!!!FRAUEN UND  DIE  MUSIK



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Im Prager Tagblatt beleuchtete  man im März 1891 das  Thema „Frauen in der Musik“ und führte darüber aus:  „Keiner Kunst  hat sich die Frauenwelt  mit solcher Leidenschaft  und in solchem Umfang bemächtigt,  als der Musik. Die Ausbildung in derselben ist heute ein unerlässlicher Bestandteil der höheren weiblichen Erziehung, und die Anzahl  der Berufsmusikerinnen ist eine so enorm große geworden, dass man schon vielfach versuchte,  derselben Grenzen zu setzen. Man könnte eine ganze Reihe von Gründen dafür finden, warum die Frauen so viel musizieren. Der  erste und  wichtigste dieser Gründe dürfte darin zu  finden sein, dass die Musik, obgleich die jüngste der Künste, d. h.,  diejenige, welche sich zuletzt entwickelt hat, dennoch dem Menschen am nächsten steht und sozusagen eine Freundin des Hauses ist. Vielleicht kann man noch einen Umstand anführen, der die Musik dem weiblichen Wesen nahe rückt: die Musik ist -  vorausgesetzt, dass ihre Technik bewältigt  wird -  absolut schön, während alle anderen Künste, der realistischen Zeitrichtung entsprechend, mehr oder minder mit dem Hässlichen rechnen. Neben unberechtigtem Dilettantismus, der in  jeder Kunst und bei beiden Geschlechtern vorkommt, leisten die Frauen  Tüchtiges, stellenweise Vorzügliches in der Musik. Trotz der unermesslichen Schwierigkeiten und der  bedeutenden Muskelkraft, welche die moderne Klaviertechnik fordert, bieten  Frauen auf diesem Gebiet Musterhaftes. Noch lebt Clara Schumann-Wieck, die Gattin Robert Schumanns, die uns, wie kein Lebender sonst, die unvergleichlichen ´Werke ihres Gatten interpretiert;  sie ist dabei in der Art ihrer Empfindung und Vortragsweise eine echt weibliche Künstlerin, während die geniale Russin Annette  Essipow am Klavier männliche Energie der Auffassung und eine gleicherweise männliche Kraft und Ausdauer entwickelt. Man muss die  Essipow, vom Orchester begleitet, gehört haben, um das zu bestätigen.


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Dieser hoch begabten Frau reiht sich  Sophie Menter  an, derselben gleich an glänzender Technik, Fülle des Tones und Mannigfaltigkeit der Nuancen, wenn auch vielleicht nicht ganz an Genialität der Auffassung. Neben dem Klavier ist auch die Geige  von den Damen bevorzugt worden. Unsere Eltern freuten sich an dem anmutigen geigenden Schwestern Milanollo  und Neruda;  wir haben in Marie Soldat eine klassisch gebildete  Violinvirtuosin, die den sogenannten großen Stil vertritt, und in den Damen Teresina Tua und  Arma Senkrah anmutige Geigerinnen, welche vornehmlich das sinnfällige Genre kultivieren. Die genannten Künstlerinnen liefern den Beweis, dass das weibliche Virtuosentum dem männlichen wohl an Anzahl, aber nicht an absoluter Leistungsfähigkeit nachsteht. Wem aber drängt sich in Anbetracht dieser Tatsache nicht die Frage auf: „Gibt es denn keine Komponistinnen und warum nicht?“ Wirklich gibt es  deren keine, oder so gut wie keine. Was die Frauen auf diesem Gebiet leisten, ist nicht der  Rede wert und fällt kaum ins Gewicht. 

Man hört hie und da von vereinzelten Versuchen, aber niemals hat die musikalische Komposition einer Frau sich irgendwo noch irgendwie ein größeres Publikum erobert. Es ist eine recht verwunderliche Sache, wenn man bedenkt, was die Frauen auf anderen Kunstgebieten leisten. Wenn man von führenden und Schule machenden Talenten absieht, wie sie auf dem literarischen Gebiet heute nur Frankreich, Russland und Norwegen besitzen, so leisten die Frauen in der Literatur fast ebenso  Tüchtiges, wie die Männer. Einige Jahrzehnte haben genügt, um den schriftstellerischen Frauen eine erste Stellung neben den männlichen Leistungen einzuräumen. In der Malerei ist das noch nicht der Fall; immerhin aber  vermögen die Frauen auch hier achtbares. Paris und Berlin besitzen ja bereits weibliche Genossenschaften, welche in der Lage sind, regelmäßig wiederkehrende  Ausstellungen zu veranstalten. Die Namen der Rosa Bonheur und der Angelika Kaufmann bürgen dafür, dass es Malertalente weiblichen Geschlechts gab und gibt. Sogar die Bildhauerei hat, trotz der Sprödigkeit ihres Stoffes, der Schwierigkeit ihrer Technik, trotz der physischen Anstrengung, die sie fordert, die Frauen angelockt. Man begegnet auf  jeder Ausstellung plastischer Werke 




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weiblichen Namen und um einen zu nennen, der allerdings auf  solchen Ausstellungen nicht zu finden ist, sei hier  der Prinzessin Marie von Württemberg, geborenen Prinzessin von Orleans, gedacht, der  eine konventionelle Fürstenerziehung gewiss alles näher legte als die Skulptur. Es muss ein starkes und ursprüngliches Talent gewesen sein, welches in dem jungen Fürstenkind  zur Entfaltung drängte. Die Prinzessin starb im jugendlichen Alter von 26 Jahren und hinterließ eine Reihe  tüchtiger, plastischer Werke, darunter das Modell der Jeanne d'Arc zu Pferde im Museum zu Versailles und eine  „Peri“, welches das Grab der Fürstin schmückt. - Sofern es sich um schöpferischen Arbeiten  handelt, weiß uns die Musikgeschichte kein einziges ähnliches Beispiel zu erzählen. Wir haben vielleicht einmal ein Liedchen oder ein kleines Klavierstück gehört, welches von Frau oder  Fräulein N. N., herrührte. Wo aber ist die Oper,  die Messe, da Streichquartett, ja, auch nur die Klaviersonate, die einem weiblichen Geist entsprungen sind? Sie sind noch ungeschrieben.



[{Image src='angelika kaufmann.png'class='image_left'height='400' caption='Angelika Kaufmann' alt='Malerin' width='338' popup='false'}]



Es wird kaum möglich sein, diese  Erscheinung ganz zu erklären. Einiges Licht fällt auf  dieselbe, wenn man die Natur der musikalischen Begabung einen Augenblick ins Auge fasst. Das Schaffen des  Dichters ist gewissermaßen eine Blüte seiner allgemeinen Bildung und Begabung. Er denkt und empfindet wie jeder höher  gebildete Mensch,  aber er hat das Vermögen, sein Denken und Empfinden aus  zu gestalten und dadurch auf  andere zu übertragen. Auch der Maler malt, was er sieht und was alle sehen, er sieht es nur in schärferer Beleuchtung, in einer bestimmten Absicht, durch das Medium seiner  Fantasie. Die  musikalische Begabung aber ist unabhängig von der allgemeinen geistigen Begabung. Sie beruht auf  einer besonderen Organisation des Ohres, dem eine spezielle Gruppe von  Gehirnmolekülen entspricht. Deshalb findet man   unmusikalisches Können bei Kindern und  ganz  einfachen Menschen aus dem Volk deren Denken  und Empfinden sonst  noch ganz unentwickelt ist. Alle anderen Künste kann man sich bis zu einem gewissen Grad durch tüchtige Ausbildung, Schulung und Anempfindung aneignen, nur nicht die Musik; sie fordert unbedingt  einen gewissen Grad von Naturbegabung.

Nun kann man uns allerdings einwenden, dass eine Menge talentloser Musiker komponiere. In erster Reihe bringen diese die sogenannte Kapellmeister Musik hervor. welche aus der geschickten Verwebung von bekannten und  verbrauchten Motiven und Formen besteht. Es scheint uns nun außer allem Zweifel, dass Frauen von einer gewissen musikalischen Naturbegabung auch befähigt wären solche Musik auch zu komponieren. Wenn sie es nicht tun, so geschieht es, weil sie dem Orchesterdienst im allgemeinen ferne stehen und ihnen in Folge indessen die Erfahrung und indessen die Erfahrung und theoretische Wissen  fehlen, welche auch zu dieser  Art von Komposition unerlässlich sind. Jenes musikalische Talent aber, welches wirklich Neues  schafft, ist  den Frauen von Natur gänzlich versagt. Schöpferisches Talent oder Genie hat die weise  Natur nur dem Mann verliehen. Das Genie ist ganz entschieden männlichen Geschlechts. Dagegen besitzen die Frauen in hohem Grad  die Fähigkeit  nach zu empfinden, sich anzupassen. Auf allen Kunstgebieten also, wo es sich um Gedankenarbeit, um Nachempfindung, um höhere Bildungsziele handelt, wie zum Beispiel auf dem literarischen Gebiet, ist die Frau völlig im Stande die Konkurrenz mit dem Mann aufzunehmen. Sie hat den Mann gelernt und ihr Können in überraschender Weise entwickelt. In England schreiben, im belletristischen Genre, mehr Frauen als Männer und die Frauen schreiben so gut, dass man ihre besten Leistungen denjenigen der männlichen Kollegen fast gleichstellen kann. Allerdings haben wir keinen weiblichen Goethe oder Shakespeare, ebenso wenig, wie einen weiblichen Beethoven. Auch ein weiblicher Johann Strauß,  Bizet  oder Sullivan ist unbekannt  und undenkbar.

Über die Zukunft wagen wir nicht zu entscheiden.

In jüngster Zeit hat sich so manche Frau das Dirigentenpult erobert. In den Reihen berühmter Orchester sind bereits  zahlreiche Frauen vertreten, die auch diese Hürde  nehmen konnten  und keinerlei Aufsehen mehr erregen.

__QUELLE:__  Prager Tagblatt  der ONB sowie Bildmaterial



https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/FRAUEN_UND_DIE_MUSIK

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