!!!HEILSERUM

1895:  Das Behríng  Diphtherie-Heilmittel hatte  nicht nur mehr Glück und Erfolg als das Koch Tuberkulin. Seitdem die ärztliche Welt  auf der vorjährigen Versammlung der Ärzte und Naturforscher mit den Versuchen des Entdeckers bekannt wurde, hat man  in den gesamten zivilisierten Ländern nicht nur das Heilserum gegen den bösen Kinderfeind in einzelnen Fällen angewendet, sondern auch staatlicherseits dafür gesorgt, dass das Mittel, das so vielversprechende Erfolge bietet, in großen Mengen erzeugt werden könne. So besitzt auch Wien im Gebäude der Tierarznei-Institutes einen eigenen Stall für jene Pferde, von denen das Heilserum in so großen  Quantität gewonnen wird, dass nach und nach alle öffentlichen Krankenanstalten damit versorgt und der Stoff auch an Ärzte für die Privatpraxis hintan gegeben werden.

Da der neuen Heilmethode in allen gebildeten Kreisen großes  Interesse herrscht, wurde beschlossen, eine Darstellung des Wesens und der Herstellungsart des Diphtherie-Heilserums zu veröffentlichen.

Die Wirkung desselben beruht zunächst darauf, dass die Diphtherie-Bazillen in jener Flüssigkeit, die ihrem Gedeihen günstig ist, sich nicht nur vermehren, sondern auch einen höchst giftigen Stoff ausscheiden, der die eigentliche Ursache der Krankheit ist. Man kann nur, durch Zusatz von etwas Karbolsäure, die Bazillen in der Flüssigkeit töten, während das darin gelöste Gift unverändert bleibt.

Flößt man  von dieser giftigen Lösung z. B. einem Pferd eine angemessene Dosis  unter die Haut, so tritt eine leichte Erkrankung ein, die rasch vorüber geht, das Tier verträgt nun schon eine stärkere Dosis, und so wird die Giftmenge einige Monate hindurch gesteigert, dadurch die Tiere immer mehr „immunisiert“ werden, das heißt, sie vertragen bei richtiger Behandlung ohne nennenswerte Schädigung immer stärkere Giftmengen, und zwar das Vielfache derjenigen Menge, welche ein nicht  behandeltes Tier sofort töten würde. Behring erkannte nun, dass in dem Blut der so behandelten Tiere ein Stoff (Antitoxin) enthalten ist, der die Wirkung des Giftes aufzuheben vermag und den nun die nach ihm benannten Methode zu Heilzwecken verwendet.

Entzieht man den Tieren einen Teil von ihrem Blut und lässt es ruhig stehen, so setzen sich die roten Blutkörperchen zu Boden und es kann die darüber befindliche Flüssigkeit, das Serum oder Blutwasser abgegossen werden. Letzteres ist eine leicht gelblich gefärbte Flüssigkeit, welche das Gegengift, das Diphtherie-Antitoxin enthält.  Dieses so erhaltene Serum ist Behrings Diphtherie-Heilmittel. Die Behandlung damit besteht einfach darin,  dass dem Patienten, so lange Fiebererscheinungen vorhanden sind, täglich eine Einspritzung gegeben wird. Letztere wird  an  Weichteilen des Körpers, welche nicht dem  Aufliegen ausgesetzt sind, gegeben.

QUELLE:  Kärntner Zeitung, 31. März 1895, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO


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