!!!FASANA



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1891:  Unsere Marine genießt seit den Tagen  von Helgoland und Lissa einen wohlverdienten Ruf  bei allen Seemächten Europas. Aber auch bei den Vertretern der  Wissenschaft steht sie schon fast ein volles Menschenalter in höchstem Ansehen, und die berühmte Novara Reise wird ein nie  welkendes Ruhmesblatt in der Geschichte derselben sein. Bei der Intelligenz, der gründlichen und universellen Bildung, wodurch sich unsere Marine Offiziere auszeichnen, ist demnach auch von jeder Reise österreichischer Kriegsschiffe ein Gewinn für die Wissenschaft und Geographie zu erwarten, wenn auch alle diese Reisen eigentlich die seemännische Ausbildung unserer Marine zum Zweck haben. Diese Zeit verfolgte auch Sr. Majestät Glattdecks Corvette „Fasana“. Am 21. September 1889 ist dieselbe von Pola ausgelaufen und  am 20. Dezember 1890 ist sie von ihrer Weltumseglung wieder in unseren, ersten Kriegshafen zurückgekehrt; die  Reisezeit betrug also genau  fünfzehn Monate. Auf offener See bediente sie sich der Segel, nur beim Anlaufen der Häfen und beim Verlassen derselben wurde die Dampfmaschine in Tätigkeit gesetzt.

Der erste Hafen, den die „Fasana“ nach ihrer Fahrt durch die Adria  und das Jonische Meer berührte, war Messina. Eine lange Reihe zweistöckiger Häuser mit grünen Jalousien an den Fenstern und einen Balkon in der Mitte umspannt im weiten Bogen den Hafen. Schmale, dunkle und schmutzige Gassen führen von der Riva in die Stadt und münden in eine lange breite Straße ein, welche von prächtigen Häusern umsäumt ist, die  zu ebener Erde und im ersten Stock als  glänzende Kaufläden und prunkvolle Gast- und Kaffeehäuser dienen, Dass die dienstfreien Offiziere Abends das Theater besuchten, versteht sich. Die jüngeren waren erstaunt über das ungenierte Benehmen des Publikums während der Vorstellung. Die Herren behielten den Hut auf, redeten laut, rauchten, kurz,  sie benahmen sich so, dass man sie bei uns an die Luft gesetzt hätte. Eine Schauspielerin bekam beim ersten Auftreten Blumen, beim  zweiten, weil sie  auf den Applaus  nicht gleich kam, faule  Orangen, was sie jedoch nicht hinderte, fröhlich weiter zu spielen.

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Von Messina segelte die „Fasana“ nach Gibraltar, dessen Fels von den Engländern bekanntlich zu einer unüberwindlichen Festung gemacht worden ist.  In demselben sind Gänge ausgehauen, welche rings um den Berg laufen. Aus ihren Lichtöffnungen drohen  Kanonen.


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Nach einigen Tagen Aufenthalt verließ die Corvette am 26.  Oktober Gibraltar und dampfte durch die Meerenge in die offene See, um die langen und schweren Wogen des Atlantischen Ozeans zu durchfurchen. Während im Adriatischen Meer die See kurze Wellen mit überschlagenden Kämmen bildet, scheinen die Wogen der Ozeane nicht hoch, denn  ihre bedeutende Breite steht zur  ungeheuren Länge im Verhältnis. Es ist daher begreiflich, dass eine scheinbar niedrige See das Schiff in heftige Schwankungen versetzte. Die Farbe des Ozeans zeigte im Anfang das lichte Blau des wolkenfreien  nordischen  Himmels an heißen Sommertagen, während die Adria in dunklerer Bläue glänzt. Weit entfernt vom Gestade freilich sind die tiefen Fluten des Weltmeeres schwarz, wie uns  Tyndall  belehrt.

Von Gibraltar schlug die „Fasana“ einen südwestlichen Kurs ein, welchen sie im Ganzen bis zu den  Inseln des grünen Vorgebirges beibehielt. Am 2. November segelte sie  westlich an  Palma  vorüber, fast alle Kanaren zur Linken lassend, am 7.  und  8., war sie schon im Archipel der Kapverdischen Inseln, welchen sie  im westlichen Teil kreuzte. Sie hatte demnach in fünf Tagen zwölf Grade gegen den Äquator und sieben Grade in westlicher Länge gewonnen, hatte  also für  einen Segler eine  außerordentliche Geschwindigkeit entwickelt. Allerdings war das Schiff etwa beim 22. Parallel in die Zone des Nordostpassats  eingetreten.

Von den Inseln des grünen Vorgebirges an fuhr unser Schiff fast schnurgerade südwärts dem Äquator zu, welchen sie am 15. November erreichte und unter den obligaten Späßen der Mannschaft (Begrüßung durch  Neptun mit seinem Gefolge) passierte. Nun wendete sich die „Fasana“ nach Südwesten und erreichte  Bahia in Brasilien am 23, November. Sie hatte zur Fahrt von Gibraltar an  neunundzwanzig Tage und vier  Stunden  gebraucht und hat daher alle österreichischen Kriegsschiffe, welche den  gleichen Weg zurück gelegt haben, an Schnelligkeit überholt.

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Der Hafen von Bahia machte mit seiner grünen Umgebung einen recht günstigen Eindruck auf  unsere Landsleute, aber die  Stadt selbst keineswegs. Auch das „brasilianische  Kriegsarsenal“ wollte ihnen nicht imponieren. Denn wenn man die drei Boote und die paar baufälligen Häuser ein Arsenal nennt, so muss man jeder Ziegelbrennerei den gleichen Namen geben.

Die Stadt besteht aus zwei Teilen, der unteren und der oberen. In beiden verkehrt die Tramway. Aus der unteren kann man sich auch durch einen Elevator in den oberen Teil befördern lassen. Dieser Elevator wird durch zwei Waggons gebildet, die in einem tiefen Schacht ähnlich den Eimern eines Brunnens auf- und abwandern.

In Bahia leben etwa hundert deutsche Familien, welche im „Deutschen Klub“ einen Versammlungsort besitzen. Es war für unsere Landsleute erfreulich, deutsche Gesellschaft zu finden, denn erstens waren die Eingeborenen gerade im Stadium republikanischer Begeisterung und echt südländischer Aufregung und zweitens taugen sie alle zusammen nichts. Was soll man auch  von einem Volk erwarten, welches, aus der  Mischung von Portugiesen, Indianern und Negern hervorgegangen, alle Schattierungen zwischen Weiß, Schwarz, Kupferrot und Kaffeebraun zeigt und  ein wahrer Hexenkessel von Lastern aller Menschenrassen ist.

Im Theater, welches einige Offiziere besuchten, spielte ein Neger Orchester , es war die Musik Wagada und  Wanyamunsi recht gut gefallen hätte, nur unseren Österreicher empfanden nur betäubenden Lärm. Der Parterresitz kostete 2500 Reis. Die Preise in Bahia sind enorm hoch. Für ein Mittagessen. Bestehend aus Suppe, Braten, Pudding und einer Flasche Wein 6800 Reis dafür zahlen muss. Da lebt man am Bord der „Fasana“ billiger. Denn für die Kost (zum Frühstück, Tee oder Kaffee, Mittag  Risotto  und Braten, Abends Suppe, Fleisch mit zwei Gemüsen und Braten, ferner Mittags und Abends schwarzen Kaffee) zahlt man pro Tag im Mittelmeer 90 Kreuzer und außer demselben einen Gulden und 20 Kreuzer.

Von Bahia machten einige Herren einen Ausflug auf eine nahe gelegenen Insel und jagten dort auf Vögel, Käfer und Schmetterlinge. Letztere waren von außerordentlicher Schönheit, einige hatten fast 20 cm   Spannweite, die meisten zeigten eine prachtvoll blau schillernde Farbe.

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In einer Woche kam die „Fasana“ von Bahia nach Rio de Janeiro, wo sie am  2.  Dezember anlangte. Die weite Bucht von Rio gilt für den schönsten Hafen der Welt, nicht bloß in den Augen des Seemanns. Denn die Ufer sind am schmalen Eingang, welchen der Kegel des Zuckerhut bewacht, nach allen Richtungen durch kleine Buchten zersetzt und in Halbinseln und Landzungen aufgelöst und prächtige Wälder, welche die Lehnen der Berge decken, fassen die Bai ein, deren herrliches Blau durch zahlreiche grüne Inseln gesprenkelt erscheint. Dieser Golf wurde im Jänner 1531 durch Alfons de Sonza entdeckt, und da er meinte, eine Flußmündung vor sich zu haben -  der von zwei Granitfelsen flankierte Eingang ist nur siebenhundert Meter breit – so nannte er den vermeintlichen Strom „Jännerfluss“, denn das bedeutet Rio de Janeiro. Erst nahezu ein Menschenalter später siedelten sich  hier  auf den Rat des Admirals Coligny französische Hugenotten an, welche aber den Ort bald wieder  verließen, worauf die  Portugiesen von der Landschaft Besitz ergriffen.
Die Stadt selbst ist weniger schön, die Straßen sind meist eng und schmutzig, die Plätze klein. Auch in Rio ist alles sehr teuer, wie in der Regel in allen Ländern, wo die Faulheit zu Hause ist. Denn da läßt sich jeder für  jede Arbeit  schwer bezahlen und nur ein hoher Preis scheint ihm ein genügendes Äquivalent für das Aufgeben des dolce far niente.

Rio ist eine Handelsstadt, welche die Rohprodukte Brasiliens, wie Reis und Kaffee,  gegen europäische und nordamerikanische Industrieerzeugnisse umsetzt. Auch die österreichische Industrie sendet ihre Artikel hierher, und böhmische Glaswaren sowie Handschuhe und Gummiwaren aus Wien finden in Brasiliens Hauptstadt  einen lohnenden Markt.

Acht Tage blieb  die Corvette in Rio, dann verließ sie den  Hafen und segelte nach Montevideo. Der Weihnachtsabend fand sie schon in der Nähe des Rio de la Plata. Er wurde in der Erinnerung an die Heimat festlich begangen, und selbst der Christbaum fehlte nicht. Allerdings  bestand er nicht im duftenden Fichtenbäumchen, sondern lediglich aus Holzstäben, von welchen grüne Papierflinsern herabhingen.
 
Der Rio de la Plata (Silberstrom) ist kein  Fluss, sondern ein Meerbusen, in dessen Hintergrund hart nebeneinander der Parana und der Uruguay münden. Der ganze Golf ist durch die Sinkstoffe dieser Flüsse zu einem  labyrinthischen Gewirre von Sandbänken und Untiefen gemacht, welche auch die Rhede von Montevideo erfüllen und den größeren Seeschiffen den Zugang zur Stadt versperren. Der Verkehr zwischen der „Fasana“, welche am 27.  Dezember hier anlangte, und dem Land wurde deshalb durch eine kleine Dampfbarke vermittelt.

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Den Offizieren unseres Kriegsschiffes hat es in Montevideo gefallen. Die Stadt erhebt sich auf einer kleinen Halbinsel, die von einer niedrigen Anhöhe überragt wird, welche die eigentliche Stadt trägt. Sie ist sehr regelmäßig gebaut, ihre breiten, geraden Straßen schneiden sich unter rechten Winkeln. Die Häuser sind schön, ihre Portale mit den  immer grünen Laubbäumen und Ziersträuchern zu beiden Seiten des Eingangs einen freundlichen Eindruck. Im Innern sind besonders die marmornen Wände an welchen solide, steinerne Stiegen zu den höheren Stockwerken emporklimmen, sehenswert. Häufig ist die Decke dieser Stiegenhäuser mit prächtigen Fresken geschmückt. Luxuriös sind die zahlreichen Kaufläden eingerichtet. Die großen Lokale sind durchgehends tapeziert, breite Goldleisten laufen an den Wänden hin, und der Fussboden ist mit eleganten  Teppichen bedeckt.

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Von den Plätzen der Stadt ist besonders die Plaza de libertad bemerkenswert, welche mit  einer Statue der Freiheit geziert ist. Eine schöne Frauengestalt  von edlen Zügen hält in der einen Hand die  Proclamacao, in der anderen den Rest einer gebrochenen Sklavenkette.

Im Theater Solis spielte zu Zeit der Anwesenheit der „Fasana“ eine italienische Schauspielgruppe, welche die Welt durchbummelte und unseren Offizieren  schon von Fiume  aus bekannt war.

Vor zwei Jahren wurde in Montevideo auch ein schönes Bad errichtet,, welches aus einem großen Bassin und zahlreichen Kabinen mit Wannen besteht. Jeder Geschmack findet in diesem Bad seine Rechnung. Denn da gibt es nach Belieben Seewasser  und Flusswasser in  allen möglichen Temperaturen.

Erwähnenswert ist noch, dass die meisten größeren Geschäfte elektrisch beleuchtet sind, so geht daraus hervor, dass die Region der tropischen Faulheit schon zu  Ende und mit der gemäßigten Zone auch der Erdgürtel des Fleisses und der fortschrittlichen Intelligenz seine Herrschaft  fühlbar macht.

Von Montevideo segelte die „Fasana“ der Magelhänstraße zu.

__QUELLE:__  Dillinger Reisezeitung, 10. Jänner 1891 S 2,ANNO Österreichische Nationalbibliothekder, Bildmateriaal I. Ch. Graupp



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