!!!HAARLOCKE


[{Image src='wr Mag.gif'class='image_left'height='300' caption='Franz Schubert, Wiener Magazin,Gemeinfrei' alt='Wien' width='284'}]


In den Auktionshäusern in aller Welt gibt es immer wieder Überraschungen welche Gegenstände angeboten werden. Ist eine prominente Person gestorben vergehen oft Jahre bis aus dem Nachlass etwas zur Versteigerung kommt. Handelt es sich um etwas Besonderes einer bedeutenden  Persönlichkeit erreicht es oft unvorstellbare Höhen bei diesen ein Normalbürger nicht mithalten kann und sich höchstens wundert über die gigantischen Summen die jemand riskiert. 

Eine derartige Versteigerung fand  April 1928  im  Dorotheum in der Währingerstraße statt. Der kleine Raum in dem sonst nur Bücher zur Auktion kommen, war dicht gefüllt, alle in Erwartung  welche Kostbarkeit ihnen diesmal geboten werde. Manche der Menschen suchten diese Objekte auf um sich, wenn es kalt war, aufzuwärmen. Einige der Anwesenden hatten aus der Zeitung erfahren, dass die  Haarlocke eines Komponisten  ausgerufen werden sollte.

Mit Genugtuung registrierte man  die zahlreich erschienen Besucher und vermutete, dass darunter  viele  Interessenten sich befinden und machte sich auf eine turbulente Lizitation gefasst. Gedämpftes Stimmengemurmel erfüllte  den Raum das langsam verebbte als die Auktion mit drei Bücher startete. Darunter ein Manuskript von Hermann Hesse,  mit Rufpreis 70 Schilling, steigerte sich auf 130 Schilling. Nestroys Posse „Affe und Bräutigam“ ging von 10 S auf 16 S hinauf. Nun kam jener Gegenstand an die Reihe auf die  bereits mit Spannung gewartet wurde. Als der Versteigerungsbeamte die Haarlocke von Franz Schubert mit 300 Schilling ausrief, für 500 Schilling wurde sie geschätzt, blieb alles ruhig, kein Handzeichen war zu erkennen. Die Leute, die sich heute hier  eingefunden, waren ohne Absicht gekommen, die Reliquie des Tondichters aus Lichtental zu ersteigern. Der Auktionator wiederholte nach einer längeren Pause  sein Angebot. Die Haarlocke  in einem Briefumschlag mit der eigenhändigen  Aufschrift seines Stiefbruders „Haare von meinem Bruder  Franz Schubert, Andreas“. Alles verfiel in Schweigen. Es herrschte eine seltsame Stimmung. Den Anwesenden war es sichtlich unangenehm, dass sich niemand dafür interessierte.

In  einer Stadt wie Wien, die sich jetzt nicht genug an Schubert-Ehrungen hervortut, hat sie diesem Komponisten doch so viel zu verdanken. Kein Mensch war bereit 300 Schilling für ein Schubert Andenken zu opfern. Auch kein Museum, selbst nicht die Gesellschaft der Musikfreunde, denn sie waren ja bereits im Besitz eines solchen Andenkens. Enttäuscht verließen viele  die Auktion in dem weitere Bücher zur Versteigerung kamen. So nahm die Auktion der Schubert Locke ein unrühmliches Ende und das im Schubert Gedächtnisjahr.

Nun kehrt die  einzigartige Locke, die von allen gemieden, zu ihrem Besitzer zurück und es ist fraglich, ob sie  je wieder zu einer Versteigerung kommt. Interessant war allerdings,  dass sich das Dunkelbraun der Haarfarbe nicht verändert hatte, obwohl  sie  nun schon 35 Jahre lang im Erdreich ruhte. Bei Schuberts Tod 1828 wird es bestimmt niemand gewagt haben ihm eine Locke zu entwenden. Passiert könnte dieser Lockendiebstahl erst im Jahr  1863 bei der Exhumierung am Währinger Friedhof, wo Schubert  neben Alma von Goethe, der Enkelin  des Dichters  beigesetzt war.

Nach der ersten Exhumierung, deren Mittel  die  Gesellschaft der Musikfreunde aufbrachte,  erfolgte 1888 eine zweite, die von der Gemeinde Wien eingeleitet  wurde. Alle großen Tondichter wanderten nach Simmering in den neuen Zentralfriedhof, der von den Wienern gemieden wurde und durch die Musik-Prominenz Anziehungspunkt werden sollte.

Im selben Jahr ist  auf dem Kunstmarkt wieder eine Haarlocke von Schubert aufgetaucht. Der Besitzer  der Reliquie wählte diesmal keineswegs ein Auktionshaus sondern wandte sich an das Kunstantiquariat B. A.  Heck zur Verwertung  und  gab sogleich seine  Preisvorstellung von 1200  Schweizer Franken, das sind 1630 Schilling bekannt.

Diese Locke unterscheidet sich von jener im Dorotheum, sie war bereits nach dem Tod des Liederfürsten  abgenommen worden.

Der Mediziner Louis Kanzelberger war dazu auserkoren  dem Toten zwei Haarsträhne abzuschneiden. Die eine  Strähne erhielt Schuberts Freund Finanzwachkommissars Franz von Hartmann, der zur Todesstunde gerade  in Linz weilte darum wurde ihm das haarige Andenken dorthin  nachgesandt wo sie sich  bis jetzt im Familienbesitz  befand.

Die zweite Locke Schuberts wurde von dem Bildhauer Franz Dialer der Familie Schubert überlassen und soll noch heute im Besitz einer Großnichte Schuberts befinden.

Die Schubert Locken, die  das  Museum der Stadt Wien und das von Professor Mandyczewsky betreute Archiv der Gesellschaft  der Musikfreunde besitzen, stammen aus der Zeit der Exhumierung Schuberts  aus Anlass  seiner Wiederbestattung auf dem großen Währinger Friedhof.

QUELLEN: Kleine Volks Zeitung, 6.  Juni 1928,  20. April 1928, Reichspost, 20. April 1928, Neues Wiener Journal, 17. April 1928, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO

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