!!!DIE ROSSKASTANIE




[{Image src='Kastanie 2.png'class='image_left'height='300' caption='Blüte der Rosskastanie' alt='Frühling' width='426' popup='false'}]



Die Rosskastanie zählt zu jenen stattlichen Bäumen die sich großer Beliebtheit erfreuen, die in Gärten und Alleen eine wahre Zierde darstellen. Im Wonnemonat Mai zeigt der Schattenspender seine wahre Pracht, wenn seine weißen und rosa angehauchten Blütenkerzen sich  entfalten. In so festlicher Pracht präsentieren sich dann die  herrlichen Alleen.
Woher kam die Rosskastanie eigentlich, aus welchem Land  stammte sie? Ganz genau ist das nicht festzustellen. Fest steht, dass Europa  die ersten Samen im 16. Jahrhundert aus Konstantinopel erhalten hat. Die Bosporusländer sind allerdings nicht die Heimat der Rosskastanie.

Etwas genauer  war zu erfahren, dass die Rosskastanie 1550 aus Konstantinopel oder Indien nach  England gelangt sein soll. Willem Quackelbeen, der als Leibarzt mit dem österreichischen Diplomaten Augerius Gislen von Busber  in die Türkei reiste, im Jahr 1559 dem damals in Görz lebenden italienischen Naturforscher  Mattioli die erste Nachricht und Beschreibung des Baumes zukommen ließ. Durch  Quackelbeens Information  wusste man, dass die geschälte Frucht einer Kastanie  gleiche, jedoch ungenießbar sei. Bei den Türken wiederum als Pferdearznei Anerkennung findet. So hat Mattioli  dafür den lateinischen Namen  Castanea equina erfunden, daher der Name Rosskastanie. Während die botanische Bezeichnung später durch Linné in Aesculus Hippokastanum abgeändert wurde. Sehr wahrscheinlich dürfte Busbec, dem Europa den persischen Flieder und die Tulpe zu danken  hat,  bei seiner Heimkehr im  Jahr 1562  vielleicht auch schon Rosskastanien mit nah Wien.

Calolus Clusius, ein bekannter Botaniker und Gelehrter aus der Grafschaft Artois, der vom Jahr  1573 bis  1588 in Wien als  Vorsteher der kaiserlichen Gärten wirkte, pflanzte im Jahr 1576, ein kleines Bäumchen, das ihm der Botschafter in  Konstantinopel Baron von  Ungnad  als Geschenk gesandt hatte. Diesem Bäumchen, dessen herrliche  Blütenpracht er  nicht mehr erleben sollte. Da er inzwischen als Professor nach Leyden  berufen wurde, darf als Stammvater der Rosskastanie  angesehen werden, die sich über ganz Europa ausbreitete.

Ungnads Geschenk, eine Rosskastanie  ist längst  zur Mythe geworden und zwei Gärten Wiens streiten um die Ehre, sie hätten diesem Fremdling Asyl gewährt. Ein gewaltiger Rosskastanien Riese  ist im Theresianum zu bewundern. Doch zwei Urkunden  weisen auf zwei imposante Bäume im Augarten, die hinter dem Palastsaal im Rondeau ihre  Pracht vertreten und die ersten vor 300 Jahren in Europa eingeführten Rosskastanien  bezeichnen, vielleicht sind sie nur die Abkömmlinge des  Clusius Bäumchens.

Hier wird behauptet, dass  das eigentliche Vaterland der Rosskastanie in Tibet und  Afghanistan zu suchen sei. In neuester Zeit wurden in den Schluchten und Tälern des Himalayas ausgedehnte Waldungen  nur mit Rosskastanien Bäumen entdeckt. Dreißig Jahr später findet man den Kästenbaum bereits in den Lustgärten  der Augsburger Patrizier heimisch. Der dreißigjährige Krieg unterbrach die weitere Ausdehnung. 120 Jahre herrschte Stille um die Rosskastanie.Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wird ihrer wieder gedacht – nun war die Rosskastanie zur Alltäglichkeit geworden.

Spät aber doch hat die Rosskastanie in Frankreich Einzug gehalten. Erst 1615 steckte der Baumzüchter  Bachelier im Garten des Temple zu Paris jene Käste aus. Noch berühmter war ein um 20 Jahre jüngerer Stamm  im Garten des Palais Royal, den der Kardinal  Richelieu gepflanzt hatte und der seit der ersten Teilung Polens 1773 als Krakauer Baum  sich eines europäischen Rufes erfreute. Unter diesem Baum fanden sich damals alltäglich die Privatpolitiker  der Hauptstadt zusammen um die Zeitungsnachrichten zu diskutieren. Der Krakauer Baum wurde dadurch zur Berühmtheit. Die Franzosen bemühten sich um die Veredlung des Baumes. Zahlreiche Spielarten folgten bis dann die rote Kastanie, die zuerst um  das Jahr 1812 aus der  Vermählung der gemeinen Rosskastanie  mit der amerikanischen  roten Pavie gewonnen wurde, den größten Beifall  und von 1820 ab in den  deutschen wie auch englischen Gärten eine reiche Verbreitung gefunden. Auch die sogenannte gefüllte Kastanie verdanken wir ihnen,




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Um 1820 entdeckte der Gutsbesitzer und Gartenfreund Saladin  de Budé zu Frontenex bei Genf, dass einer seiner Kästenbäume auf einem bestimmten Zweig zahlreiche gefüllte Blüten trug, das sich wiederholte. Seit 1824 zog Budé die ersten Rosskastanien mit gefüllter Blüte auf, die großen Anklang fand.

Von diesen beiden amerikanischen Schwestern unseres gemeinen Kästenbaumes wurde die erstgnannte, die rote Aesculus Pavia L in Europa zuerst 1711 von dem berühmten Arzt  Hermann  Boerhaave in Leydener Pflanzengarten gezogen und nach dem Anatomen und Botaniker Peter Paaw benannt, die andere aber  Aesculus flava Ait  erst 1764 durch den Garteninspektor William Aiton in England eingeführt. So anziehend indessen diese beiden Bäume sich darstellen und so sehr sie der Rosskastanie gleichen, die können die normale Rosskastanie nicht verdrängen.

Die Früchte der Rosskastanie wurden bisher  nur gering geschätzt, fanden eventuell als Spielzeug für Kinder Verwendung oder als Arzneimittel bei schwer atmenden Pferden, woher die Rosskastanie ihren Namen hat. Allmählich  erkennt man immer mehr und mehr den Nutzen der bitteren Frucht. Auch die  Waldtiere bevorzugen die Rosskastanie.

Die ersten Stämme der Rosskastanie wurden  1588 in Wien gezogen. Von hier aus verbreitete sich der stattliche Baum in kurzer Zeit  als schnell  und reichlich Schatten spendender prächtiger Park- und Alleebaum über ganz Europa.

Die Rosskastanie lässt sich überhaupt bei verschiedenen Krankheiten der Pferde erfolgreich einsetzen. Auch den Ziegen mundet die Rosskastanie sehr, und die Milchabsonderung ungemein befördert. Außerdem kann man aus der Rosskastanie das feinste Stärkemehl herstellen. Der Bitterstoff  der Rosskastanie  ist ein Feind der Würmer.

Die Knospen der  Rosskastanie sind mit einer klebrigen Flüssigkeit überzogen. Zuweilen wird die Flüssigkeit so stark, dass einige Tropfen zu Boden fallen. Dann kann man mit einem längeren Regen rechnen. Dieser Wunderbaum ist  das reinste Barometer, denn an dem Tag  an welchem die ersten Kapseln ihrer stacheligen Frucht aufspringen, sagt uns, wie der kommende Winter sich entwickeln wird, je früher der Termin, um so milder  wird die raue Jahreszeit. Der Durchschnittstag für Europa ist der 17. September. Diese Beobachtungen verdanken wir dem Botaniker  Dr. H. Hoffmann in Gießen.



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Die Rosskastanie eignet sich auch zu Branntwein, die Schale ist wieder für  Färber und Gerber  ein  Surrogat. Dorielle in Pelussin erhielt 1826  ein Patent auf die Herstellung  eines Extraktes aus dem Holz,  der Rinde,  den Blättern, Fruchtkapseln und Schalen der Früchte der  Rosskastanie, und gibt an, dass er aus  20 Pfund  Rohmaterial 1 ½  Pfund festen  trockenen Extrakt von braunroter Farbe, glänzend glasartigem Bruch und säuerlichem Geschmack und löslich im heißen Wasser. 

Mehl aus der Rosskastanie schmeckt bitter, darum scheiterten weitere Versuche. Bereits 1794 hatte Kurella  ein Stärkemehl aus Rosskastanien  bereitet,  zu dessen  Entbitterung er sieben Wochen nötig hatte. Da nahm der geheime Sekretär Klose in Berlin die Sache wieder auf. Nach   zahlreichen Versuche  gelang es ihm  bessere Erfolge  zu erzielen. Er war so glücklich, dass es ihm gelungen  war Mehl aus der Rosskastanie  gewinnen und nach kurzer Behandlung die Bitterkeit zu entziehen, und daher für Brot geeignet war. Das  Rosskastanienmehl  ist vielseitig zu verwenden: z. B., Schlichte  für Weber,  Kleister für Buchbinder, Tapezierer, Papierfabrikanten. Karten und Oblatenmacher herstellen lässt. Der Kleister aus Rosskastanie verliert nie seine Klebkraft.

Klose gelang es, die übrigen Teile der Kastanie   zu verschiedenen industriellen  Stoffen zuzubereiten. Die  Kernschale fand  Verwendung für Karten- und Buchdruck und liefert eine schöne Schwärze. Durch Verbrennen der Kapsel eine zu Lauge  vorzügliche Asche. Im Jahr  1853  gewann Klose aus dem Mehl der Rosskastanie einen Fusel freien  Spiritus. Die Seife aus Rosskastanie eignet sich für jeden Waschtag.

Die Rosskastanie ist nicht nur eine Schönheit deren Anblick uns im Frühling erfreut, sie stellt sich uns vollkommen zur Verfügung, und hat  eine Vielseitigkeit zu bieten,

__QUELLEN:__ Linzer Tages Post, 5. Oktober  1893, S 1,  Salzburger Chronik, 3. Juli 1885, S 1,  Teplitzer Zeitung  21. April  1876, S 3, Freie Stimmen , 20. September  1894, S 1.Bilder: I. Ch. Graupp, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bilder: I. Ch. Graupp

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