere schwärmen wieder von den goldenen Flechten der Venezianerinnen und ohne zu Zögern lassen sich aschblonde Damen eine kleine Transformation vornehmen. Den aschblonden Scheitel, die Balzac und seine Zeitgenossen ihren rührseligen Romanheldinnen verliehen und die den Neid alle Leserinnen erregten, sind gänzlich aus der Mode. Die materialistische Zeit verlangt sogar bei den Blondinen echter Goldfarbe und bei den Brünetten einen normalen Kupferglanz. Doch es gab noch jene rotgelben Reflexe wie man sie bei wilden Tieren beobachten kann. Die französischen Damenfriseure die die Imitation verstehen, werden von gefallsüchtigen Damen als echte Menschenfreunde gepriesen. Tiefschwarze oder blauschwarze Haare berührt man im allgemeinen nicht, sie drücken dem Gesicht meist einen eigenartigen Schönheitsstempel auf, den der Pariser Coiffeur zu respektieren weiß. Die soliden Bürgerinnen hatten immer schon eine Scheu vor gefärbten Haaren, denn deren Wirkung war stets eine ungünstige gewesen. Haarnuance und Teint weisen ja stets verwandtschaftliche Eigenarten auf, und die Gesichtsfärbung, und sonstigen Toilettekünste einer brünetten Dame verrät sich auch unter dem kunstvollst hergestellten Goldhaar. Bei einem Reflex aber nimmt man es nicht so genau: er ist ein gaukelndes Etwas, das man nicht festhalten, dem man nicht zu Leibe rücken kann. Das Natürliche wirkt aber zuletzt viel edler und schöner, als alle Arten von Reflexen. Wenn die Aschblonden und Kastanienbraunen finden, dass ihnen momentan ein Unrecht zugefügt wird, so mögen sie nur bei den klassischen Meistern nachschlagen. Dort sind die Mädchen mit den braunen Zöpfen und die Madonnen Antlitze, umrahmt von blondem Lockenhaar nicht gar zu schlecht behandelt. Ob blond, ob braun, ob schwarz das Haar, wichtig ist die Pflege des Haares. Richtig gepflegt lässt das Haar erst in vollendeter Schönheit erstrahlen, und zum schönsten Schmuck der Frau werden. QUELLE: Neue Wiener Friseur Zeitung, 15. September 1894, 1. Juni 1940, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO [Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp] >[Zurück zur Übersicht über alle Beiträge|Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp] [{Metadata Suchbegriff=' ' Kontrolle='Nein'}]