!!!DAS AMALIENBAD




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Die rote Stadtregierung hatte die Absicht aus Wien eine Bäderstadt zu errichten. Der Anfang war mit dem Bad in Favoriten, das am 8. Juli 1926 eröffnet wurde getan. Den Namen erhielt es nach der Gemeinderätin Amalie Pölzer die 1924 verstorben war, dem Gemeinderat seit 1919 angehörte und für die Frauenrechte eintrat.

Dass die größte und  modernste  Badeanstalt  Mitteleuropas, mit einer der größten gedeckten Schwimmhalle, ausgerechnet im Arbeiterbezirk erbaut wurde, war Absicht. Wenn auch so mancher Wiener diesen  Luxus für den Arbeiterbezirk nicht verstehen konnten, die Zeiten haben sich geändert, hielt ihnen Bürgermeister Seitz in seiner Eröffnungsrede vor,  „als Zeuge  der neuen Zeit steht das Riesenbad im Proletenviertel“.

Die Gemeinde hatte vor kurzem eine interessante Statistik des Bäderbesuches veröffentlicht. Alle städtischen Badeanstalten wurden  1913 von 4,049.371 Personen besucht, im Jahr 1925 waren es bereits 6,393.341, also um 57 % mehr. Morgen wird die Gemeinde wieder ein neues Luft und Sonnenbad eröffnen und sämtliche Badeanlagen müssen erweitert werden. Die Kinderfreibäder sind eine ganz neue Einrichtung. Jedes Jahr werden 70.000 Freikarten ausgegeben, 53.500 für Kinder, 13.000 für Erwachsene. Damit sie sich kostenlos baden können.

Am 8. Juni 1927 wurde der  millionste Badegast im Amalienbad erwartet. Auch dieser wird mit einem Geschenk geehrt werden – ein vollständiger Badeanzug ist als Geschenk vorgesehen.

Noch immer waren Stimmen des Neides zu vernehmen die  sich damit nicht anfreunden wollten, dass ein derartiger Tempel der Reinheit inmitten  von Genossen erstanden war.

Auf tragische Weise verlor ein Mitglied einer aus 50 Mitgliedern bestehenden Arbeiterstudienkommission, die im April 1928 nach Wien gekommen sind,   im Amalienbad den Ertrinkungstod.  Die Reisegruppe wollte sich in Wien öffentliche  Gebäude, Bäder, Theater und Sehenswürdigkeiten besichtigen. Die Gruppe logierte im Hotel Kontinental in der Praterstraße und hatten bereits mit der ersten Besichtigung begonnen.

Während einige sich mit dem Besuch des  Bades begnügten, hatten sich  andere Mitglieder  von der  Schwimmhalle verführen lassen und tauchten ins Wasser. Als sie am Abend das Bad verließen, merkten sie  wohl,  dass ein Mitglied fehlte. Man wusste nicht wer und vermutete, dass er sich beim Umkleiden verspätet hätte.

Der Badebetrieb ging bis 8 Uhr normal weiter, dann wurden sie von den Mitgliedern  des „Arbeiter-Schwimmvereins“ abgelöst. Endlich nahm einer der Schwimmer den menschlichen Körper am Bassingrund wahr. Mit Stangen wurde  der etwa 30jährige geborgen. Die Rettungsgesellschaft konnte nur den Tod feststellen. Das Polizeikommissariat wurde über den Toten verständigt und nahm Erhebungen auf. Der Bruder des Toten der ebenfalls der Gesellschaft angehörte wurde informiert.

Im Juni 1928 gab es im Amalienbad das  vierte Todesopfer seit der Eröffnung, ein junger Mann war diesmal das Opfer, man fand ihn an der tiefsten Stelle und holte ihn sofort herauf. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Es handelte sich um einen 22 jährigen Schankburschen der im  dritten Bezirk in einem Gasthaus beschäftigt war. Wieder fiel es niemandem auf, als ein Schwimmer von der Wasseroberfläche  verschwand. Um die Aufsicht im Amalienbad schien es nicht gut bestellt  zu sein. Beim letzten Unfall war gerade die Schweizer Arbeiterdelegation  anwesend, die dann sehr ausführlich über die neuerliche Sicherheits- und Aufsichtsvorkehrungen unterhielten.

Strengstes Stillschweigen war geboten, wieder musste „Schlaganfall“  herhalten. Das war nun schon der vierte Schlaganfall, ob dieses Märchen noch jemand glaubt, noch dazu da dieser Verunglückte einen gesunden Eindruck vermittelte. Wie lange will man noch zuwarten, bis der nächste Unfall passiert? 



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Am 23. Juli 1929 hieß  es, dass  der Bauzustand des Amalienbades, dieses Paradestück der roten Rathausherrn, sehr zu wünschen lässt. Bestand doch das Gebäude erst einige Jahre, trotzdem müssen umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten vorgenommen werden müssen. Der Fußbodenbelag,  der aus Fliesen besteht, zerbröckelt, die Kacheln der Wandverkleidungen fallen ab und zwei Firmen die mit dieser Arbeit teils durch Lieferung des Materials und Ausführung der Arbeiten beteiligt sind, mussten umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten leisten. Eine unangenehme Sache, obwohl sie sich eigentlich an eine recht abfällige Kritik ihrer Baufirmen hätten gewöhnen können. Es handelt sich um die Firma Schwadron die die Wand und Fußbodenbekleidungen ausführt, und dann um die  „Niederösterreichische Escompte-Gesellschaft“ kommt für das Material auf. Die Versicherungen wagen die Behauptungen als unwahr zu bezeichnen, da fragt man sich was hier auszubessern ist....

1929: Das Bankinstitut der Gemeinde Wien, die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft musste vor einiger Zeit eine Tonwarenabteilung aufnehmen und mit diesen keramischen Arbeiten wurde das Amalienbad ausgestattet. Das gesamte Innere des Bades ist mit diesen Kacheln ausgelegt. Bald nach der Fertigstellung des Gebäudes zeigten sich die ersten Schäden. Die Kacheln fielen heraus, zerbrachen, und immer wieder mussten umfangreiche Reparaturen vorgenommen werden. Diese Instandsetzung musste die Bank  kostenlos durchführen, da sie einen langjährigen  Garantievertrag abgeschlossen hatte. Die Schäden wurden immer größer und umfangreicher, dass sich die Reparaturen in einer Höhe von 23.000 Schilling beliefen. Die Bank widersetzte sich die Reparaturen weiter durchzuführen da die Schäden nicht durch sie entstehen. Schuld ist die mangelhafte Bauarbeit des Amalienbades das auf  Lehmgrund gebaut  und das Gebäude ist dadurch in steter Bewegung. Das ging aus der Klage hervor die die Bank gegen die Gemeinde Wien angestrengt hatte. Die Verhandlung findet im Bezirksgericht Favoriten am 22. Juli 1929 statt. Doch die Bank stellt die Angelegenheit als Missverständnis dar und verweigert jede Auskunft.

Die „Freiheit“ nahm sich des Falles an, berichtete ausführlich darüber, von den Rutschungen des Gebäudes und das vernichtende Urteil der Sachverständigen und ließ verlauten dass ein riesiger Bauskandal entstehe. Der Termin  einer Gerichtsverhandlung beim Bezirksgericht stand bereits fest. Plötzlich zog die Bank die Klage gegen die Gemeinde zurück. Die „Freiheit“ musste eine Entgegnung veröffentlichen, dass alles was das Blatt veröffentlichte, nicht der Wahrheit  entspreche.

1929:  Die „Freiheit“ sieht sich veranlasst, noch einmal  mit dem Thema Amalienbad zu befassen. Der  von der Gemeinde geführte Sachverständige wurde vom Staatsanwalt der falschen Zeugenaussage beschuldigt und außerdem ein Nichtfachmann. Zeugen berichten, dass sich  fast wöchentlich  Unfälle ereignen. Nichts wird unternommen um Vorkehrungen zu treffen. Das  sind die  gerichtlich erhobenen Zustände.

Der Stadtbaukommissar Ing. Karl Oberndorfer muss sich vor dem Bezirksgericht Favoriten  wegen   Übertretung gegen die Sicherheit  des Lebens in fünf Fällen verantworten. Zeugen waren jene Personen die sich im Amalienbad einen Bruch oder andere Verletzungen zugezogen hatten. Die Polizei  hatte alle Unfälle untersucht.

Die Unfälle  in der Schwimmhalle wurden dadurch ermöglicht, dass die vom Bassinrand in das Wasser führenden Leitern aus glatten runden Metallstäben bestehen und durch das Wasser einen klitschigen Überzug erhält, der mehr als gefährlich werden kann. Wie es sich bald herausstellte war es mit dem Sprungbrett nicht besser bestellt, ein Innsbrucker Professor hat  beim Absprung schwere Hüftverletzungen davongetragen.

Wie bei der Verhandlung zu erfahren war, sind alle im Amalienbad angestellten Personen ungelernte Kräfte die ihr Wissen erst aus Büchern entnahmen. Die Anzahl der Unfälle bezeichnete  der Leiter als Einzelfälle, die Unfälle selbst schienen ihm nicht schwer genug. In dieser Hinsicht war der Richter anderer Meinung. Zwischen den beiden Sachverständigen  kam es zu den schärfsten Auseinandersetzungen. In ihren schriftlichen Gutachten war die Einrichtung des Bades völlig einwandfrei.

Der Richter  Dr. Saphir war der folgenden Meinung: „Wir ersehen aus diesen Sachverständigengutachten, dass bei der übermächtigen Stellung, welche die Gemeinde Wien derzeit noch einnimmt, ein objektives und wahres Sachverständigengutachten doch nicht zu erreichen ist...“ und wollte nach dem gesunden Menschenverstand den Prozess zu Ende führen. Das Gutachten wurde dem Landesgericht überwiesen.

Das Amalienbad für sportliche Veranstaltungen bestens geeignet, die  Schwimmhalle,  mit  dem zu öffnenden Glasdach sorgt für Luft und Licht, der 10 Meter Sprungturm ermöglicht die Austragung internationaler Spring-Konkurrenzen. Nach dem  Zweiten Weltkrieg blieb von dem vielbesuchten Bad  nur ein Trümmerhaufen übrig. Neun Fliegerbomben zerstörten den Männertrakt total und den Frauentrakt schwer. Der 40 Meter hohe Außenturm war eingestürzt, Kesselwerk und die Rohranlagen vernichtet. Der Wiederaufbau dauerte Jahre bis das Gebäude wieder im alten Glanz sich der Öffentlichkeit präsentierte.

1951 feierte man das 25 jährige Bestehen des Amalienbades mit sportlichen Veranstaltungen, mit Musik und abendlicher Beleuchtung. Die wahren Hintergründe werden vertuscht, darin ist man längst Meister geworden, denn es gibt kaum einen Bau der Gemeinde Wien, der nicht zum Skandal ausartete.

QUELLEN: Arbeiter Zeitung, 9. Juli 1926, Ostdeutsche Rundschau, 8. August 1929, Freiheit, 6. Juni 1928, 6, April 1928, 22. Juli 1929, 19, September 1929, Die Unzufriedene, 11. Jänner 1931, Neuigkeits Weltblatt, 21. Juli 1929, Neues Österreich, 16. Juni 1951, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO



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